Wirtschaft & Management : Radikaler Umbau im Vorstand von Traton und MAN

Erst Anfang Oktober übernahm Christian Levin, „President“ der schwedischen VW-Tochter Scania, als neuer CEO die Führung im Traton-Konzern. Dabei bleibt der 54jährige auch weiterhin Chef von Scania in Personalunion. Der ehemalige Traton-CEO Matthias Gründler und Finanzvorstand Christian Schulz verließen das Unternehmen vor Vertragsende. Neuer CFO wurde Annette Danielski.

Doch damit nicht genug, folgt Ende November schon der nächste Paukenschlag im Vorstand von Traton. So wird neuerlich der Vorstandsvorsitzende von MAN ausgewechselt. Alexander Vlaskamp, bislang Vice-President und Vertriebsvorstand von Scania, wird der neue Boss von MAN. Er ersetzt den bereits angezählten Andreas Tostmann, über dessen bevorstehende Ablöse bereits seit einiger Zeit spekuliert wird. Tostmann hielt sich nur etwas länger als ein Jahr an der Spitze des Münchener Nutzfahrzeugherstellers. Auch Einkaufs-Vorstand Holger Mandel scheidet aus dem Unternehmen aus. Arne Puls wird neuer Arbeitsdirektor bei MAN.

Erst im Juli 2020 hatte Matthias Gründler den Manager Andreas Renschler an der Spitze von Traton abgelöst. Dabei war es Renschler gewesen, der die Grundsteine für die neue Struktur der Nutzfahrzeugsparte des Volkswagenkonzerns gelegt hatte. Unter der Federführung des ehemaligen Daimler-Managers bündelte der VW-Konzern die Marken Scania und MAN unter dem Dach der Traton SE. Im Juni 2019 ging selbige an die Börse. In der Traton Group sind neben MAN und Scania auch die Marken RIO, Volkswagen Caminhões e Ônibus (Brasilien) und der kürzlich übernommene, US-amerikanische Lkw-Hersteller Navistar zusammengefasst. Die Mehrheit an Traton hält die Volkswagen AG, nur rund 10 Prozent der Aktien befinden sich im Streubesitz.

Gleichzeitig mit der Bestellung von Matthias Gründler zum Traton-CEO, wurde Andreas Tostmann im Juli 2020 zum MAN-Chef bestellt. Die Aufgabe des Managers war von Anfang an klar: Er sollte die Profitabilität des Münchener Nutzfahrzeugherstellers, die weit hinter der von Scania liegt, steigern. Ein hartes Sanierungsprogramm wurde generalsstabsmäßig bei MAN ausgerollt, tausende Arbeitsplätze sollen abgebaut werden. Einzelne Produktionsstandorte, allen voran das Werk Steyr in Oberösterreich, wurden abgestoßen. Zoff mit Arbeitnehmern, Gewerkschaften und dem Betriebsrat waren da natürlich vorprogrammiert. Ein Beliebtheitswettbewerb ist als Manager mit einem derartig harten Sparkurs ohnehin nicht zu gewinnen. Damit nicht genug, berichtete das Magazin Business Insider im August auch noch über mögliche Compliance-Verstöße von Tostmann während seiner Zeit bei VW. So soll der Manager Firmenjets über Gebühr für private Flüge genutzt haben. (Quelle: https://www.businessinsider.de/wirtschaft/privatfluege-mit-dem-firmenjet-man-chef-tostmann-zahlte-wegen-compliance-verstoessen-sechsstelliges-bussgeld-an-volkswagen-a/). Der aktuelle Vorstandswechsel habe mit den kolportierten Compliance-Verstößen gegen Tostmann allerdings nichts zu tun, heißt es seitens MAN. Tostmann stehe mit der Compliance-Abteilung in Verbindung und sei selbst an der Aufklärung der Vorwürfe interessiert, heißt es aus dazu aus München.

In der jüngeren Vergangenheit gab es darüber hinaus noch eine Reihe von kuriosen Personalentwicklungen im Bereich Human Resources. Darunter fällt beispielsweise die Bestellung des mächtigen Chefs des VW-Betriebsrats, Bernd Osterloh, zum Personalvorstand von Traton. Das deutsche Handelsblatt berichtete von einem Dreijahresvertrag mit jährlichen Bezügen von zwei Millionen Euro. Beachtlich ist auch, dass Osterloh im September 65 Jahre alt wurde und VW-Vorstände mit diesem Alter üblicherweise aus dem Vorstand ausscheiden. (Quelle: https://www.handelsblatt.com/meinung/kommentare/kommentar-basar-in-wolfsburg-mit-dem-traton-posten-fuer-bernd-osterloh-hat-vw-eine-grosse-chance-vertan/27127044.html) Der fliegende Wechsel Osterlohs vom Personalvertreter an die Spitze der Traton-Unternehmensführung galt jedenfalls als beispielhaft für die informellen Strukturen im Volkswagenimperium. Als im Herbst Martin Rabe, Personalvorstand und Arbeitsdirektor bei MAN, in Elternzeit wechselte, übernahm Traton-Vorstand Osterloh interimistisch auch diese Position bei MAN. Auf ihn folgt nun mit Jänner 2022 Arne Puls. Dieser wird neuer Arbeitsdirektor und MAN-Personalvorstand.

Ende August verließ der MAN-Gesamtbetriebsrat Saki Athanasios Stimoniaris überraschend das Unternehmen aus „persönlichen Gründen“, wie MAN verlautbarte. Es folgten Berichte über mögliche Compliance-Verstöße im Magazin Business Insider (Quelle: https://www.businessinsider.de/wirtschaft/man-betriebsratsaffaere-weitet-sich-aus-nach-compliance-ermittlungen-stellte-die-vw-tochter-eine-fuehrende-personalmanagerin-frei-und-versiegelte-ihre-buerotuer-e/).

Stimoniaris äußerte sich dazu nicht. Über die tatsächlichen Ursachen für das überraschende Ausscheiden des langjährigen Arbeitnehmervertreters kann folglich nur spekuliert werden. Es dürfte jedenfalls reichlich Konfliktlinien zwischen Management und Betriebsrat aufgrund des Sanierungsprogramms gegeben haben. So war Stimoniaris als MAN-Gesamtbetriebsrat sogar mit einer Klage gegen das Management am Arbeitsgericht München in Erscheinung getreten. Es ging dabei um die vom Konzern einseitig aufgekündigten Standort- und Beschäftigungsgarantien für die Mitarbeiter – unter anderem im Werk Steyr. Hätte MAN diesen Prozess verloren, so wäre damit der Weg für mögliche Kündigungsentschädigungen und Entgeltfortzahlungen für gekündigte Mitarbeiter bis Ende 2030 bereitet gewesen. Man darf also annehmen, dass bei diesem Prozess mehrere hundert Millionen Euro auf dem Spiel standen. Doch zu einem Urteil wird es nicht mehr kommen, denn das Verfahren 40 BV 317/20 am Arbeitsgericht München, Gesamtbetriebsrat der MAN gegen dessen Arbeitgeber, wurde durch übereinstimmende Erledigterklärung mit Beschluss vom 20.07.2021 eingestellt.