Lkw-Manager : Robert Techler, Direktor von Scania Österreich, exklusiv im Interview

Robert Techler im Portrait vor Scania-Lastwagen

Robert Techler, Direktor Scania Österreich

- © Scania

TRAKTUELL: Robert, du bist seit August 2022 als Direktor von Scania Österreich im Amt. Wie läuft es bisher und welche Pläne hast du?

Robert Techler: Ich bin in meiner neuen Rolle als Direktor angekommen und fühle mich als Tiroler hier in Wien sehr wohl. Mein Lebensmittelpunkt ist aber nach wie vor in Tirol und auch meine Frau – sie kommt übrigens aus Wien – lebt mit unseren zwei Kindern dort.

Das Wichtigste, das ich in den letzten 23 Jahren schon als Regionaldirektor in Tirol und Salzburg zeigen konnte, ist der respektvolle Umgang miteinander. Ich muss mit den Mitarbeitern kommunizieren, um meine Visionen umzusetzen, aber nicht in unzähligen Meetings, sondern es geht darum, ein klares Ziel vor Augen zu haben. Und darin war ich in der Vergangenheit sehr erfolgreich. Wir haben mit unserem Team sehr stark reflektiert und damit ordentliche Ergebnisse erreicht. Diese Rezeptur würde ich gerne für ganz Österreich anwenden.

Hier in Brunn am Gebirge gibt es in der Zentrale ein tolles Team, mit dem man sehr viel bewegen kann. Ich sehe uns als Support für den Retail bzw. für unsere Filialen. Wir haben 13 Filialen in Österreich und jeder hat seine eigenen Zugänge und Ansätze zum Business. Wir brauchen alle Unterstützung und diese ist gewährleistet durch unsere Kompetenz und auch mit sehr lang gedienten Mitarbeitern, die diese Ansätze mit mir gemeinsam umsetzen. Dieser Gedanke ist natürlich in 100 Tagen noch nicht erreicht, aber die Richtung stimmt. Und ich bin sehr zuversichtlich, mit den rund 400 Mitarbeitern in Österreich diese Ziele auch zu realisieren.

TRAKTUELL

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TRAKTUELL: Die globalen Lieferketten sind gestört...

...damit verbunden sind Verzögerungen bei der Produktion und Auslieferung von Fahrzeugen. Wie kommt Scania mit diesem Thema zurecht? Und wie lange muss ein Kunde in der Regel auf seinen Lkw warten, wenn er heute bestellt?

Robert Techler: Das ist individuell natürlich sehr schwierig zu sagen, weil wir Just-in-Time produzieren. Die Lieferketten für die Komponenten der Fahrzeuge sind nach wie vor verzerrt. Im März 2021 hat jemand im Suezkanal das Steuerrad in die falsche Richtung gedreht und damit diese wichtige Wasserstraße blockiert. Dann haben wir noch immer die Pandemie und wirtschaftliche Herausforderungen wie die Energiekrise, die Inflation oder den andauernden Krieg in der Ukraine als negative Treiber.

Inzwischen sind wir bei Scania schon wieder in einem guten Lieferzyklus angekommen, jedoch noch nicht auf dem Niveau wie vor der Pandemie. Wir haben derzeit einen signifikanten Produktionsstau, der sich leider auch in den unregelmäßigen Auslieferungen bemerkbar macht. Deswegen ist es im Moment sehr schwierig, einen präzisen Liefertermin zu definieren. Wir sind im ständigen Austausch mit unseren Kunden, Lieferanten und Partnern, um hier eine transparente Kommunikation auf Augenhöhe zu führen. Das finde ich sehr wichtig und das werde ich auch in meiner Funktion als Direktor weiter fortführen.

Früher hat jeder Verkäufer drei bis sechs Monate als Lieferzeit auf seinen Kaufvertrag geschrieben, inzwischen reden wir von über einem Jahr und je nach Spezifikation noch länger. Die wirtschaftlichen Herausforderungen haben zu einer instabilen, noch nie dagewesenen Marktsituation mit vielen Unsicherheiten geführt. Trotz aller Widrigkeiten können wir mit dem Jahr 2022 zufrieden sein. Wir werden nächstes Jahr wieder Vollgas geben und hoffen dadurch, dass die Produktionskapazitäten das Niveau wie vor der Pandemie erreichen werden.

Beim Thema Dekarbonisierung gilt es ganzheitlich und technologieoffen zu agieren."
Robert Techler

TRAKTUELL: Das ist für den Vertrieb vermutlich eine herausfordernde Situation?

Robert Techler: Die Strategien und das Budget werden immer im Voraus geplant, jedoch haben sich die Rahmenbedingungen auch unterjährig verändert und sind schwieriger geworden. Nichtsdestotrotz haben wir eine extrem starke Mannschaft mit 21 Verkäufern und jeder einzelne ist nach wie vor loyal dem Unternehmen gegenüber und bringt Verständnis für die Situation auf. Die letzten Jahre waren nicht einfach mit all den volatilen Rahmenbedingungen, Unsicherheiten und Lieferschwierigkeiten. Wir standen alle vor gewaltigen Herausforderungen und deswegen habe ich auch allerhöchsten Respekt vor unserem höchst professionellen Verkaufsteam in Österreich.

Die Hauptaufgabe des Verkäufers ist es, weiterhin Fahrzeuge zu verkaufen. Aber wir befinden uns in einem Transformationsprozess und Themen wie Dekarbonisierung und Digitalisierung stehen auf der Agenda ganz oben. Wir reden jetzt von Elektromobilität. Und da gibt es für uns als Hersteller natürlich extrem viele Aufgaben zu bewerkstelligen: Wir müssen den Kunden noch näher zur Seite stehen und unmittelbar am Produkt sein. Wir müssen genau wissen, was der Kunde mit seinem Fahrzeug macht. Welche Topografie und welche Ansprüche werden an das Fahrzeug gestellt? Welche Aufgaben hat der Fahrer zu bewältigen? Wie kann ich den Fahrer unterstützen?

Im Bereich Digitalisierung gilt es, der Verkaufsmannschaft ein perfektes Handwerkszeug mitzugeben und natürlich auch diese unterstützend zu begleiten. Die Digitalisierung ist und bleibt eine wichtige Schlüsselfunktion in der Transportbranche, der sich Scania seit Jahren widmet. Sie bietet den Unternehmern die Möglichkeit, das Tagesgeschäft zu optimieren und bei wichtigen Themen wie Kostensenkung, Schadensminimierung oder effiziente Transporte zu unterstützen. Es ist ein irrsinnig komplexer Prozess und hier werden wir unseren Kunden auch weiterhin mit aktuellen und zukünftigen Lösungen zur Seite stehen. Und dahingehend ist es meine Aufgabe, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf dieser Reise mit an Bord zunehmen.

Scania BEV Elektro-Lkw für den Verteilerverkehr

- © Ludwig Fliesser

TRAKTUELL: Die Dekarbonisierung, also die Abkehr von fossilen Treibstoffen, ist eine der großen Aufgaben unserer Zeit...

...oder zumindest eines der großen Ziele. Welche alternativen Antriebssysteme bietet Scania an und wie ist das Interesse an alternativen Technologien seitens der Kunden. Bei der IAA-Nutzfahrzeugmesse in Hannover wurden ja massenhaft Elektro- und Wasserstoff-Fahrzeuge gezeigt. Gekauft wird aber letztlich der Diesel. Besteht überhaupt eine echte Nachfrage nach anderen Fahrzeugen?

Robert Techler: Beim Thema Dekarbonisierung gilt es ganzheitlich und technologieoffen zu agieren. Es müssen nachhaltige Rahmenbedingungen in unserer Branche geschaffen werden – da müssen wir alle an einem Strang ziehen: Politik, Industrie, Unternehmer und Fahrer. Ein großer Fokus bei der diesjährigen Messe war die E-Mobilität. Unser Konzernversprechen, jedes Jahr ein neues batterieelektrisches E-Mobility Produkt einzuführen, setzen wir kontinuierlich fort. Der Umstieg zur E-Mobilität ist ein komplexer Prozess, in dem viele Themen und Aspekte berücksichtigt und geplant werden müssen. Wir als Hersteller erweitern unser Angebots-Portfolio von einem Lkw-Hersteller für E-Fahrzeuge zu einem Komplettanbieter für E-Mobilitätslösungen, wo auch Ladeinfrastruktur, maßgeschneiderte Dienstleistungen oder langfriste Beratung dazugehören.

Jedoch dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass immer noch 95 Prozent aller schweren Straßentransporte derzeit noch von konventionell angetriebenen Lkw-Motoren abhängig sind. Der Verbrennungsmotor hat auch in diesem Jahrzehnt noch eine Menge zu bieten und wird uns als Antriebsquelle noch einige Zeit begleiten – da bin ich mir ziemlich sicher. Aus diesem Grunde haben wir auch unseren neuen Scania Super mit dem 13-Liter-Antriebsstrang hinsichtlich Kraftstoffverbrauch weiter optimiert und den CO2-Ausstoß reduziert. Die Verbrauchswerte sind sehr gut und wir haben ein sensationelles Motorenportfolio, das alles abdeckt.

Wir können als Marke Scania auch auf ein breites Angebot an alternativen Antrieben zurückgreifen. Der Einsatz von Erdgas oder Biogas – egal ob in komprimierter oder flüssiger Form – kann wechselweise für den Antrieb verwendet werden. Das bringt nicht nur wirtschaftliche Vorteile im Vergleich zu Diesel oder Batterie, sondern ist auch noch wesentlich klimaschonender als ein herkömmliches, dieselbetriebenes Fahrzeug. Scania ist bestens aufgestellt, um jedem Kunden sein individuelles Antriebskonzept – passend zu den Anforderungen im Unternehmen – anzubieten. Man muss also analysieren, was das beste Konzept für den individuellen Kunden ist, damit er CO2 einsparen kann und nachhaltiger wird, zugleich aber auch noch sein Geschäft ausführen kann.

Man muss analysieren, was das beste Konzept für den individuellen Kunden ist, um CO2 einzusparen!"
Robert Techler

TRAKTUELL: Ist der Gasantrieb in Österreich ein Thema?

Robert Techler: Das ist in Österreich kein Thema, weil wir keine Förderungen für CNG und LNG haben. Gasfahrzeuge sind nicht von der Maut befreit, so wie beispielsweise in unserem Nachbarland Deutschland. Auch Italien war extrem stark, die Frächter haben dort staatliche Subventionen für LNG-Lkw bekommen. Aufgrund des Preissprungs ist die LNG-Nachfrage gesunken und unzählige Gasfahrzeuge stehen ungenutzt herum. In unseren Breitengraden Gott sei Dank nicht, weil es in Österreich keinerlei staatliche Förderung gab.

TRAKTUELL: Also kann man rückblickend von Weitblick der österreichischen Bundesregierung sprechen?

Robert Techler: Das kommt ganz auf das Thema und den Inhalt an. Der springende Punkt zu fossilem Gas ist aus meiner Sicht, dass die dadurch erzielte CO2-Reduzierung von 15 – 20 Prozent nicht ausreicht. Wir denken deshalb über Biogas nach. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, weil je nach Rohstoff eine CO2-Reduzierung von bis 90 Prozent erreicht werden kann. Was gegen CNG-Gas bei schweren Nutzfahrzeuganwendungen spricht, ist das Thema Reichweite, aber abgesehen davon finde ich das vielversprechend. Wir haben ab dem nächsten Jahr zwei weitere Motorvarianten mit 420 und 460 PS im Programm. Allerdings bieten wir auch in unserem Portfolio für den neuen Scania Super den Betrieb mit Biodiesel und HVO in der kompletten Motoren-Range an.

Der Dieselantrieb ist für mich in Europa nur schwer wegzudenken. Ich komme aus einem sehr gebirgigen Bundesland in Österreich und denke dabei zum Beispiel an Milchsammelfahrzeuge, Holztransporte und Kipper. Es ist für mich momentan noch schwer vorstellbar, ein elektrisches Nutzfahrzeug auf 2.000 Meter Höhe mit 40 Tonnen aus dem Wald kommen zu sehen. Hier kann die Rekuperation beim E-Lkw ein wesentlicher Vorteil sein. Der Lkw fährt leer hoch und voll runter – ein für mich sehr spannendes Thema, wobei hier natürlich auch für die Beladung in beiden Segmenten Energie benötigt wird.

Nichtdestotrotz ist der Umstieg auf alternative Antriebe unumgänglich, um unsere Klimaziele zu erreichen. Zum Thema Wasserstoff wird auch bei Scania geforscht, getestet und mit Kooperationen weitere Möglichkeiten vorangetrieben.

Im urbanen Bereich, im Zustellverkehr, wo ich jeden Tag dieselben Destinationen und kurze Wege habe, kann ich mir die E-Mobilität sehr gut vorstellen. Es gibt in Österreich schon um die 50 oder mehr mittelschwere Lkw, die elektrisch im Verteilersegment unterwegs sind. 100 Prozent Elektromobilität im leichten Segment und im privaten Verkehr sind möglich. Im großen Business ist das noch ein schwieriger und komplizierter Weg, den Scania aber gehen wird, um die Klimaziele zu erreichen. Wir wollen bis 2050 komplett emissionsfreie Lkw und Busse produzieren. Und schon bis 2025 wollen wir die CO2-Bilanz unserer Fahrzeuge um 20 Prozent und die unserer Produktion um 50 Prozent verringern.

Im urbanen Bereich, im Zustellverkehr, wo ich jeden Tag dieselben Destinationen und kurze Wege habe, kann ich mir die E-Mobilität sehr gut vorstellen."
Robert Techler

TRAKTUELL: Glaubst du, dass die Förderungen, wie etwa das ENIN-Programm der FFG, ausreichend Kaufanreiz bietet, um die Anzahl schwerer Elektro-Lkw zu erhöhen?

Robert Techler: In Deutschland gibt es ja schon seit längerem eine Förderung, dort sind im urbanen Verteilerverkehr bereits über hundert Lkw von Scania unterwegs. Für den regionalen Transport haben wir unseren erst zur IAA vorgestellten neuen E-Lkw. Die physische Lieferung wird voraussichtlich Herbst 2023 starten. Wir sind also in den Startlöchern und haben eine Strategie. Für die bereits verfügbaren Fahrzeuge im Verteilerverkehr haben wir kurze Lieferzyklen und warten darauf, dass die Förderung noch heuer oder in Q1/2023 beantragt werden kann. Die Lkw-Hersteller haben nachhaltige Produkte designt, entwickelt und produziert und jetzt muss auch die Politik ihre Hausaufgaben machen. Es müssen alle an einem Strang ziehen, denn nur gemeinsam schaffen wir den Wandel und wir brauchen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.

TRAKTUELL: Wie hat sich der Markt für schwere Lkw und Zugmaschinen heuer insgesamt entwickelt?

Und wie sieht diese Entwicklung bei Scania Österreich aus? Könnte es schwierig werden, den hohen Marktanteil zu halten?

Robert Techler: Das Jahr 2022 war kein einfaches Jahr, wie auch pandemiebedingt die beiden Jahre zuvor. Wir haben einen rückläufigen Gesamtmarkt in Österreich. Unser Rekord beim Marktanteil war 2020 mit 19,9 Prozent. Eine Prognose für 2023 ist schwierig, da wir uns in einer noch nie dagewesenen Marktsituation befinden. Es gibt aus meiner Sicht sehr viele Fragezeichen, was die wirtschaftliche Entwicklung betrifft. Wir befinden uns in einer Inflation, teilweise spricht man schon von Rezession und Stagflation. Unser Budget für 2023 ist finalisiert und die Scania Mannschaft in Österreich ist motiviert. Die Produktion ist gut getaktet und gerüstet für das neue Jahr. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen können wir nicht beeinflussen, jedoch ist uns auch in Zukunft wichtig, dass wir immer auf Augenhöhe mit unseren Kunden und Partnern kommunizieren und im Dialog gemeinsam die bestmögliche Mobilitätslösung für das jeweilige Unternehmen finden.

TRAKTUELL: Danke für das Gespräch!