Wirtschaft : MAN-Werk Steyr wird Fall für die Staatliche Wirtschaftskommission

Die Ausrichtung des Werkes in Steyr bleibt bis auf die Fahrerhausrohbauten im Wesentlichen bestehen
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Das Werk Steyr nimmt im Produktionsverbund von MAN eine besondere Stellung als solitärer Fertigungsstandort für alle Lkw der leichten und mittleren Baureihe ein. Laut einer bestehenden Vereinbarung zwischen dem MAN-Management und dem Betriebsrat müssten in Oberösterreich noch mindestens bis 2030 Lkw vom Band laufen. Trotzdem will das Management den Standort bis Ende 2023 schließen. Unmittelbar betroffen davon wären 2.300 Arbeitsplätze im Werk selbst. Darüber hinaus hätte die Schließung gravierende Auswirkungen auf die gesamte Region.

Die einseitige Aufkündigung des Standortsicherungsvertrags zwischen Management und Betriebsrat für das Werk Steyr rechtfertigt MAN mit einer sogenannten „Schlechtwetterklausel“. Sofern es die wirtschaftliche Lage unbedingt erforderlich macht, könnte dadurch angeblich eine vorzeitige Schließung des Werks rechtmäßig erfolgen. Genau diese Situation will der MAN-Betriebsrat allerding nicht anerkennen und führt ins Treffen, dass die mangelnde Wirtschaftlichkeit des Standorts Steyr bislang bei keiner Aufsichtsratssitzung Thema gewesen sei. Deshalb wurde seitens des Betriebsrats nun die Staatliche Wirtschaftskommission beim österreichischen Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort angerufen und Einspruch gegen die vorzeitige Aufkündigung der Standortsicherungsverträge erhoben. Darüber hinaus wird die beabsichtigte Schließung von MAN in Steyr am 12. Jänner 2021 auch Thema einer Gerichtsverhandlung in München sein.

Was ist die staatliche Wirtschaftskommission?

Die Staatliche Wirtschaftskommission besteht aus der österreichischen Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort oder einem von ihr bestellten Vertreter als Vorsitzenden, sowie Vertretern der Sozialpartnerschaft, also Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer und Gewerkschaft. Unter anderem ist auch der ehemalige Bundesminister für Arbeit und Soziales, Alois Stöger, in der Kommission. Bei Bedarf können auch Vertreter weiterer Ministerien und des betroffenen Bundeslandes Oberösterreich beratend hinzugezogen werden. Zudem können auf Betreiben des Betriebsinhabers oder des Betriebsrats auch weitere Auskunftspersonen oder Sachverständige beigezogen werden. Die entsprechende Rechtsgrundlage findet sich im Rechtsinformationssystem des Bundes, RIS.

Die Kommission hat Schlichtungscharakter und dient primär der Streitbeilegung, die Mitglieder sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Sollte keine Einigung erzielt werden, so ist der Betriebsinhaber zur Übermittlung aller zur Behandlung des Einspruchs notwendigen Unterlagen verpflichtet. Die Kommission stellt schließlich in einem Gutachten fest, ob der Einspruch gerechtfertigt ist. Welche konkreten juristischen Konsequenzen ein erfolgreicher Einspruch hat, geht aus der entsprechenden Verordnung nicht hervor.

Die Staatliche Wirtschaftskommission konstituiert sich äußerst selten und nur in Fällen, die eine entsprechende, volkswirtschaftlicher Relevanz haben. MAN in Steyr ist einer der größten Industriebetriebe des Landes und der einzige Hersteller von Lastkraftwagen auf dem Bundesgebiet der Republik Österreich. Das Unternehmen hat damit zweifelsohne eine große volkswirtschaftliche Bedeutung. Manche Experten sehen in der Selbstversorgungsfähigkeit des Landes mit schweren Nutzfahrzeugen und Ersatzteilen auch sicherheitspolitische Aspekte berührt, die durch die Werksschließung mittelfristig bedroht sein könnten.

Die Staatliche Wirtschaftskommission bietet eine breite Diskussionsplattform unter Einbeziehung unterschiedlichster Stakeholder aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Zuletzt konstituierte sich das Gremium im Jahr 2002 im Zuge des Kampfes der Belegschaft der Semperit Reifen GmbH in Traiskirchen gegen die Werksschließungspläne ihres deutschen Eigentümers Continental AG.

MAN gehört, ebenso wie Scania, zum Traton-Konzern. Dieser ist wiederum eine Tochter des mächtigen Volkswagenkonzerns, einer der größten Autobauer der Welt. MAN und Scania durften bis vor wenigen Jahren weitgehend unbehelligt und selbstständig wirtschaften. Mit der Bündelung seiner Aktivitäten im Bereich schwerer Nutzfahrzeuge unter dem Dach von Traton hat der Volkswagenkonzern die Zügel nun aber fester in die Hand genommen. Ziel des VW-Managements ist es, auch den Lkw-Bereich profitabler zu machen und mit Traton als global Player im hart umkämpften Nutzfahrzeuggeschäft mitzumischen. Unter dieser Zielvorgabe hat der Konzern den gesamten Produktionsverbund hinsichtlich des wirtschaftlichen Optimierungspotenzials auf den Prüfstand gestellt. Neben dem Werk Steyr droht auch dem Werk Plauen in Deutschland das Aus. Die Produktion soll nach Polen und in die Türkei verlagert werden.