H2-Lkw mit Brennstoffzelle : Völs wird zum Zentrum der Wasserstoff-Aktivitäten im Schwerverkehr
„Es ist ein emotionaler Moment“, sagt Ewald Perwög, Leiter des H2-Projekts bei der Lebensmittelkette MPreis, anlässlich der offiziellen Inbetriebnahme des ersten Wasserstoff-Lkw Österreichs. Es ist auch ein Meilenstein für MPreis und der vorläufige Höhepunkt auf dem Weg zur klimaneutralen Belieferung der 279 Handelsfilialen in Westösterreich. Perwög gilt als Visionär und „Vater“ des Wasserstoff-Projekts. Die Idee dazu kam ihm bereits 2015, kurz darauf begannen die ersten Vorbereitungen. Im März 2020 erfolgte schließlich der Spatenstich für eine eigene H2-Elektrolyseanlage am Unternehmenssitz in Völs in Tirol. Es handelt sich um die größte Single-Stack-Anlage dieser Art in ganz Europa, im März 2022 ging sie in Betrieb. Die Anlage ist über eine 30 kV-Hochvoltleitung direkt ans Stromnetz angebunden und verfügt über eine Leistung von 3,2 Megawatt. Damit können bis zu 55 Kilogramm Wasserstoff pro Stunde produziert werden. Zum Vergleich: Mit einer Tankfüllung von 39 Kilogramm H2, beträgt die Reichweite des Lkw etwa 400 Kilometer, inklusive des Betriebs der Transportkältemaschine.
Für den Antrieb wird der Wasserstoff in einer Brennstoffzelle an Bord des Lkw in Strom umgewandelt – als Abfallprodukt dieses Prozesses kommt lediglich Wasserdampf aus dem Auspuff. Auch die Lärmemissionen sind aufgrund des elektrischen Antriebsmotors wesentlich geringer, als bei einem Dieselfahrzeug.
Wasserstoff ist vielfältig nutzbar
MPreis hat die Elektrolyseanlage bereits lange vor dem ersten H2-Lkw in Betrieb genommen und auch mit diesem ist die Kapazität der Anlage bei weitem nicht ausgelastet. Deshalb hat die Lebensmittelkette von Anfang an ein duales Nutzungskonzept für den selbst erzeugten Wasserstoff umgesetzt: In der unternehmenseigenen Bäckerei in Völs wurde ein Zweistoffbrenner installiert, der sowohl mit Wasserstoff als auch mit Erdgas betrieben werden kann. Damit lässt sich der Wasserstoff wahlweise als Kraftstoff für den Transport im Lkw oder auch für die Erzeugung von Backwaren flexibel nutzen. Die Elektrolyse-Anlage verfügt insgesamt über einen Wirkungsgrad von mehr als 90 Prozent, weil auch die Prozessabwärme genutzt wird.
Anschaffung und Vertrieb weiterer Wasserstoff-Lkw geplant
Aktuell ist bei MPreis nur ein Wasserstoff-Lkw in Betrieb, im Laufe dieses Jahrzehnts will das Unternehmen jedoch die gesamte Flotte von rund 40 Lastwagen auf Wasserstoffbetrieb umstellen. Eigentümer des Fahrzeugs ist die JuVe AutoMotion GmbH, die das Fahrzeug vermietet und auf der Suche nach weiteren Kunden ist. JuVe bietet dazu Wasserstoff-Brennstoffzellenfahrzeuge an und hat auch entsprechende Servicepartner. Im Raum Völs-Innsbruck können Lkw-Kunden die H2-Tankstelle von MPreis nutzen, es gäbe aber bereits Anfragen aus unterschiedlichen Teilen Österreichs. Hier gilt es noch das allseits bekannte Henne-Ei-Problem zu lösen, denn niemand kauft einen Lkw ohne Betankungslösung, wie JuVe-Geschäftsführer Thomas Thaler weiß. Man sei aber in der Lage, mit Partnern auch temporäre Betankungslösungen für Back-2-Base-Flotten zu realisieren. Außerdem gibt es Gespräche einem Mineralölkonzern, um Pkw-Wasserstoff-Tankstellen künftig auch für Lkw nutzbar zu machen.
Die Wasserstoff-Lkw selbst werden auf Wunsch verkauft, verleast oder vermietet. Dies ist freilich für die Förderung zur Beschaffung der Fahrzeuge relevant, wie Thaler erklärt: „Die ENIN-Förderung kann natürlich nur vom Eigentümer lukriert werden. Im Fall der Vermietung nehmen wir das dem Kunden ab, weil wir Eigentümer bleiben. Wir lukrieren die Förderung, und geben diese über den Mietpreis an den Kunden weiter. Das hat noch dazu den Vorteil, dass wir als JuVe das Technologierisiko und das Investitionsrisiko tragen.“
Anwendungsfelder und Wirtschaftlichkeit der Wasserstoff-Lkw
Der Einsatz von Wasserstoff als Lkw-Treibstoff eignet sich mangels generell verfügbarer Infrastruktur derzeit nur für regionale Anwendungen. Die Filialbelieferung bei MPreis ist insofern ideal, als die Lastwagen regelmäßig an den eigenen Standort zurückkehren, wo sie betankt werden können.
Was die Wirtschaftlichkeit betrifft, so ist die Beschaffung eines solchen Fahrzeugs zunächst natürlich wesentlich teurer. Abhilfe sollte hier die ENIN-Förderung für emissionsfreie Nutzfahrzeuge und Infrastruktur schaffen, wobei 80 Prozent der Investitionsmehrkosten für das Fahrzeug und 40 Prozent der Infrastruktur förderbar sind. Nicht ganz so leicht zu beantworten ist hingegen die Frage nach der Wirtschaftlichkeit im Betrieb, sprich die Kosten für die Herstellung von Wasserstoff. Bei einem Strompreis von 70 Euro pro Megawattstunde (7c pro kWh) wäre die Kostenparität zum Diesel gegeben, aktuell ist Strom teils aber deutlich teurer.
Die Betriebszeiten des Elektrolyseurs werden deshalb auf die Großhandelspreise für Industriestrom abgestimmt. Diese werden jeweils einen Tag im Voraus für die jeweilige Betriebsstunde festgelegt: Je nach Verfügbarkeit kann der Tarif zu einem bestimmten Zeitpunkt damit deutlich über oder auch unter 70 €/MWh liegen. Gekauft wird dann, wenn der Strom möglichst billig ist: Somit hat der Elektrolyseur keine negativen Auswirkungen auf die Netzstabilität, weil günstig verfügbare Überkapazitäten zu Tagesrandzeiten und in der Nacht abgenommen werden. Andererseits ist natürlich auch eine gewisse Mindestauslastung des Elektrolyseurs nötig, damit sich die Investition rechnet und auch ausreichend Wasserstoff für den Betrieb der Fahrzeuge und der Bäckerei zur Verfügung steht. Perwög fordert deshalb von der Politik eine Deckelung des Strompreises für die Herstellung von Wasserstoff, die an den Dieselpreis gekoppelt ist: Nur so könne sichergestellt werden, dass sich H2-Lkw im Betrieb langfristig und unabhängig vom Strompreis rechnen und auch gegenüber Diesel-Flotten wettbewerbsfähig bleiben.
Eine weitere Möglichkeit zur Kostensenkung wäre eine direkte Anbindung und flexible Ansteuerung der Elektrolyseanlage durch den Stromnetzbetreiber selbst: Dieser könnte damit die Anlage nutzen, um auch sehr kurzfristig auftretende Überkapazitäten zu verbrauchen und so das Netz zu stabilisieren. Für diese Dienstleistung erhält der Anlagenbesitzer eine entsprechende Abgeltung. MPreis will dazu seinen Elektrolyseur am Regelenergiemarkt präqualifizieren.