Alternative Antriebe : Ausbau der Wasserstoff- und Elektro-Infrastruktur für Nutzfahrzeuge unverzichtbar

Truck on road with H2 Hydrogen logo. Renewable or sustainable electricity. Clean alternative ecological energy. 3D rendering.

Um die Klimaziele zu erreichen ist ein Technologiewechsel nötig

- © PhotoGranary - stock.adobe.com

Erklärtes Ziel der EU, festgelegt im sogenannten „Green Deal“, ist die Klimaneutralität bis zum Jahr 2050. Dieses Ziel ist rechtlich verbindlich im EU-Klimagesetz festgeschrieben. Das bedeutet, dass bis zu diesem Datum keine Netto-Treibhausgasemissionen mehr ausgestoßen werden sollen. Dies betrifft natürlich auch den Verkehrssektor, der insgesamt sechs Prozent der gesamten CO2-Emissionen in Europa verursacht – ein Viertel davon durch schwere Lkw und Busse. Deshalb sollen nach EU-Vorgaben die CO₂-Emissionen schwerer Nutzfahrzeuge bis 2030 um 30 Prozent verringert werden. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten rund 200.000 emissionsfreie Lkw in Europa im Einsatz sein. Zu diesem Ergebnis kommt die neue VDI/VDE-Studie „Klimafreundliche Nutzfahrzeuge: Vergleich unterschiedlicher Technologiepfade für CO₂-neutrale und -freie Antriebe“.

Unterschiedliche Technologien, ein Ziel

Um die EU-Vorgaben zu erfüllen, setzen VDI und VDE beim Fernverkehr schwerer Nutzfahrzeuge auf Brennstoffzellenantrieb und im urbanen Raum auf den batterieelektrischen Antrieb für kleine Nutzfahrzeuge. Batteriefahrzeuge (BEV – Battery Electric Vehicles) sind zwar wesentlich effizienter, Brennstoffzellenfahrzeuge weisen dafür aber Vorteile bei Reichweite und Tankdauer auf. Insbesondere die Reichweite stellt eine Herausforderung für batteriebetriebene Nutzfahrzeuge im Fernverkehr dar. Sie kämpfen mit den Batteriegewichten an Bord und einer langen Ladezeit. Diese Probleme lassen sich mit Wasserstoff lösen, da er schnell getankt und in flüssiger oder gasförmiger Form im Fahrzeug mitgeführt werden kann. Der Antrieb selbst erfolgt dann wiederum über einen elektrischen Antriebsstrang und ist ident mit jenem von rein batterieelektrischen Fahrzeugen. Dafür wird die Energie aus dem Wasserstoff (H2) zuvor mittels einer Brennstoffzelle in elektrischen Strom umgewandelt. Das Abgas-Produkt dieses Vorgangs ist reines Wasser (H20). Der Lkw kann mit dieser Technologie in wenigen Minuten betankt werden und benötigt nur eine vergleichsweise kleine und somit auch leichte Pufferbatterie. Die Energieeffizienz des Gesamtsystems ist bei der Wasserstofftechnologie allerdings wesentlich schlechter, da der elektrische Strom zunächst in Wasserstoff umgewandelt und dann wieder rückgewandelt werden muss. In Sachen Effizienz haben reine Batteriefahrzeuge also die Nase vorn. Der Wasserstoff macht dennoch Sinn, um hohe Reichweitenanforderungen abzudecken. Außerdem lässt sich mittels Wasserstoffelektrolyse der Strom aus einer etwaigen Überschussproduktion der erneuerbaren, meist hochvolatilen Energieträger speichern und verwerten.
Was die Sicherheit betrifft – Stichwort: Brandgefährlichkeit von Wasserstoff – sehen die Experten von VDI und VDE kein Problem. Die Sicherheit von Brennstoffzellenfahrzeugen sei durch Prüfungen und praktische Erfahrungen bewiesen, das Gefährdungspotenzial nicht höher als bei konventionellen Kraftstoffen. Egal ob Batterie oder Wasserstoff: „Beide Energieträger sind in Bezug auf die Sicherheit gleichwertig“, erklärt Martin Pokojski, Vorsitzender des VDI/VDE-Fachausschusses Wasserstoff- und Brennstoffzellen.

Um die EU-Vorgaben zu erfüllen, setzen VDI und VDE bei Nutzfahrzeugen auf Brennstoffzellenantrieb und auf batterieelektrischen Antrieb

Oberleitungs-Fahrzeuge und eFuels

Als weitere Technologiealternativen zu Batterie und Wasserstoff gäbe es noch Oberleitungsfahrzeuge und eFuels. Oberleitungsfahrzeuge fahren wie die Eisenbahn mit direkt eingespeister Elektroenergie und brauchen nur eine kleine Batterie, um die Strecke von und zur entsprechenden Autobahn zu bewältigen. Der Vorteil liegt in der hohen Energieeffizienz im Betrieb. Der Nachteil ist aber der enorme Kostenaufwand zur Errichtung der Infrastruktur, weshalb die Experten dieser Technologie wenig Chancen einräumen. Ähnlich sieht es mit eFuels aus, also synthetischen Dieselkraftstoffen, die mit Strom aus erneuerbaren Quellen synthetisch erzeugt werden. Hier beträgt die Energieausbeute des Gesamtsystems weniger als 20 Prozent, weswegen diese nur als Übergangstechnologie gesehen werden. Der momentane Vorteil liegt dafür in der raschen Anwendbarkeit im Fahrzeug, denn synthetische Kraftstoffe können mit herkömmlichen Motoren genutzt werden.
Besonders Energieeffizient ist hingegen eine Sonderform des batterieelektrischen Fahrzeugs: Sogenannte CAT-Fahrzeuge sind Batteriefahrzeuge, die während des Betriebs zwischengeladen werden. Beispiele dafür gibt es im Stadtbusbereich, wobei an den Endhaltestellen der Buslinien Stoßladungen über Pantographen verabreicht werden. Vorstellbar wäre dieses Modell natürlich auch im Kurzstreckenbetrieb, etwa innerhalb eines Hafenterminals. Der große Vorteil dieses Systems liegt in der hohen Gesamtenergieeffizienz von bis zu 70 Prozent. Gleichzeitig benötigen die Fahrzeuge nur eine kleine Batterie, was Anschaffungskosten reduziert und die verbleibende Nutzlast erhöht.

Elektromobilität vs. E-Fuels: Diskussion über die Vor- und Nachteile im "WEKA Automotive Talk"

Infrastruktur für flächendeckenden Einsatz unzureichend

Die Lade- und Tankstelleninfrastruktur für Nutzfahrzeuge in Europa entspricht nicht den betrieblichen Anforderungen. Zu dieser Erkenntnis gelangen VDI und VDE. „Der jüngste politische Plan, den Bau und Betrieb von Wasserstofftankstellen nicht mehr zu fördern, hätte fatale Auswirkungen. Damit behindert die Politik die EU-Vorgaben zur CO₂-Reduktion von Schwerlastern“, mahnt Pokojski mit Bezug auf die Situation in Deutschland. „Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, vorhandene Wasserstoff-Tankstellen weiter auszubauen und um neue zu ergänzen.“
Die Ladestationen und Wasserstoff-Tankstellen würden den Ansprüchen schwerer Nutzfahrzeuge aktuell nicht gerecht. Die derzeit 90 Tankstellen mit 700-bar-Anlagen eignen sich in Bezug auf die benötigten Mengen und die Anforderung einer zügigen Betankung nur bedingt für Lkw. Bis 2030 müssten allein in Deutschland 70 Lkw-taugliche H2-Tankstellen gleichmäßig über das Autobahnnetz verteilt errichtet werden. Für Lkw mit Batterien eignen sich von den 16.100 Ladepunkten aktuell nur 25. Um einen Anteil von nur fünf Prozent des Fahrzeugbestands abzudecken, wären 1.200 Ladepunkte mit einer Ladeleistung von 720 kW erforderlich.

„Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, vorhandene Wasserstoff-Tankstellen weiter auszubauen und um neue zu ergänzen.“

TCO-Betrachtung und Wirtschaftlichkeit

Akzeptanz und Investitionsbereitschaft in emissionsfreie Transportfahrzeuge sind wesentlich von der Wirtschaftlichkeit derselben abhängig. Die Anschaffungskosten sind aktuell deutlich teurer und bei Schwerfahrzeugen um ein Vielfaches höher als bei Dieselfahrzeugen. Diese Mehrkosten müssten durch entsprechend geringere Betriebskosten ausgeglichen werden. Das Problem ist, dass die Unsicherheiten hinsichtlich der prognostizierten TCO-Kostenentwicklung von alternativ angetriebenen Nutzfahrzeugen sehr hoch sind und sich im Rahmen von mehreren 10 Cent pro Kilometer bewegen. Gleichzeitig unterliegen die Transporteure jedoch einem extrem harten Wettbewerb und die Gewinne der Frächter pro Transportkilometer liegen nur im Cent-Bereich. Die Investitionsbereitschaft in emissionsfreie Fahrzeuge ist unter diesen Voraussetzungen kaum gegeben.
Die Verbände gehen zwar davon aus, dass die Herstellungskosten in Folge der Massenfertigung sinken und die Wettbewerbsfähigkeit von Dieselfahrzeugen durch CO₂-Steuern und Zufahrtsbeschränkungen abnehmen werden. „Aber eine deutliche Kostensenkung entsteht nur, wenn sich die Kosten von grünem Strom und grünem Wasserstoff verringern. Eine wichtige Voraussetzung sind neben dem von der (deutsche) Bundesregierung angestrebten beschleunigten Ausbau von Windenergie und Fotovoltaik die Schaffung der politischen Rahmenbedingungen für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft“, so Dr. Remzi Can Samsun vom Institut für Energie- und Klimaforschung des Forschungszentrums Jülich und Mitglied des Fachausschusses Wasserstoff- und Brennstoffzellen im VDI und VDE.

Fazit

Die Autoren der Studie sind sich einig: Mittel- bis langfristig können klimafreundliche Nutzfahrzeuge dazu beitragen, die volkswirtschaftlichen Kosten im Bereich der Mobilität im Vergleich zum Status Quo zu senken. Dafür bräuchten insbesondere die Bereiche Forschung und Entwicklung eine Förderung, um innovative Technologien in der Nutzfahrzeugfertigung zu entwickeln. Das würde darüber hinaus auch eine Wettbewerbsfähigkeit beschleunigen. Außerdem wären steuerliche Anreize nötig, damit Flottenbetriebe beispielsweise im innerstädtischen Bereich vermehrt auf elektrifizierte Nutzfahrzeuge umsteigen, so lautet die Conclusio von VDI und VDE.

Effizienzvergleich unterschiedlicher Technologien Vorteil/Nachteil Energieeffizienz in Prozent
Batteriefahrzeuge (BEV) Vorteil: Hohe Effizienz, Rückgewinnung der Bremsenergie. Nachteil: Gewicht, hohe Anschaffungskosten für die Batterie und limitierte Reichweite Rekuperation 57 - 63 %
CAT (Spezialform von BEV) Stromversorgung aus dem Netz, Nachladen der Batterien während des Betriebes. Vorteil: nur kleine Batterie nötig. Nachteil: Lademöglichkeit während des Betriebs muss gegeben sein, entsprechende Infrastruktur muss vorhanden sein 57 - 70 %
Brennstoffzellenfahrzeugen (FCEV) Wasserstoff als Energieträger, hohe Reichweite und schnelles Tanken, Rückgewinnung der Bremsenergie per Rekuperation. Nachteil ist die geringere Gesamtenergieeffizienz gegenüber reinen Batteriefahrzeugen 24 - 29 % (eventuell bis zu 35 % möglich)
Wasserstoff-Batterie-Hybridfahrzeuge hohe Reichweite, hohe Effizienz. je nach Betriebsmodus bis zu 67 %
synthetische Energieträger (eFuels) Vorteil: Verwendung in bestehenden Antriebssystemen möglich, sofortiger Einsatz auch in Bestandsfahrzeugen. Nachteil: sehr geringe Energieeffizienz 17 - 20 %

Wer sind VDI und VDE

Der VDI, Verein Deutscher Ingenieure, existiert bereits seit 160 Jahren und ist mit rund 145.000 persönlichen Mitgliedern der größte technisch-wissenschaftliche Verein Deutschlands. Mehr als 12.000 ehrenamtliche Experten bearbeiten jedes Jahr neueste Erkenntnisse zur Förderung des Technikstandorts Deutschland und als drittgrößter technischer Regelsetzer ist der VDI Partner für Wirtschaft und Wissenschaft.
Der VDE existiert seit 125 Jahren und vereint Wissenschaft, Standardisierung, Prüfung, Zertifizierung und Anwendungsberatung unter einem Dach. Das VDE-Zeichen gilt seit mehr als 100 Jahren als Synonym für höchste Sicherheitsstandards und Verbraucherschutz. Im VDE Netzwerk engagieren sich mehr als 2.000 Mitarbeiter an über 60 Standorten weltweit, mehr als 100.000 ehrenamtliche Expert und rund 1.500 Unternehmen gestalten im Netzwerk VDE die Zukunft mit. Sitz des VDE (Verband der Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik e.V.) ist Frankfurt am Main.