Straßengüterverkehr : Warum der Lang-Lkw nicht böse ist
Ende Jänner ging es bei einem Branchentreff der Transporteure auch um das Thema „Gigaliner“. Mit der letzten Regierung scheint das Thema in der Schublade verschwunden zu sein, doch die Sparte Transport und Verkehr in der Wirtschaftskammer hält weiterhin eisern daran fest, in der Hoffnung vielleicht doch noch eine Lockerung des Gesetzgebers zu erwirken.
Von den Anfängen bis heute
Zum Thema Gigaliner oder Lang-Lkw wurde mit Rüdiger Elflein ein Experte aus der Praxis zum Branchentreff eingeladen, der über seine persönlichen Erfahrungen und Potenziale überlanger Lkw sprach. Elflein ist Firmenchef des gleichnamigen Transportunternehmens mit Sitz im bayrischen Bamberg. Erste frühe Tests mit Lang-Lkw wurden bereits 2005 durchgeführt. Damals noch mehr schlecht als recht, wie Elflein gesteht. Es handelte sich zur damaligen Zeit um einzelne Ausnahmegenehmigungen und Tests.
Doch schon 2014 gab es bereits 19 Lang-Lkw im Fuhrpark. Das Transportunternehmen aus Bamberg ist eigenen Angaben zufolge aktuell der größte Betreiber von Lang-Lkw in Deutschland. In Deutschland sind etwa 200 Lang-Lkw im Einsatz, schätzt Elflein. Sein Unternehmen besitzt 30 davon. Vieles hat sich seit den Anfangstagen geändert. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hat vom 01. Jänner bis zum 31. Dezember 2016 einen Feldversuch mit Lang-Lkw durchgeführt.
Der Feldversuch beleuchtete vorrangig die folgenden sechs Kriterien: Bremsweg, Ladevolumen, Sicherheit, Verkehrsverlagerung, Kraftstoffverbrauch und Straßenabnutzung. Seit 1. Jänner 2017 dürfen Lang-Lkw in Deutschland auf einem Netz von insgesamt 11.600 Kilometern unterwegs sein.
Auf die Details kommt es an
Vom Ausdruck „Gigaliner“, wie er in der Diskussion oft fällt, rät Rüdiger Elflein ab: „Leute, lasst diesen Quatsch, es gibt einen ‚Lang-Lkw‘“, sagte er während seines Vortrages. Der Ausdruck Gigaliner würde vielmehr ein schlechtes Bild in der öffentlichen Debatte erzeugen. „Es werden hier in Deutschland auch keine 60 Tonnen bewegt, sondern maximal 40 Tonnen.“ Bis zu 1.500 Transporte werden nach Angaben Rüdiger Elfleins täglich mit der Lang-Lkw-Flotte durchgeführt. Das Transportunternehmen beliefert zum Beispiel die Automobilindustrie mit Komponenten von Magna. Angefahren werden BMW, Daimler oder Porsche.
Seit Oktober 2019 werden insgesamt 13 Transporte pro Arbeitstag zwischen dem Magna-Kundenstandort Obertshausen und dem zu beliefernden Werk in Regensburg von Elflein durchgeführt. Elflein transportiert auch vom BMW-Motorenwerk Steyr nach München, muss auf dieser Route aber auf den Einsatz von Lang-Lkw verzichten, weil die österreichische Gesetzgebung den Einsatz solcher Fahrzeuge verbietet. Hier wäre ein Lang-Lkw aber optimal einsetzbar, befindet Elflein.
Doch was nicht ist, kann ja noch werden. Bis zum Jahr 2015 bestanden noch große Hürden für das Transportunternehmen in Deutschland. Ein Beispiel ist das Bundesland Baden-Württemberg. Früher musste vor der Bundeslandgrenze noch gehalten werden und der zusätzliche Anhänger abgekoppelt werden, damit ein anderer Lkw ihn anhängen kann, erinnert sich Elflein.
„Es war fast so, als gäbe eine Grenze im eigenen Land.“ Nach einem langen Ringen mit der Politik öffnete sich Baden-Württemberg dann aber doch für den Lang-Lkw. Immerhin ist das Bundesland auch Sitz des deutschen Autobauers. Ein wichtiger Kunde, den Elflein mithilfe der Lang-Lkw regelmäßig beliefert.
Aus drei mach zwei Fahrten
Gemeinsam mit einem Autobauer wurde von Elflein ein Projekt durchgeführt, bei dem Lang-Lkw und konventionelle Sattelzüge eingesetzt wurden. Folgende Ergebnisse kann Rüdiger Elflein nun vorlegen. Durch Lang-Lkw konnten aufs Jahr gesehen fast 20.00 Kilometer und fast 3.780 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden. "Gerade im Stückgutverkehr lässt sich der Lang-Lkw effizient einsetzen. Klar, ein wenig Optimierung braucht es immer, aber die Einsparung von 20 bis 25 Prozent CO2 wirkt sofort“, ist Elflein überzeugt.
Die Angst, dass Lang-Lkw beim Verlader oder Kunden nicht auf den Hof passen, entkräftete Elflein: Durch die Dolly-Achse am Anhänger wird die Wendigkeit erhöht. „Ob beim Fahren aufs Gelände ab und an der Bordstein erwischt wird, hängt natürlich davon ab, wie geübt der Fahrer mit seinem überlangen Gespann ist“, sagte Elflein.
Der Firmenchef glaubt daran, dass die Straßen durch den Einsatz von Lang-Lkw vielleicht sogar geschont werden könnten. Sein Vergleich: Bei einem Lang-Lkw gibt es acht Achsen, wodurch sich eine Straßenbelastung pro Achse von fünf Tonnen ergibt. Elflein rechnet mit einer Reduktion der Straßenbelastung von -37,5 Prozent gegenüber konventionellen Lkw. Ein weiteres Argument für den Lang-Lkw ist sein reduzierter Bremsweg, der circa zehn Prozent kürzer ist wie bei herkömmlichen Sattelzügen.
Mit Gerüchten aufräumen
Elflein wollte während seines Vortrags gleich mit ein paar Gerüchten aufräumen: Zum Beispiel, dass der Lang-Lkw ein Flop ist. „Klar, es ist nicht so, dass wir in Deutschland mit 200 Fahrzeugen erfolgreich wären, es scheitert aber an den Regularien der Gesetzgebung, die diese Entwicklung abbremsen.“
Zugleich brach er eine Lanze für die deutschen Behörden. „Mit einer konstruktiven Art kommt man auch zu Erfolg. Und das haben wir hier auch erreicht.“ Aktueller Stand in Deutschland ist: Aufgrund der Rahmenbedingungen muss mit mindestens sechs Monaten Umsetzung für jedes Fahrzeug gerechnet werden.
Mit einem besonderen Gerücht möchte Rüdiger Elflein aufräumen: Die Bevölkerung sieht ihn den Lang-Lkw eine Bedrohung. Fakt ist: Viele Besucher erkennen den Unterschied zwischen Lang-Lkw und Standard-Fahrzeug gar nicht, ist Elflein fest überzeugt. Jedenfalls konnten seiner Erfahrung nach bislang keine Störungen oder Probleme mit dem Lang-Lkw gemacht werden. Eine Konkurrenz für die Bahn sieht Rüdiger Elflein auch nicht – aber eine sinnvolle Ergänzung: „Es geht hier nicht um Volumenverlagerungen von der Bahn zum Lkw.“
Kleinteilige Waren in hoher Stückzahl
Fazit: Es besteht heutzutage weniger ein Gewichts- als ein Volumen-Problem im Transportsektor. Eben diesem Problem kann der Lang-Lkw Abhilfe leisten. Lang-Lkw eignen sich für ein höheres Ladevolumen bei zugleich niedrigerem Warengewicht. Damit eigenen sich solche Lkw vor allem für den Transport von leichten Gütern in hoher Stückzahl - zum Beispiel Kotlügel für die Automobilindustrie.
Normale Sattelzüge eignen sich stattdessen besser für höhere Gewichte bei niedrigerem Ladevolumen. Jedoch muss die reduzierte Nutzlast bei Lang-Lkw - circa 17 bis 20 Tonnen anstelle der rund 25 Tonnen - berücksichtigt werden, da sonst das zulässige Gesamtgewicht (40 Tonnen) durch das schwerere Fahrzeug überschritten werden würde.
Transporteure kompromissbereit
Sie gänzlich abzuschreiben, wie in Österreich der Fall, halten auch die Transporteure für einen falschen Schritt, die "neue Zugänge" wie die Zulassung von Lang-Lkw fordern. So forderte Günther Reder, Fachverbandsobmann der Transporteure bei einem Branchentreffen in der Wirtschaftskammer Ende Jänner, dass sich am derzeitigen Gesamtgewicht nichts ändert, aber zumindest die Zuglänge der Fahrzeuge zulegen darf.
Momentan dürfen Lastzüge bis zu 18,75 Meter lang sein und ein Gesamtzuggewicht von höchstens 40 Tonnen aufweisen (mit Ausnahmen, z.B. für den Holztransport). Während somit in einen Sattelzug 34 Paletten passen, kann ein Giga-Lkw in Deutschland auf ausgewählten Strecken bis zu 53 Paletten tragen.
Alexander Klacska, Obmann der Bundessparte Transport und Verkehr, verwies auf die Kapazitätsgrenzen der Bahn. Auch hier könnten Lang-Lkw aushelfen. Rüdiger Elflein geht jedenfalls davon aus, dass sich rund 20 Prozent der Fracht am Markt für Lang-Lkw bestens eignen. Andererseits können Fahrten eingespart werden, vor dem Hintergrund eines unaufhaltsamen Verkehrswachstums ebenfalls ein schlagendes Argument.