Recht & Versicherung : Frächter, der eine Lkw-Sendung am Umschlagslager stehen lässt, haftet grenzenlos
Fall: Der Hauptfrächter schloss mit seinem Kunden am 9.11.2017 einen Transportvertrag von Crailsheim (Süddeutschland) nach Maria-Lanzendorf (Niederösterreich). Wiederum beauftragte der Hauptfrächter einen Unterfrächter, die 3, 146 Tonnen Teigwaren an das Lager in Maria-Lanzendorf zu befördern, um sie in weiterer Folge dem Empfänger in Tschechien zuzustellen. Am 16.11.2017 informierte der Hauptfrächter seinen Kunden, die Sendung erst am 17.11.2017 in Tschechien abzuliefern. Der 17.11.2017 war ein Feiertag in Tschechien, an dem sich das Wochenende anschloss. Allerdings verweigerte der Empfänger die Warenannahme, weil sich das Mindesthaltbarkeitsdatum verkürzte. Am Ende des Tages stritten die Parteien gerichtlich darüber, welche Partei für den Schaden in Höhe von 5.029,36 Euro einzugestehen hat. Der Transportversicherer entschädigte den Kunden des Hauptfrächters. Anschließend klagte er gegen den Hauptfrächter auf vollen Schadensersatz.
Der Fahrer des Frächters sollte jede Leistungsstörung, die während der Transportabwicklung eintritt, umgehend seiner Disposition melden!
Urteile: Das Landgericht (LG) mit Sitz in Ellwangen (Süddeutschland) verurteilte den beklagten Hauptfrächter, den Schaden gänzlich zu erstatten (AZ: 10 O 26/18). Dies auf der Grundlage der Artikel 17 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 23 Absatz 1 Bestimmungen des Beförderungsvertrags im grenzüberschreitenden Güterverkehr (CMR) oder hilfsweise nach österreichischem Recht. Die „örtliche Zuständigkeit“ des LG sei gegeben, so das LG. Beim Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart ging der Fall in die Berufung (AZ: 3 U 239/18). Der verklagte Hauptfrächter begründete seinen Berufungsschritt unter anderem damit, dass mit seinem Transportangebot das Recht Österreichs sowie die Anwendung der Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen (AÖSp) vereinbart worden seien. Das OLG erachtete die Berufung als rechtlich zulässig, jedoch erfolglos in der Sache, so die Entscheidung am 27. November 2019.
Der Frächter ist nach Artikel 14 CMR verpflichtet, Weisungen beim Verfügungsberechtigten einzuholen, wenn es zu Störungen in der Auftragsabwicklung kommt, die beispielsweise aus einer Annahmeverweigerung resultieren!
Tenor: Das Transportangebot des Hauptfrächters sei nicht unterschrieben worden und bezöge sich nur auf dem Vorlauf von Deutschland nach Österreich. Allerdings meinte das OLG, selbst wenn Ziffer 9 des Angebots, das einen Gerichtsstand in Salzburg vorgesehen habe, anzuwenden sei, wäre diese Abrede nach Artikel 41 CMR rechtsunwirksam gewesen. Die Parteien dürfen nur zusätzliche internationale Gerichtsplatzvereinbarungen „neben den Zuständigkeiten“ gemäß Artikel 31 CMR treffen, jedoch „keine dort genannten Zuständigkeiten derogieren“ (abschaffen). Zwischen den Kaufvertragsparteien, das waren der Transportkunde und der Käufer in Tschechien; sei nicht nur ein Mindesthaltbarkeitsdatum bis zum 9/10.12.2017 vereinbart worden, sondern eine zwingend einzuhaltende Restlaufzeit von 21 Kalendertagen. Daraus hatte sich ergeben, dass die Sendung fest am 15.11.2017 beim Empfänger hätte angeliefert werden müssen. Der Fixtermin sei auch im ausgestellten Bordero dokumentiert worden, so das LG. Mit Bezug auf den Einwand des Hauptfrächters, dass der Kunde - Kraft „Handelsbrauchs“ - eine stillschweigende Anlieferung am 20.11.2017 zugestimmt habe, folgte das OLG nicht, da „rechtsfehlerhaft“. Der neue Abliefertermin sei auf Wunsch des Hauptfrächters vom 16.11.2017 auf den 17.11.2017 bestimmt worden. Der § 193 Bürgerliches Gesetzbuch sowie § 903 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch seien nicht anwendbar, wenn der Liefertermin auf einem Wochenendtag oder an einem Feiertag fixiert worden sei. Darüber hinaus meinte das OLG, dass der Empfänger zu Recht die Sendungsannahme verweigerte, denn unstreitig reduzierte die verspätete Zustellung die Restlaufzeit des Mindesthaltbarkeitsdatums des Guts. Darüber hinaus bemängelte das OLG, dass der Kunde des Hauptfrächters erst am 22.11.2017 über die Annahmeverweigerung informiert worden sei. Warum der Hauptfrächter seinen Kunden nicht rechtzeitig informierte, sei unklar geblieben. Entweder sei der Hauptfrächter von seinem Subfrächter nicht umgehend über die Warenannahmeverweigerung informiert worden oder ob der Hauptfrächter die Information bekommen habe, jedoch nicht umgehend mit seinem Kunden teilte, sei unklar geblieben. Letztlich seien bereits 7 Kalendertage vergangen, so dass folglich der Kunde keine Chance mehr gehabt habe, „auf die Annahme der verspäteten Anlieferung“, gegenüber dem Empfänger Einfluss zu nehmen. Außerdem meinte das Gericht, dass der Kunde ein Recht darauf habe, die Rücknahme beziehungsweise eine Verwertung des Gutes vollständig abzulehnen, wenn die von seinem Kunden abgelehnte Ware keinen wirtschaftlichen Wert mehr besitze. Abschließend stellte das OLG klar, dass auch eine verspätete Ablieferung in eine grenzlose Haftung führen könne. Frächter, die an ihren Umschlagsplätzen - hier in Maria-Lanzendorf - keine durchgängigen Ein- und Ausgangskontrollen der Warenströme durchführen, machen sich eines qualifizierten Schadensverschuldens schuldig. Dies sei zumindest, so das OLG weiter, „im Regelfall“ der Fall.
Frächter, die den Warenein- und/oder Warenausgang am Güterumschlagsplatz nicht durchgängig kontrollieren, setzen sich den Vorwurf eines leichtfertigen Verhaltens aus, dass in einer unbegrenzten Haftung enden könnte.