ENERGIETRÄGER : Wenn der Kraftstoff aus der Klimaanlage kommt

energi smart new generation farm container grid equipment park supply system 3d rendering industrial cell shipping unit windmill sustainable storage renewal concept generator electric photovoltaic sun panel alternative technology solar sky industry renewable environment wind turbine fuel cell facility h2 hydrogen white blue design business station clean structure gas electricity energy power renewable energy storage fuel cell h2 hydrogen gas power energi smart new generation farm container grid equipment park supply system 3d rendering industrial cell shipping unit windmill sustainable renewal concept generator electric photovoltaic sun panel alternative technology solar sky industry environment wind turbine facility white blue design business station clean structure electricity
© malp - stock.adobe.com

Um katastrophale Auswirkungen des globalen Klimawandels zu verhindern, müssen die vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen in den kommenden drei Jahrzehnten auf „null“ gesenkt werden. Dass dieser Kraftakt unausweichlich ist, geht aus dem aktuellen Sonderbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) deutlich hervor. Doch das Verfehlen der gesetzten Klimaziele wird bereits Milliarden kosten.

Die Regierung rechnet damit, dass Österreich allein bis 2030 ohne zusätzliche Maßnahmen Emissionszertifikate in der Höhe von bis zu 6,6 Milliarden Euro zukaufen muss. Hinzu kommt, dass die gesamte Weltgemeinschaft durch die Transformation zu „Zero-Emission“ vor eine gewaltige Herausforderung gestellt wird, die abhängig von unzähligen individuellen Faktoren mit unterschiedlicher Geschwindigkeit vonstatten geht. Ganze Sektoren wie die Stromerzeugung, die Mobilität oder die Gebäudebewirtschaftung müssen schließlich umgestaltet werden, es dürfen keine Kosten und Mühen gescheut werden. Der Feind ist die Zeit.

Wasserstoff aus Ökostrom

Wasserstoff (H2) birgt das Potenzial, unsere Mobilität klimafreundlicher zu machen, wenn er bei der Herstellung auf Ökostrom zurückgreift. H2 könnte nicht nur den Anteil erneuerbarer Energien im Verkehrssektor erhöhen, sondern auch den Feinstaub- und Stickstoffoxidausstoß reduzieren. Fahrzeuge mit Brennstoffzellen können mit dem Gas kohlendioxidfrei unterwegs sein. Aktuell forscht das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) daran, wie Wasserstoff aus Ökostrom günstiger erzeugt werden kann, denn die Erzeugung des „grünen Gases“ ist aktuell noch viel zu teuer und wenig lukrativ.

Aus diesem Grund wurde durch das ZSW eine Forschungsplattform eingerichtet. Mit positiven ersten Ergebnissen: Bei einem Anfang 2019 in Testbetrieb gegangenen Forschungselektrolyseur - eine Anlage zur Stoffumwandlung mittels dem chemischen Vorgang der Elektrolyse - an einer Power-to-Gasanlage im süddeutschen Grenzach Wyhlen, erreichten die Wissenschaftler aufgrund neuer Elektrodenbeschichtungen 20 Prozent mehr Leistungsdichte als der industrielle Teil der Anlage. Erfreulich, denn für die gleiche Leistung sind weniger Rauminhalt und Material erforderlich.

Die Dauerhaltbarkeit der weiterentwickelten Elektrodenbeschichtung müssen die Forscher jedoch noch nachweisen. Da sich die Investitionskosten von Elektrolyseuren auch am Bauvolumen orientieren und sie mit rund 40 Prozent den größten Kostenanteil bei der Umwandlung des erneuerbaren Stroms ausmachen, schlagen sich Fortschritte auf diesem Gebiet automatisch auf den Wasserstoffpreis nieder. Für Hersteller von Elektrolyseanlagen ist die Entwicklung ein wichtiger Faktor zur weiteren Kostensenkung. Das wiederum könnte die Etablierung der Technologie beschleunigen.

Erzeugt wird Wasserstoff in Elektrolyseanlagen: Dort wird mit Hilfe von Strom Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Den Ökostrom für die Herstellung des Wasserstoffs liefert ein benachbartes Wasserkraftwerk. Ein großer Vorteil der Anlage ist, dass im Falle einer negativen Sekundärregelleistung kein Strom verloren geht, da das naheliegende Wasserkraftwerk nicht extra gedrosselt werden muss; der Betreiber lässt die Turbinen laufen und wandelt den erzeugten Strom durch die Power-to-Gas-Anlage einfach in Wasserstoff um, der später für Fahrzeugantriebe genutzt werden kann. Zudem ist die Abwärme nutzbar, denn die bei der Erzeugung des Wasserstoffs anfallende Wärme könnte zukünftig in ein Wärmenetz eingespeist werden und Wohngebiete in der Nähe versorgen.

Wenn CO2 zu Kraftstoff wird

Klingt zunächst banal, doch es gilt als einer der aussichtsreichsten Wege, um den CO2-Ausstoß von Verbrennungsmotoren zu verringern oder gar komplett auszugleichen. Es handelt sich hierbei um ein Verfahren, bei dem das CO2 als Bestandteil der Luft zu Treibstoff umgewandelt wird. Es wird dabei aus der Luft gefiltert und mit Wasserstoff kombiniert. Der daraus resultierende Kohlenwasserstoff wird zu synthetischem Treibstoff weiterverarbeitet. Am Ende soll es ein Nullsummenspiel sein, denn wird dieser im Fahrzeug verbrannt, dann wird genau dieselbe Menge CO2 in die Atmosphäre geblasen, die zuvor aus dieser entzogen wurde.

„Wenn wir den erneuerbaren Wind- und Solarstrom sowie Kohlenstoffdioxid direkt aus der Umgebungsluft nutzen, um Kraftstoffe herzustellen, dann können wir große Mengen an Treibhausemissionen vermeiden“, erklärt Professor Roland Dittmeyer vom Institut für Mikroverfahrenstechnik des KIT. Doch es gibt einen Haken an der Sache. Wegen der geringen CO2-Konzentration in der Umgebungsluft - der Anteil liegt heute bei 0,038 Prozent - müssen große Mengen Luft in großen Filteranlagen behandelt werden, um signifikante Mengen synthetischer Energieträger herzustellen.

Mit Gebäudebestand kombinieren

Ein Forscherteam rund um Dittmeyer und Professor Geoffrey Ozin von der University of Toronto in Kanada schlägt nun vor, die Herstellung synthetischer Energieträger zukünftig dezentral zu organisieren - und mit bestehenden Lüftungs- und Klimaanlagen in Gebäuden zu koppeln. Die notwendigen Technologien seien dafür im Wesentlichen vorhanden und durch die thermische und stoffliche Integration der einzelnen Prozessstufen ließe sich eine hohe Kohlenstoffausnutzung und eine hohe Energieeffizienz erreichen, so Dittmeyer: „Wir wollen die Synergien zwischen der Lüftungs- und Klimatechnik auf der einen und der Energie- und Wärmetechnik auf der anderen Seite nutzen, um Kosten und Energieverluste bei der Synthese zu senken.

Darüber hinaus könnten durch das sogenannte „Crowd Oil“ viele neue Akteure für die Energiewende mobilisiert werden, die sich sozusagen indirekt an der CO2-neutralen Kraftstoffherstellung beteiligen. „Wie gut das funktionieren kann, haben wir bei den privaten Photovoltaikanlagen gesehen“, betont Dittmeyer. Für die Umwandlung des CO2 würden allerdings große Mengen an elektrischem Strom zur Herstellung von Wasserstoff beziehungsweise Synthesegas benötigt - natürlich viel zu energieintensiv. Dieser Strom müsste zwangläufig CO2-frei sein, das heißt er darf nicht aus fossilen Quellen stammen. Ein forcierter Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung, unter anderem auch durch gebäudeintegrierte Photovoltaik, sei daher notwendig, so Dittmeyer.

In einer Veröffentlichung in der Fachzeitschrift Nature Communications zeigen die Wissenschaftler um Roland Dittmeyer vom KIT und Geoffrey Ozin von der Universität Toronto anhand quantitativer Betrachtungen am Beispiel von Bürogebäuden, Supermärkten und Energiesparhäusern das CO2-Einsparungspotenzial ihrer Vision von dezentralen, an Gebäudeinfrastruktur gekoppelten Umwandlungsanlagen. Die Schätzungen gehen sogar so weit, zu sagen, dass ein signifikanter Anteil der in Deutschland für Mobilität eingesetzten fossilen Energieträger durch „Crowd Oil“ ersetzt werden könnte.

Nach den Berechnungen des Teams würde zum Beispiel allein die Menge CO2, die potenziell in den Lüftungsanlagen der rund 25.000 Supermärkte der drei größten Lebensmittelhändler Deutschlands abgeschieden werden, ausreichen, um etwa 30 Prozent des Kerosinbedarfs oder rund acht Prozent des Dieselbedarfs in Deutschland zu decken. Zudem wäre eine Verwendung der erzeugten Energieträger in der chemischen Industrie als universelle Synthesebausteine möglich.

Das Team kann dabei auf Voruntersuchungen der einzelnen Prozessschritte und Prozesssimulationen, unter anderem aus dem Kopernikus-Projekt P2X des deutschen Bundesministeriums für Bildung und Forschung zurückgreifen. Auf dieser Grundlage rechnen die Wissenschaftler mit einer Energieeffizienz - das heißt hier, dem Anteil der aufgewendeten elektrischen Energie, der in chemische Energie umgewandelt werden kann - von etwa 50 bis 60 Prozent.

Darüber hinaus erwarten sie eine Kohlenstoffeffizienz - also den Anteil der aufgewendeten Kohlenstoffatome, die sich im produzierten Kraftstoff wiederfinden – von etwa 90 bis annähernd 100 Prozent. Um diese Simulationsergebnisse bestätigen zu können, bauen die Forscher des IMVT zusammen mit Projektpartnern derzeit am KIT den voll integrierten Prozess auf, mit einem geplanten CO2-Umsatz von 1,25 Kilogramm pro Stunde.

Crowd Oil reicht alleine nicht

Gleichzeitig arbeiten die Wissenschaftler aber auch heraus, dass das vorgeschlagene Konzept - selbst bei flächendeckender Einführung - nicht in der Lage wäre, den heutigen Bedarf an Rohölprodukten vollständig zu decken. Das Reduzieren des Bedarfs an flüssigen Kraftstoffen bleibe eine Notwendigkeit, beispielweise durch die Elektromobilität und neue Mobilitätskonzepte, die den Bestand an Fahrzeugen reduzieren, wie Car- oder Ridesharing.

Obwohl die Bausteine der vorgeschlagenen Technologie wie die Anlagen zur CO2-Abtrennung und zur Synthese von Energieträgern teilweise schon heute kommerziell erhältlich sind, betonen die Forscher, dass es außerdem noch großer Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen sowie einer Anpassung der rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen bedarf, um diese Vision in die Praxis umzusetzen.

Folgen Sie unserem Magazin auf: @traktuell

Folgen Sie dem Autor auf: @lukasklamert