Wirtschaft : Ferdinand Dudenhöffer: „Das Automobil hat eine große Zukunft vor sich“
Die Automobilindustrie steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Treiber dieser Entwicklung ist der Klimaschutz: Das EU-Parlament stimmte am 8. Juni 2022 für ein Verbot von Neuzulassungen für Pkw mit Verbrennungsmotor ab 2035. Der Antriebsstrang ist also dabei, sich grundlegend zu verändern. Hier glaubt Dudenhöffer, dass sich der batterieelektrische Antrieb durchsetzen wird. Der Wasserstoffbrennstoffzelle gibt der Experte hingegen keine Chance, jedenfalls nicht im Pkw. Mit nur 22 % Energieeffizienz von der Quelle bis zum Rad habe die Technologie gegen reine Elektroautos keine Chance. Wasserstoff mache bestenfalls im schweren Fernverkehr Sinn, nicht aber im individuellen Personenverkehr. Auch synthetische Kraftstoffe, sogenannte eFuels, werden sich - unabhängig vom Verbrennerverbot - wegen der extrem schlechten Energieeffizienz von nur 13 Prozent weder bei Pkw noch bei Lkw durchsetzen. Das sei höchstens etwas für den Betrieb von Oldtimern, weswegen sich auch Porsche hier engagiert. Ebenfalls keine Zukunft sieht der Experte für den Plug-in-Hybrid-Antrieb: Diese Technologie stehe vor dem Aus, sobald die entsprechenden Förderungen auslaufen.
Der Batterieantrieb habe hingegen mit 73 % Energieeffizienz die besten Chancen, um zum künftigen Antriebsstandard zu werden, ist der Experte überzeugt. Mit der Entwicklung der Feststoffbatterie seien Reichweiten von 1.000 Kilometern möglich, auch das Schnellladen wäre leichter realisierbar. Außerdem sieht der Experte große Chancen in der Entwicklung von Akku-Wechselsystemen. Dabei wird der leere Akku in Minutenschnelle an einer Wechselstation gegen einen vollen ausgetauscht. Das erfordert allerdings eine Normierung des Akkus und der entsprechenden Anschlüsse – etwas, wozu sich die Autohersteller bislang noch nicht durchringen konnten. Auch politische Vorgaben zu einem Standard für Akkuwechselsysteme sind derzeit in Europa nicht in Sicht – anders als in China, wo der Staat stark in diese Entwicklungen eingebunden ist und entsprechende Regularien vorschreibt.
Potenzial liegt in Märkten außerhalb Europas
Das Auto werde es auch in 200 Jahren noch geben, schlicht und einfach, weil es so praktisch ist. Endzeitstimmung für die Autobranche sieht der Experte also keineswegs, im Gegenteil: „Das Automobil hat eine große Zukunft vor sich, möglicherweise größer als die Vergangenheit“, so Dudenhöffer. Wachstumspotenzial ortet der Professor vor allem in den Entwicklungs- und Schwellenländern. Denn während im reichen Westen Europas bereits 545 Fahrzeuge auf 1.000 Einwohner kommen (USA+Canada: 812), sind es in China gerade einmal 102, in Indien 23. Beide Länder zusammen haben eine Bevölkerung von über 2,6 Milliarden Menschen. Dort liegt also das größte Wachstumspotenzial für die Automobilindustrie. Schon heute ist China mit 20 Millionen verkauften Autos pro Jahr und einem Anteil von 30 Prozent am weltweiten Absatz der größte Markt für Neufahrzeuge. Auch der afrikanische Kontinent hat in Sachen Motorisierung noch Aufholbedarf, hier gibt es durchschnittlich 31 Autos je 1.000 Einwohner.
Und was getan werden müsse, damit die Menschen in China, Indien und Afrika auch tatsächlich Autos kaufen? Das sei ganz einfach, denn der Bedarf an Mobilität müsse nicht erst künstlich erzeugt werden, er sei schlicht und einfach gegeben. Mit dem Wohlstand würde deshalb automatisch auch die Anzahl der Fahrzeuge steigen: „Geben Sie den Menschen Geld und sie kaufen Autos“, spitzt Dudenhöffer seine These zu.
Autonomes Fahren und neue Player am Markt
Die Autobranche ist zwar keineswegs in Gefahr, sie werde sich aber tiefgreifend verändern. Durch die neue Antriebstechnologie entstehen neue Wertschöpfungsketten. Chinesische Firmen sind heute im Bereich der Batterieerzeugung führend, generell werde das Land in den zukünftigen Entwicklungen des Automobilsektors eine wichtige Rolle spielen. Außerdem wird sich auch das Design der Fahrzeuge grundlegend ändern: Durch den Wegfall des Verbrennungsmotors ergeben sich neue Möglichkeiten der Fahrzeugarchitektur. Zudem rückt die Elektronik und die Software in den Vordergrund, klassische Autohersteller bekommen Konkurrenz von großen Softwarekonzernen.
So war etwa Tesla Vorreiter mit der Entwicklung der „Skate-Board-Plattform“ – also einer Bodenplatte mit integrierten Akkus und Antrieben vorne und hinten direkt an den Achsen. Außerdem hat Tesla die unterschiedlichen, dezentralen Steuergeräte im Automobil zu einem einzigen Zentralcomputer aus eigener Entwicklung zusammengefasst. Darüber laufen nun sämtliche Prozesse zur Steuerung des Fahrzeugs und letztlich auch das autonome Fahren. Dieses sei technologisch schon sehr weit fortgeschritten und werde jedenfalls die Zukunft sein. Neben Überlegungen wie der bequemen und sicheren Heimreise nach dem Heurigenbesuch, bei dem man zu tief ins Glas geschaut hat, gibt es auch Potenzial für Robotaxis oder Carsharing, indem das Fahrzeug eigenständig zum Einsatzort anreist. Außerdem sei das autonome Fahren ideal für den Güterverkehr, der schon heute mit einem Mangel an Berufslenkern zu kämpfen hat. „Stellen Sie sich vor, der Lkw fährt von selbst und umweltfreundlich mit Batterie oder Brennstoffzelle – Wozu brauchen wir dann noch Schienen?“, fragt Dudenhöffer.
Im Lichte der Bemühungen um die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene ist das eine äußerst provokante Frage. Zumindest auf der Langstrecke bei Seehafenverkehren mit Containern ist die Existenzberechtigung der Bahn unbestritten und in Effizienz und Kapazität mit dem Lkw auf der Langstrecke nicht zu übertreffen. Das dürfte freilich auch Dudenhöffer bekannt sein, der in seiner Rhetorik zu plakativen Aussagen neigt. In der Kurz- und Mittelstrecke und natürlich zur Verteilung in der Fläche ist der Lkw aber in den meisten Fällen nach wie vor konkurrenzlos. Ob und wann automatisierte Lastwagen einmal ohne Fahrer allein auf die Öffentlichkeit losgelassen werden können, darüber sind sich Experten jedoch noch uneinig.