AUTOMOTIVE TALK SPEZIAL : Welcher Antrieb hat Zukunft bei Lkw und Bus?
Die Nutzfahrzeugindustrie steht vor der größten Technologiewende, seit der Erfindung des Dieselmotors. Dieser soll spätestens bis zum Jahr 2040 ausgedient haben und durch andere Antriebsformen ersetzt werden. Dazu haben sich die europäischen Hersteller selbst verpflichtet. Der technologische Umbruch fällt obendrein zusammen mit einer beispiellosen Verfügbarkeitskrise bei Bauteilen und Produkten.
„Die Jahrzehnte, die hinter uns liegen, waren auch nicht ohne Herausforderung“, sagt Franz Weinberger, Sprecher der Nutzfahrzeugimporteure in der Industriellenvereinigung. „Es gab auch einige Krisen. Aber diese Krisen waren alle nachfragegetrieben. Es ist uns von heute auf morgen die Nachfrage weggebrochen und dann kam es eben zu Markteinbrüchen. Jetzt sind wir zum ersten Mal aufgrund der geopolitischen Vorgänge mit einer Situation konfrontiert, dass wir zu wenig Produkte haben. Dass die Lieferketten abreißen, dass bestimmte Teile fehlen und dass wir daher nicht genug produzieren können, um den Bedarf zu decken. Das ist eine völlig neue Situation für uns, mit der wir lernen müssen umzugehen. Aber wir werden das mit Sicherheit schaffen“, ist Weinberger überzeugt. Grund für Optimismus sieht der langjährige Brancheninsider in dem generell partnerschaftlichen Verhältnis zwischen Kunden und Produzenten im Nutzfahrzeugbereich, durch die man derartige Krisen meistern kann.
Man muss die Transformation so gestalten, dass die Transporteure in der Lage sind, diese Zusatzbelastung auch zu tragen und an ihre Kunden weiterzugeben“
Hohes Tempo beim Technologiewandel
Abgesehen von der aktuellen Lieferkettenkrise, ist auch die bevorstehende Technologiewende im Nutzfahrzeugbereich nicht primär nachfragegetrieben. Die Notwendigkeit zur Emissionsreduktion ist eine Konsequenz politischer Vorgaben, um die Erderwärmung in den Griff zu bekommen. Diese wird vor allem auf den wachsenden Anteil von Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre zurückgeführt. CO2 ist ein Gas, das praktisch bei jedem Verbrennungsvorgang mit Kohlenstoff entsteht – egal ob Kohle, Holz oder Diesel. Rein über eine Effizienzsteigerung des Verbrennungsmotors und damit verbundene Verbrauchseinsparungen lassen sich die Reduktionsziele nicht erreichen. Es braucht dazu eine vollkommene Technologiewende.
„Das ist mit Sicherheit die größte Herausforderung für die Branche, die es je gegeben hat, nämlich nicht nur von den technischen Lösungen, sondern auch vom Tempo, das erwartet wird“, sagt Weinberger. „Dieser Veränderung liegt eine politische Zielsetzung zugrunde, die wir teilen, die wir tragen als Industrie. Auch wir sind der Meinung, dass diese Ziele, die wir uns gesetzt haben – den Klimawandel zu stoppen – völlig in Ordnung sind. Die Frage ist nur, in welchem Tempo können wir das tun, wie rasch wird das gehen und wie erfolgt dieser Übergang?“
Wirtschaftlichkeit als Knackpunkt
Die vorgegebene Geschwindigkeit im technologischen Wandel sei durchaus herausfordernd. Anwender im Nutzfahrzeugbereich müssen mit ihren Fahrzeugen Geld verdienen. Investitionsentscheidungen fallen demnach auf Basis von wirtschaftlichen Kriterien. In der Regel ist das eine TCO-Kostenbetrachtung (Total Cost of Ownership). „Man muss die Transformation so gestalten, dass die Transporteure in der Lage sind, diese Zusatzbelastung, diese Mehrkosten auch zu tragen beziehungsweise an ihre Kunden weiterzugeben“, sagt Weinberger. Es gäbe inzwischen auch Verlader, die durchaus bereit sind, die Mehrkosten mitzutragen und hier Projekte auf die Beine zu stellen. Momentan sind das aber eher Leuchtturm-Projekte und nicht die große Masse an Fahrzeugbeschaffungen.
Technisch hat die Industrie bewiesen, dass E-Fahrzeuge funktionieren. „Gerade im Kurz- und Mittelstreckenverkehr ist Elektromobilität sinnvoll und möglich, technisch. Was wir noch nicht erreicht haben, ist eine betriebswirtschaftliche Rechnung. Es ist noch kein Business-Case!“, bringt es Weinberger auf den Punkt.
Die Attraktivität der Alternativen wird letztlich aber auch davon abhängen, wie sich der Dieselpreis entwickelt. Aktuell ist dieser sehr hoch, in der wirtschaftlichen Gesamtrechnung könnten E-Fahrzeuge also bei den laufenden Betriebskosten punkten. Förderungen für die Anschaffung würden die Wirtschaftlichkeit im TCO-Vergleich ebenfalls erhöhen: Aktuell sind die Beschaffungskosten für E-Fahrzeuge nämlich etwa drei- bis viermal so hoch wie bei Dieselfahrzeugen. Hierzu wurde seitens der österreichischen Bundesregierung das FFG-Förderprogramm „ENIN“ ins Leben gerufen. Es werden bis zu 80 Prozent der Mehrkosten bei der Beschaffung gefördert. Förderfähig sind auch die Kosten für die Errichtung von Ladeinfrastruktur.
Die fossilen Treibstoffe werden verschwinden“
Fairness durch CO2-Bepreisung?
Eine CO2-Bepreisung im Transportsektor könnte unter Umständen für mehr Fairness sorgen und die Kostensituation zugunsten neuer und emissionsarmer Technologien verändern. „Es ist zumindest eine faire Messgröße. Wenn ich CO2 reduzieren will, dann muss ich auch dort ansetzen und sagen: Wer wenig CO2 emittiert zahlt wenig, wer mehr emittiert zahlt mehr“, sagt Weinberger. Das würde letztendlich auch die Technologie zur Emissionsreduktion offenlassen, denn es zählt einzig und allein das Ergebnis.
Das schlägt ins Mark der Debatte rund um die Technologieoffenheit und eine gesamtheitliche Betrachtung der CO2-Emissionen. Aktuell würden auf europäischer Ebene vor allem die Auspuffemissionen der Fahrzeuge betrachtet, also die direkten Emissionen vom Tank bis zum Rad. Damit sind E-Fahrzeuge und Wasserstofffahrzeuge sogenannte „Nullemissionsfahrzeuge“, andere Alternativen scheiden aus. Kritiker dieser Betrachtungsweise plädieren für einen umfassenderen Ansatz und eine Berechnung der CO2-Gesamtemissionen von der Energiequelle bis zum Rad oder überhaupt in Form einer Lebenszyklusanalyse von der Erzeugung der Fahrzeuge bis hin zu deren Wiederverwertung nach dem Ende der Nutzungsdauer. Eines ist für Weinberger aber klar: „Die fossilen Treibstoffe werden verschwinden.“