Ladungsverluste : Ladungsverlust durch Unterschlagung: wer haftet nach CMR?
Der Fall: Im vorliegenden Fall wurde der Hauptfrächter vom Kunden beauftragt, eine Maschine von Österreich nach Spanien zu transportieren. Der Transportvertrag wurde an einen Unterfrächter vergeben. Dieser sei verpflichtet gewesen, eine weitere Untervergabe zu unterlassen, es sei denn, der Hauptfrächter stimmte zuvor eine Auftragsweitergabe zu.
Der Unterfrächter vergab den Transportauftrag an einen weiteren Unterfrachtführer, ohne zuvor grünes Licht vom Hauptfrächter einzuholen. Dieser wiederum gab den Auftrag an einen spanischen Unterfrächter weiter, welcher wiederum einen polnischen Subfrächter beauftragte, der wiederum einen deutschen Unterfrächter mit dem Transport orderte, jedoch den Transport ebenfalls nicht ausführte. Der Transport sollte letztlich von einem slowakischen Unterfrächter ausgeführt werden.
Allerdings gelangte die Ladung über die eingeschalteten Frachtenbörse eines Unterfrächters in die Hände Krimineller, die das Gut beim Absender abholten. Die Ladung kam nie beim rechtmäßigen Empfänger an. Der Schaden, der dem Kunden entstand, belief sich auf 142.000 EUR. Darüber hinaus sind Gutachterkosten in Höhe von 8.322,77 EUR entstanden.
Der Hauptfrächter wurde auf vollen Schadensersatz verklagt, weil er für den Verlust dem Grunde nach die Verantwortung trage. Zudem könne er sich nicht auf die Haftungsbegrenzung nach Artikel 23 Absatz 2 Bestimmungen über den Beförderungsvertrag im grenzüberschreitenden Güterverkehr (CMR) erfolgreich berufen, denn der Verlust des Guts sei grob sorgfaltswidrig verursacht worden. Dagegen meinte der beklagte Hauptfrächter und der von ihm beauftragte Unterfrächter, der dem Prozess gegen den Hauptfrächter beigetreten war, dass der Verlust der Maschine für sie unabwendbar gewesen sei.
Die Urteile
Das Erstgericht verurteilte den Hauptfrächter, 94.512,18 EUR zu zahlen. Der Fall ging zum Berufungsgericht, das sich dem Urteil des Erstgerichts angeschlossen hatte. Der Rechtsstreit ging in die Revision zum Obersten Gerichtshof (OGH) Wien und entschied am 9. November 2022, dass der Kläger einen vollen Schadensersatzanspruch habe (AZ: 7 Ob 115/22w).
Der Tenor
Das Erstgericht habe zutreffend die Gewahrsamshaftung des Hauptfrächters bestätigt. Darüber hinaus sagten die Richter des OGH, dass die Berufungsinstanz die Auffassung des Erstgerichts teilten, dass der Verlust innerhalb des Obhutszeit des Hauptfrachtführers eingetreten sei. Daher sei vor diesem Hintergrund vom Revisionsgericht nur noch zu klären, ob sich der Hauptfrächter grobe Fahrlässigkeit im Sinne des Artikels 29 CMR erfolgreich vorwerfen lassen müsse oder nicht. Dies sei, so der OGH weiter, anders als das Berufungsgericht meinte, „zu bejahen“.
Der Hauptfrächter könne sich nicht auf die Artikel 29 Absatz 1 CMR berufen, der die Haftung des Hauptfrächters beschränke oder ausschließe oder die Beweislast zu Lasten des Klägers umkehre, wenn folgende Voraussetzung erfüllt sei. Wenn die Unterfrachtführer den Güterschadensfall durch Vorsatz „oder durch ein ihm zur Last fallendes Verschulden“ verursacht werde, dass nach Auffassung des zuständigen Gerichts „dem Vorsatz“ gleichstehe. Ein dem Vorsatz gleichstehendem Verschulden bedeute nach österreichischem Recht, „grobe Fahrlässigkeit“.
Der Frächter kann sich nur dann erfolgreich von seiner Gewahrsamshaftung nach Eintritt eines Schadensfalls befreien, wenn der Verlust auch bei Anwendung der äußersten Sorgfalt unvermeidbar war.Eckhard Boecker
Allerdings meinte der OGH auch, dass die Beweislast, dass sich der Hauptfrachtführer oder seine Unterfrachtführer vorsätzlich oder grob sorgfaltswidrig verhalten haben, beim geschädigten Kunden des Hauptfrächters liege. Darüber hinaus hob der OGH hervor, dass es eine einhellige Rechtsauffassung gäbe, sollen die Voraussetzungen des Artikels 29 CMR erfüllt sein, sich der Hauptfrächter nicht auf die Artikel 17 Absatz 2 und 4 CMR, auf Artikel 18 CMR sowie auf die Artikel 23 und 25 CMR nicht erfolgreich berufen könne. So lagen die Dinge bei diesem Rechtsstreit.
Ein grob sorgfaltswidriges Organisationsverschulden erfordere „objektiv“ sowie „subjektiv“ eine schwere Pflichtverletzung „gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt“, so der OGH in seiner weiteren Entscheidungsbegründung. Der Hauptfrächter habe seine Sorgfaltspflicht ungewöhnlich und auffallend vernachlässigt. Dabei sei der Ladungsverlust „durchaus“ für ihn vorhersehbar gewesen. Unstreitig sei der Hauptfrächter berechtigt gewesen, den Transportauftrag weiterzugeben.
Ob der Schadensfall für einen Frächter tatsächlich am Ende des Tages unvermeidbar gewesen war, hängt von allen Umständen des Einzelfalls ab.Eckhard Boecker
Fakt sei, dass der Unterfrächter den Hauptfrächter nicht über die Weitergabe des Transportes informierte. Allerdings seien dem Hauptfrächter „Umstände“ bekannt gewesen, dass der Auftrag weitergegeben worden sei. Der deutsche Unterfrächter habe bekannt gegeben, dass ein LKW mit slowakischem Kennzeichen die Ladung übernehmen werde. Trotzdem sei der Hauptfrächter untätig geblieben, das heißt er habe keine Rückfragen gestellt. Dies obwohl er sich gegenüber dem Transportkunden verpflichtet habe, die Beauftragung eines Unterfrachtführers mit der gebotenen Sorgfalt eines ordentlich handelnden Kaufmanns vorzunehmen.
Der Hauptfrächter habe in Kauf genommen, dass die Transportweitergabe, ohne ihre vorherige Zustimmung, in einer unkontrollierten Transportauftragskette weitergegeben worden sei. Dies seien mehrfache und schwerwiegende Sorgfaltspflichtverstöße des Hauptfrächters gewesen. Wer, so der OGH, nicht vermeide, dass Transportdaten über eine Transportbörse in die Hände von Kriminellen gelangen, die in weiterer Folge das Gut beim Absender erfolgreich laden sowie sich unter den Nagel reißen, erfüllt die Voraussetzungen für eine unbeschränkte Haftung nach Artikel 29 CMR.
Der Frächter sollte sicherstellen, dass die Auftragsweitergabe beachtet wird, indem er sich vom Frächter vor der Auftragserteilung bestätigen lässt, ob der Transport mit eigenem Fuhrpark oder durch einen weiteren Unterfrächter ausgeführt werden würde.Eckhard Boecker