Wirtschaft : Steyr Automotive setzt Kooperation mit der russischen GAZ-Gruppe aus
Im ehemaligen MAN-Werk von Steyr Automotive wollte man eigentlich noch im Frühling mit der Produktion von leichten Nutzfahrzeugen der Marke „Steyr“ beginnen. Der Vertrieb dieser Transporter mit elektrischem Antriebsstrang hätte über Raiffeisen-Lagerhaus erfolgen sollen. In der Entwicklung und Fertigung hätte man auf bereits vorhandene Produkte und Bauteile aus dem russischen GAZ-Konzern zurückgegriffen. Daraus wird nun aber nichts, denn der Ukraine-Krieg und die Sanktionen gegen Russland lassen das auf absehbare Zeit nicht zu: „So lange gemeinsame europäische Maßnahmen einen Warenaustausch mit Russland sanktionieren, wird die Kooperation mit GAZ nicht wie geplant fortgesetzt“, heißt es in einer Aussendung.
Grundsätzlich ändere sich aber nichts am Geschäftsmodell von Steyr Automotive. Dieses besteht einerseits aus Auftragsfertigung (Contract Manufacturing) und andererseits aus der Entwicklung und Produktion von Nutzfahrzeugen und Bussen der neuen Marke Steyr, die man jedenfalls nicht aufgeben will: „Die von Steyr Automotive bei der Übernahme des Werks von MAN angekündigte und seither in der Planung befindliche Produktpalette für Busse und leichte Nutzfahrzeuge der Marke ‚Steyr‘ bleibt bestehen“, so das Unternehmen.
Auftragsfertigung für MAN und Volta Trucks
Bis Mitte 2023 laufen in Steyr noch Lkw der leichten und mittleren Baureihe von MAN in Lohnfertigung vom Band. Die Auftragslage diesbezüglich ist zwar gut, aber es fehlen momentan vor allem Kabelbäume aus der Ukraine, weshalb die Produktion dieser Fahrzeuge für vorerst zwei Wochen komplett eingestellt wurde. Von den ausbleibenden Kabelbäumen sei aber nicht nur Steyr, sondern der gesamte MAN-Produktionsverbund betroffen. „Die weitere Fahrweise ab Kalenderwoche 13 richtet sich nach den werksübergreifenden Planungen und dem Sourcing von MAN. Dazu können wir derzeit keine nähere Aussage treffen“, heißt es dazu aus Steyr. Aktuell liegt für das Werk eine Kurzarbeitsbewilligung bis Ende Juni vor. Sie gilt für alle Mitarbeiter, ausgenommen sind Lehrlinge und Mitarbeiter mit zeitkritischen Arbeiten. Derzeit sind rund 2.100 Mitarbeiter am Standort beschäftigt (inkl. rund 150 Lehrlinge und etwa 250 Leasing-Mitarbeiter).
Einziger Lichtblick für Steyr Automotive ist im Moment die Fertigungsvereinbarung mit dem schwedischen Start-up Volta Trucks. Das Unternehmen hat mit dem „Volta Zero“ einen innovativen Elektro-Lkw für den Stadtverkehr entwickelt, der im Werk Steyr gebaut werden soll. Derzeit laufen bereits die Vorbereitungen für den Hochlauf der Produktion am Standort in Oberösterreich. „Die Entwicklung und Produktion der Fahrzeuge der schwedischen Elektro-Lkw ‚Volta Trucks‘ läuft plangemäß und ist weder von den Sanktionen gegen Russland noch von den Lieferschwierigkeiten aus der Ukraine betroffen“, betont man bei Steyr Automotive.
Näheres über den Volta Zero und die Pläne des Unternehmens lesen Sie in unserem Exklusiv-Interview mit Kjell Walöen von Volta Trucks.
Hintergrund zur aktuellen Situation
Im Juli 2021 war das MAN-Werk Steyr an den Investor Siegfried Wolf verkauft worden, das Unternehmen firmiert seither als „Steyr Automotive“. Gemäß einer Übergangsvereinbarung werden weiterhin Fahrzeuge der leichten und mittleren Lkw-Baureihe für MAN gefertigt. Parallel dazu hat Steyr Automotive mit Volta Trucks einen wichtigen Kunden für das künftige Geschäft als Lohnfertiger gewonnen. Zudem hatte Siegfried Wolf, der ehemals bei Magna und GAZ beschäftigt war, versprochen, die ehemalige Traditionsmarke „Steyr“ wieder aufleben zu lassen. Die geplante Kooperation mit der russischen GAZ, an der Wolf selbst Anteile von zehn Prozent hält, war allerdings schon im Vorfeld der Übernahme als mögliches Risiko gesehen worden, unter anderem vom damaligen Betriebsrat des Werks. Die GAZ-Gruppe ist einer der größten Nutzfahrzeughersteller Russlands und gehört mehrheitlich dem Oligarchen Oleg Deripaska, dessen Name sich aufgrund von seiner Nähe zum russischen Präsidenten Vladimir Putin bereits seit Jahren auf US-Sanktionslisten befindet. Bei den jüngsten Sanktionen der EU gegen russische Oligarchen scheint der Name Deripaska dafür überraschenderweise nicht auf. Seitens der Politik dementierte man allerdings, dass sein Name auf Betreiben Österreichs von den Sanktionslisten ausgespart worden sei.
Deripaska hält unter anderem auch Anteile am größten österreichischen Baukonzern Strabag.