EU Green Deal : CO2-Reduzierung bei Nutzfahrzeugen: Realistisches Ziel oder Wunschtraum?
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Grundsätzlich zeichnen sich mehrere Ansätze zur Reduktion der CO2-Emissionen ab. Etwa die Elektrifizierung von Nutzfahrzeugen: Diese erfordert jedoch einen rascheren Ausbau der Ladeinfrastruktur und die Entwicklung noch leistungsfähigerer Batterietechnologien.
Ein weiterer Ansatz ist die Verbesserung der Kraftstoffeffizienz: Darunter ist die Optimierung von Verbrennungsmotoren und der Einsatz von effizienteren Kraftstoffen wie Biodiesel oder synthetischen Kraftstoffen zu verstehen. Sie können helfen, den Treibstoffverbrauch und damit ebenfalls die CO2-Emissionen zu senken.
Eine weitere Möglichkeit ist, auf alternative Antriebstechnologien zu setzen: Neben reinen Elektrofahrzeugen können auch wasserstoffbetriebene Fahrzeuge oder Fahrzeuge mit anderen alternativen Antrieben in Betracht gezogen werden. Eine effizientere Routenplanung und ausgefeilte Logistik können ebenfalls dazu beitragen, Leerfahrten zu vermeiden und den somit den Treibstoffverbrauch zu reduzieren.
EU Green Deal: Welche Ziele hat er für den Verkehr?
Geplant ist im Rahmen des EU Green Deal unter anderem, die verkehrsbedingten Emissionen bis 2050 um 90 Prozent zu verringern. Bis 2030 sollen sie um 55 Prozent, gegenüber dem Jahr 1990, gesenkt werden.
Konkret bedeutet das, dass neue PKW und leichte Nutzfahrzeuge bis 2035 emissionsfrei unterwegs sein sollen. Bis 2030 müssen die im Durchschnitt ausgestoßenen Emissionen bei neuen PKW um 55 Prozent, bei neuen leichten Nutzfahrzeugen um 50 Prozent gesenkt werden.
Zudem wurden Ziele für die CO2-Reduktion schwerer Nutzfahrzeuge vorgeschlagen. Diese sollen ab 2030 gelten. Im Vergleich zu 2019 sollen neue LKW:
- ab 2030 45 Prozent
- ab 2035 65 Prozent
- ab 2040 90 Prozent
weniger Emissionen verursachen. Neue Stadtbusse sollen ab 2030 emissionsfrei sein.
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EU Green Deal: Wie realistisch sind die Zielvorgaben?
Die Umsetzung dieser Maßnahmen würde allerdings eine engmaschigere Zusammenarbeit zwischen Regierungen, Herstellern, Logistikunternehmen und anderen Interessengruppen erfordern, um die Herausforderungen anzugehen und die Ziele des EU Green Deal zur CO2-Reduktion im Nutzfahrzeugsektor bis 2030 tatsächlich zu erreichen.
Wie realistisch das Erreichen dieser Ziele überhaupt ist, haben wir in der Branche nachgefragt.
Derzeitige Zielsetzung "sehr ambitioniert"
Franz Weinberger, Sprecher der Nutzfahrzeugimporteure in der Industriellenvereinigung: „Die CO2-Reduzierung bei Nutzfahrzeugen ist eine große Herausforderung, da die Rahmenbedingungen vielfach nicht passen. Wasserstoff, Elektro-Ladestation, Biogas oder Biogas-Diesel wären Alternativen, aber die dafür notwendige Infrastruktur ist nicht meist nicht vorhanden. Selbst leistungsfähige Charging-Systeme werden nur sehr langsam vermehrt verfügbar, so dass der Leitungsbau nicht rasch genug erfolgen kann.
Darüber hinaus ist auch ein Business-Case nicht vorhanden. Es ist also kein Problem der Fahrzeuge, diese sind vorhanden und auch lieferbar. Ein rasch wirksamer Ansatz wäre, bestehende Fahrzeugparks mit E-Fuels CO2-neutral zu machen. Man darf nicht vergessen, dass es im Nutzfahrzeugbereich sehr viele langlebige LWK, wie Kranfahrzeuge oder Kommunalfahrzeuge gibt. Weitere Probleme bei alternativen Antrieben sind der Nutzlastverlust bzw. die Produktion von zum Beispiel Wasserstoff. Wasserstoff-Verbrenner wären nämlich ebenfalls eine Alternative und rasch umsetzbar.
Ich halte die derzeitige Zielsetzung daher für sehr ambitioniert. Entscheidend wird das Verhalten der Auftraggeber sein. Wenn diese alternative Antriebe wünschen, könnte sich dies zu einer Massenbewegung entwickeln. Hier fehlt allerdings der Anreiz. Schon in der Vergangenheit konnten nur 2 Prozent der Nutzfahrzeugbetreiber eine Mautreduktion in Anspruch nehmen. Das weitaus höhere finanzielle und geschäftliche Risiko tragen allerdings die Hersteller, die die Problematik damit in erster Linie trifft.“
Einsatz von HVO könnte CO2 massiv reduzieren
Dipl. Ing. (FH) Gerald Puffitsch, Managing Director DAF Österreich: „Die von der Europäischen Kommission festgelegten CO2-Reduktionsziele für das Jahr 2030 stellen uns vor eine große Herausforderung. DAF ist bestrebt, verschiedene Möglichkeiten zu erkunden, um diese Ziele zu erreichen. Dazu gehören vollständig elektrische, Hybrid- und Wasserstofftechnologien.
Wir wissen, dass es keine universelle Lösung für die Vielzahl von Transportanwendungen gibt, aber wir werden alle verfügbaren Optionen nutzen müssen, um unseren Kunden emissionsfreie Lastwagen anzubieten. Es braucht mehr als nur verfügbare "Null Emissionen“-Lastwagen, um den Straßentransport zu dekarbonisieren. Die entscheidenden Bedingungen für diesen Wandel werden die Verfügbarkeit von grüner Energie und Lade-/Betankungsinfrastruktur sowie Kostengleichheit für Transportunternehmen sein.
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Leider ist das derzeitige Tempo der Ladegeräteinstallation viermal zu langsam.
Dipl. Ing. (FH) Gerald Puffitsch, Managing Director DAF Österreich
Leider ist das derzeitige Tempo der Ladegeräteinstallation viermal zu langsam. Um diese Herausforderung zu bewältigen, bedarf es einer gemeinsamen Anstrengung von Regierungen, Energieunternehmen und dem Transportsektor. Im vergangenen Jahr haben wir bei DAF ein brandneues Werk zur Montage von Elektro-LKW eröffnet und eine breite Palette von batterieelektrischen Fahrzeugen eingeführt, die eine beeindruckende emissionsfreie Reichweite von bis zu 500 Kilometern bieten.
Gleichzeitig arbeiten wir intensiv an der Entwicklung weiterer alternativer Technologien. Es sei angemerkt, dass alle unsere derzeitigen DAF-LKW durchaus in der Lage sind, HVO (Hydrotreated Vegetable Oil) zu nutzen. Der Einsatz von HVO könnte bereits heute zu einer Reduzierung von nicht weniger als 95 Prozent CO2 führen, auch unter Berücksichtigung des gesamten Produktionsprozesses. Wir benötigen alle verfügbaren Technologien, um nachhaltigen Straßentransport zu erreichen, und DAF ist fest entschlossen, Teil der Lösung zu sein.“
Drei Faktoren bei Dekarbonisierung entscheidend
Jens-Christian Tittel, CEO, Daimler Truck Austria GmbH: „Nutzfahrzeuge haben einen enormen Einfluss auf unser tägliches Leben – auch in Sachen CO2-Emissionen. Die Dekarbonisierung von LKW ist eine große Herausforderung – und gleichzeitig eine große Chance. Über die Dekarbonisierungs-Geschwindigkeit entscheiden im Wesentlichen drei Faktoren: Die Verfügbarkeit von Fahrzeugen, die Rentabilität dieser Fahrzeuge und die zur Verfügung stehende Infrastruktur.
Die Reduktion der CO2-Flottenemissionen bis 2030 um 45 Prozent gegenüber 2019 ist ehrgeizig und nur mit einem klaren Fokus der Fahrzeugentwicklung auf CO2-neutale Antriebe möglich. Wir bei Daimler Truck setzen auf zwei emissionsfreie Antriebstechnologien. Wir bieten zukünftig batterieelektrische und wasserstoffbasierte Fahrzeuge an und liefern unseren Kunden je nach Anwendungsfall, Infrastruktur und Energieverfügbarkeit das passende Antriebskonzept.
Ein LKW ist ein Investitionsgut - Transportunternehmen müssen damit profitabel wirtschaften können. Darum sind die Gesamtkosten ein weiterer wichtiger Faktor: Preise für grüne Energie werden entscheidend sein, um Kostenparität zwischen einem Diesel- und Batterie- oder Wasserstoff-LKW herzustellen. Ein dritter, ganz wesentlicher Faktor ist die Infrastruktur: Transporteure müssen ihre LKW auch aufladen und tanken können. Dazu müssen die entsprechenden Voraussetzungen einerseits für ein öffentliches Ladenetz, aber vor allem auch für Depot-Laden am Firmenstandort geschaffen werden.
Für eine schnellere Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs brauchen wir jetzt die richtigen politischen Signale mit Fokus auf Infrastrukturaufbau und Kostenparität, die den Hochlauf von batterieelektrischen und wasserstoffbasierten LKW ermöglichen. Bestehende Maßnahmen wie nationale Förderprogramme (zum Beispiel ENIN) sowie diverser Maut- und Steuervorteile für emissionsfreie Nutzfahrzeuge sind wichtige Schritte und sollten unbedingt weitergeführt werden.“
MAN setzt sich amibitiöse Ziele
Rudi Kuchta, Geschäftsführer von MAN Truck & Bus Österreich: „Als LKW-Hersteller stehen wir in der Verantwortung und werden alles daran setzen, unseren Beitrag zur CO2-Reduktion zu leisten. Um die Wichtigkeit dieses Themas zu unterstreichen, haben wir uns konzernintern weitere Benchmarks gesetzt, um diese Vorgaben erfolgreich umsetzen zu können.
Wir werden beispielsweise bis 2030, im Vergleich zu 2019, im Herstellungsprozess – 70 Prozent an CO2 Tonnen einsparen. Auch bei den verkauften Fahrzeugen von MAN setzen wir uns ambitionierte Ziele und werden bis 2030 auch hier – 28 Prozent an CO2/vkm einsparen. Dass diese Rechnung bereits aufzugehen beginnt, zeigt, beispielsweise, dass wir 2023 um 12 Prozent mehr Produkte verkauft haben als 2019, gleichzeitig aber auch die CO2 Emissionen um 11 Prozent reduzieren konnten, vor allem getrieben durch die Einführung des elektrischen Busses.
Die Fokussierung auf nachhaltiges Wirtschaften (Stichwort ESG) in unserer Unternehmensstrategie verlangt daher, dass in allen unseren Geschäftsbereichen dementsprechend gehandelt und entschieden werden muss.
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In Österreich hat die ENIN Förderung für einen positiven Anreiz gesorgt und Bewusstsein für ein Weiterdenken geschaffen. Darauf gilt es jetzt aufzubauen.
Rudi Kuchta, Geschäftsführer von MAN Truck & Bus Österreich
MAN ist voll auf Kurs im Transformationsprozess und setzt dabei in Zukunft auf alternative Antriebe, mit Fokus auf den batterieelektrischen Antrieb. Der eTruck steht bereits seit Herbst letzten Jahres zum Verkauf, im Segment der eBusse sind wir Marktführer in Europa und Österreich und der elektrische Transporter, eTGE, ist bereits seit 2018 erfolgreich am Markt. Eigene Batteriereparatur-Zentren gehen europaweit nun laufend in den Einsatz und die Werkstättenmitarbeiter werden auf den neuesten Stand der Technik geschult, um unsere Kunden bestmöglich unterstützen zu können.
Fakt ist, dass alle Hersteller in den letzten Jahren enorme Anstrengungen und Investitionen unternommen haben, um zeitgerecht mit ihren Produkten am Markt zu sein und Fahrzeuge liefern können. Jetzt ist ein rascher und flächendeckender Ausbau der Infrastruktur notwendig, um diese Technologien zugänglich und in die Breite bringen zu können. In Österreich hat die ENIN Förderung für einen positiven Anreiz gesorgt und Bewusstsein für ein Weiterdenken geschaffen. Darauf gilt es jetzt aufzubauen und dem gemeinsamen Ziel mit großen Schritten näher zu kommen."
Es fehlt ein "pragmatischer, einfacher Ansatz"
Berberat Tarcis, Vice President Region AdriAlps, Renault Trucks AG: „Das geforderte Ziel ist sehr ehrgeizig und fordert allen Herstellern einen großen Einsatz ab. Aus der Sicht Renault Trucks ist seit Ende 2023 ein durchgängiges Produkte-Angebot (bis 44 to Gesamtgewicht) für unsere Kunden in Österreich verfügbar und lieferbar. Gerade in unserem Land ist Renault Trucks der Markführer bei elektrisch betriebenen Fahrgestellen. Ebenso sind die Werkstätten geschult und vorbereitet. Der Hersteller hat also seine Aufgaben getan.
Die Entwicklungen in der Antriebs- und Batterie-Technologie sind rasant; die zu erzielenden Reichweiten decken sich bald mit den Lenkzeiten-Limiten der Fahrer. Problematisch wird es aber bei der Bürokratie und der Investitionssicherheit zur Erlangung der Förderungen für diese teureren Fahrzeuge. Hier fehlt ein pragmatischer, einfacher Ansatz, welcher die die Bereitschaft der Unternehmer zum Umstieg fördert. Denn diese investieren ja nicht nur in die Trucks, sondern auch in die lokale, eigene Ladeinfrastruktur!
Ganz wesentlich für die Erreichung der EU-Ziele ist die öffentliche Ladeinfrastruktur für LKW mit Fahrer. Diese fehlt aktuell. Die einzelnen EU-Staaten haben hier keinen Plan und wälzen diese Herausforderung ebenso auf die Industrie ab. Hier erwartet die Logistik-Industrie einen gesamteuropäischen Plan zur Errichtung von Ladeparks entlang der grossen Transitachsen mit einem transparenten und wettbewerbsfähigen Angebot an elektrischer Energie. Renault Trucks (als Teil der Volvo Group) ist hier über die das Unternehmen www.milence.com beteiligt, welche solche privaten Ladeparks installiert.“
Volvo Trucks Österreich sowie die Iveco Austria GmbH wollten aus konzernstrategischen Gründen zu diesem Thema aktuell nicht Stellung beziehen.