Future Mobility : Kjell Walöen von Volta Trucks im Exklusiv-Interview

Volta Trucks
© ENRIQUE GAYA / Volta Trucks

Volta Trucks hat bis jetzt noch keinen einzigen Lkw auf der Straße und ist dennoch in aller Munde. Spätestens mit der Vorbestellung von 1.470 Elektro-Lkw durch DB Schenker ist klar: Hier etabliert sich gerade ein neuer Player auf dem Markt für mittelschwere Lastwagen. Gebaut werden sie in Steyr. Wir haben Kjell Walöen, Chief Technology Officer von Volta Trucks, zum Interview gebeten.

Traktuell: Wir erleben eine Zeit des Technologiewandels und einen Trend hin zu elektrisch angetriebenen Fahrzeugen. E-Mobility-Startups schießen wie Pilze aus dem Boden. Was macht Volta Trucks im Vergleich zu anderen Startups und auch im Vergleich zu traditionellen und etablierten Lkw-Herstellern besonders?

Kjell Walöen: Wir haben ein Nischenprodukt gefunden, mit dem wir uns abheben können. Carl-Magnus Norden (Volta-Gründer) hatte die Idee zuerst. Ich arbeitete in der Elektro-Pkw-Industrie für Polestar zusammen mit Duncan Forrester (Leiter Unternehmenskommunikation bei Volta). Carl-Magnus meinte: ‚Bei Autos passiert so viel und bei Lastwagen gar nichts – Warum ist das so?‘ Wir waren uns einig, dass der Trend zur Elektrifizierung wahrscheinlich jeden Moment die Nutzfahrzeugindustrie erreicht. Wir glauben daher, dass es eine Chance für einen ‚Early Mover‘ gibt. Immer wenn ein technologischer Umbruch stattfindet, haben neue Marktteilnehmer eine Chance.

Was ist typischerweise passiert in der Autobranche – was auch bei Volvo passierte, als ich dort arbeitete? Man begann, den Verbrennungsmotor durch einen Elektromotor zu ersetzen. Und dann kam plötzlich Tesla und hatte die Batterie als Teil der Konstruktion des Chassis eingebaut. So ist es in der Autoindustrie passiert. Würde das nicht auch im gewerblichen Bereich passieren?

Bei Lkw sehen wir Nachrüstlösungen, wo der Dieselmotor herausgenommen und ein Elektromotor und Batterien eingebaut wurden. Etablierte Lkw-Hersteller haben im Prinzip das gleiche im Konstruktionsbüro gemacht: Sie haben den Dieselmotor einfach durch einen E-Motor ersetzt. Wir fragten uns hingegen, wie ein Lkw aussehen würde, wenn wir bei Null anfangen. Dabei haben wir uns auf den städtische Verteilerverkehr konzentriert. Hier gibt es einen dringenden Bedarf an lokal emissionsfreien Fahrzeugen, nicht nur für den Klimaschutz, sondern auch um die Luftqualität in den Städten zu verbessern.

Wir entschieden uns für einen größeren Fahrzeugtyp als Vans, deren Elektrifizierung bereits begonnen hatte. Die Überlegung war, wie der Lkw der nächsten Generation aussehen könnte. Dabei haben wir die Chance gesehen, die die Elektrifizierung bietet. Mit der Kabine konnten wir machen, was wir wollen, denn der komplette Antriebsstrang ist unter dem Chassis untergebracht. Wenn man den Motor unter dem Fahrerhaus entfernt, kann man den Fahrerarbeitsplatz busähnliche gestalten. Das ist sowohl aus Sicherheitsgründen als auch aus Komfortgründen vorteilhaft. Ein Verteilerfahrzeug hat üblicherweise viele Abladestationen. Die Möglichkeit, einfach aus- und einzusteigen, auch auf der Beifahrerseite, ist ein großer Vorteil gegenüber einem normalen Lastwagen, wo man über Stufen aus dem Fahrerhaus klettern muss. Das war unser Ausgangspunkt.

Wir haben das Fahrzeug nun fertig designt. Der Lkw hat einen zentralen Fahrersitzplatz für maximale direkte Sicht. Um besonders verwundbare Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger und Radfahrer in der Stadt wahrzunehmen, ist es sehr wichtig auf Augenhöhe mit diesen sein. Gleichzeitig ermöglicht die niedere Sitzposition das bequeme Ein- und Aussteigen. Das war also die Weltneuheit und ich habe immer noch niemanden gesehen, der dem gefolgt ist. Unser Entwurf hat bei Kunden, Medien und der Welt eine enorme Anerkennung gefunden. Alle reden von Elektrifizierung. Aber die smarte Lösung, die wir jetzt auf den Markt bringen, ist bisher einzigartig.

Traktuell: Wann werden wir den ersten Volta Truck auf der Straße sehen? Und wie lange brauchen Sie, um die Produktion in Richtung einer Serienfertigung mit substanziellen Stückzahlen hoch zu skalieren?

Kjell Walöen: Wir hatten zunächst nur einen Demonstrator: Dieser sieht aus wie das Original, ist aber mehr ein Design-Prototyp als ein technischer Prototyp. Vor kurzem haben wir nun mit dem Bau der ersten Prototypen begonnen, die auch auf der Straße getestet werden. Im Sommer 2022 beginnen wir in Steyr mit dem Bau von Vorserienfahrzeugen. Gegen Ende nächsten Jahres starten wir dann mit der eigentlichen Fahrzeugproduktion. Einige dieser Lastwagen wird man schon auf den Straßen sehen, aber die Serienfertigung beginnt erst Anfang 2023. Wir fahren die Produktion so schnell wie möglich und so schnell wie das Werk Steyr kann hoch. Noch im Jahr 2023 werden wir 5.000 Fahrzeuge bauen. Gleichzeitig prüfen wir den Ausbau unserer Produktplattform und Produktionsstandorte. In den kommenden zwei bis drei Jahren wollen wir vier Lkw-Varianten von 7,5 bis 18 Tonnen haben. Ab 2025 werden 27.000 Fahrzeuge pro Jahr produziert.

Traktuell: Sie haben einen Fertigungsvertrag mit Steyr Automotive und sind derzeit vor Ort in Steyr. Wird diese Produktionsstätte das einzige Werk für Volta Trucks in Europa sein? Können Sie uns Details zur Vereinbarung nennen?

Kjell Walöen: Hinsichtlich der Produktionsstandorte haben wir nun einen Vertrag unterzeichnet, der für die ersten Jahre ausreichend ist. Später werden wir über weitere Volumenkapazitäten verhandeln. Das kann hier in Steyr sein, es können aber auch andere Orte sein. Das steht noch nicht fest. Es hängt auch davon ab, wie viel Kapazität Steyr hat, denn auch dort gibt es ehrgeizige Pläne. Aber wir sind sehr glücklich über den Abschluss dieses Vertrags. Steyr Automotive hat viel Erfahrung und wir haben bisher sehr effizient und sehr vertrauensvoll verhandelt.

Der Vorteil der Lohnfertigung liegt darin, dass sie viel schneller ist und weniger Investitionen erforderlich sind, weil sie über eine mehr oder weniger betriebsbereite Anlage verfügen. Es ist also eine relativ kleine Investition und es gibt ein sehr erfahrenes Team in Steyr, sowohl in der Unternehmensleitung als auch im Engineering vor Ort. Wir entwickeln also das Fahrzeug und kaufen bei Steyr Automotive die Fertigungs- und Engineering-Kompetenz zu. Dazu arbeitet das F&E-Team von unserer Seite mit den Fertigungsingenieuren vor Ort zusammen. Wir haben Fertigungsingenieure und Projektleiter an unserer Seite, aber in Steyr wird die Hauptarbeit geleistet hinsichtlich der Ausrüstung, Planung des Fertigungsprozesses und Beschaffung, Installation und der Errichtung von Produktionsanlagen. Im Mai wird Steyr dann die Anlage für uns in Betrieb nehmen.

DB Schenker wird im Frühjahr und Sommer 2022 die ersten Prototypen von Volta Zero Trucks unter realen Bedingungen einsetzen. Zudem gibt es bereits eine Vorbestellung des Unternehmens über 1.470 Fahrzeuge

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Traktuell: Sie wollen Lkw als Service mit Gesamtbetriebskosten anbieten, die unter denen aktueller Diesel-Lkw liegen. Die meisten Kenner der Branche sehen aber gerade in der ökonomischen Seite eine große Schwierigkeit bei Elektro-Lkw. Üblicherweise sind die Fahrzeuge sehr teuer. Wann soll das Modell „Truck as a Service“ verfügbar sein und unter welchen Bedingungen gewähren Sie zumindest die Kostenparität zu einem konventionellen Diesel-Lkw?

Kjell Walöen: Wir wollen den Truck von Anfang an in dieser Form anbieten. Das Rollout unterliegt aber gewissen Limitierungen. Wir müssen diesen Service komplett neu aufbauen. Dazu werden nach und nach mehr Komponenten hinzufügen. Wir haben aber einen sehr ehrgeizigen Plan, ein führender Anbieter dieser Dienstleistung zu werden, die mehr als nur das Fahrzeug umfasst. Die Ladeinfrastruktur, Beratung bei der Stromversorgung, Versicherung, Wartung – alles ist im Preis inbegriffen. Dies wird parallel zum Fahrzeug entwickelt und wir werden in allen größeren Städten, in denen wir mit der Auslieferung unserer Lkw beginnen, Service-Hubs aufbauen. Zur Preisgestaltung: Wir haben natürlich noch nicht alle Verträge abgeschlossen, aber unsere Schätzungen gehen davon aus, dass wir von Anfang an auch ohne Subventionen mit den TCO sehr nahe an herkömmliche Lkw herankommen. Wir gehen auch davon aus, dass es Subventionen und andere Anreize für den Umstieg auf E-Fahrzeuge geben wird. Eines der Probleme bei Elektrofahrzeugen ist, dass sie in der Anschaffung teurer sind, aber man spart langfristig Geld. Daher denke ich, dass unser Service der Finanzierung wichtig sein wird, insbesondere für die kleinen und mittleren Betreiber.

Traktuell: Sie planen ausschließlich Batteriefahrzeuge oder wollen Sie auch auf Wasserstoff setzen?

Kjell Walöen: Nein, wir bauen nur batterieelektrische Fahrzeuge. Wir sehen nicht wirklich die Notwendigkeit, auf Wasserstoff umzusteigen. Es ist allgemein bekannt, dass Wasserstoff in Bezug auf Strom weniger effizient ist. Die derzeit wahrscheinlich knappste Ressource ist grüner Strom ist. Wir wollen also die maximale Laufleistung aus jedem Kilowatt herausholen. Dies geschieht durch direktes Laden der Batterien. Hauptsächlich kehren die Trucks, die wir bereitstellen werden, täglich wieder zur Basis zurück. Die Trucks werden mit einer Ladung ausreichend Reichweite haben, um den ganzen Arbeitstag abzudecken. Die meisten dieser Trucks stehen über Nacht, also kann die Hauptladung währenddessen erfolgen. Dies kann sich in Zukunft ändern, falls 24/7 gefahren wird. Dann ist das Schnellladen, während der Lkw mit Waren Beladen wird, der nächste Schritt.

Traktuell: Wie soll der Service erfolgen? Gibt es mobile Teams oder planen Sie lokale Partner aufzubauen?

Kjell Walöen: Wir planen den Aufbau eigener Service Center. Und ja, wir werden diese fliegenden Service-Teams haben. Wenn es also ein Problem gibt, springen sie ins Auto und versuchen es vor Ort zu beheben. Wir geben auf unsere Fahrzeuge eine Uptime-Garantie. Sollte sich eine Havarie nicht beheben lassen, dann fahren wir mit einem Ersatzfahrzeug vor, damit unser Kunde weiterfahren kann. Wir konzentrieren uns vom ersten Tag an absolut darauf, die Kunden zufrieden zu stellen, sowohl in Bezug auf die Verfügbarkeit als auch auf die Reaktionsfähigkeit auf Probleme. Deshalb bauen wir solide und gut ausgebildete Service-Hubs auf, die für alle Kunden erreichbar sind.

Traktuell: Einen von Grund auf neuen Lkw aus dem nichts heraus auf den Markt zu bringen, ist natürlich sehr kostspielig. Wie finanzieren Sie das alles und wer sind die Aktionäre von Volta Trucks?

Kjell Walöen: Wir werden durch Private Equity finanziert. Unser Hauptaktionär ist derzeit Luxor Capital in den USA. Es ist natürlich ein kapitalintensives Geschäft. Wir haben jedoch einen intelligenten Weg gefunden, dies sowohl schnell als auch kostengünstig zu machen. So entlasten wir zum Beispiel mit dem Lohnfertigungsprinzip einen Teil des Investitionsdrucks. Im Vergleich zur Autoindustrie, aus der ich komme, fallen deutlich geringere Kosten an. Aber dennoch, ja, es braucht viel Kapital. Derzeit besteht jedoch großes Interesse von Investoren in diesem Bereich. Die Leute verstehen, dass es in Zukunft eine Explosion der Aktivität und riesige Märkte und Gewinne gibt. Der Zugang zu Kapital ist also relativ einfach.

Traktuell: Gibt es in Ihrer Beteiligungsstruktur auch klassische Pkw- oder Lkw-Hersteller, wie zum Beispiel Volkswagen?

Kjell Walöen: Nein, wir haben keine Finanzmittel von OEMs, dafür jedoch von Kunden und Zulieferern. Auch wichtige Stakeholder des Unternehmens haben investiert, weil sie dies als Zukunft sehen und daran teilhaben möchten.

Traktuell: Vielen Dank für das Interview.

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Kjell Walöen ist Mitgründer und Chief Technology Officer von Volta Trucks. Er kam von Polestar zu Volta Trucks, wo er für die Produktion und den Einkauf der damals neu geschaffenen Marke Polestar verantwortlich war – Volvos neuer Elektro-Performance-Marke. Zuvor arbeitete er für Volvo Cars und leitete viele Jahre das Manufacturing Business Office, darunter drei Jahre in China, um die frühen Phasen des Baus von drei Werken in drei Jahren zu unterstützen. Davor war er für Ford tätig, wo er zunächst am Manufacturing Leadership Program in der Ford-Zentrale beteiligt war und verschiedene Aufgaben in ganz Europa innehatte, darunter Launch Manager, Assembly Plant Manager und Strategy Manager.