Schwere Klasse : Fit für die Zukunft: Traton präsentiert sich autonom und elektrisch

Elektro-Lkw und Oberleitungs-Lkw von Traton
© Ludwig Fliesser

Der „Traton Innovation Day“ war erst die zweite Veranstaltung dieser Art, seit Traton-Boss Andreas Renschler die unter der Traton Group SE subsummierten Nutzfahrzeugmarken MAN, Scania und Volkswagen Caminhões e Ônibus an die Börse gebracht hat. Traton präsentierte sich dabei als globalisierter Konzern, der mit seiner Mehrmarkenstrategie allerdings auch regionale Besonderheiten berücksichtigt und unterschiedlichste Kundenbedürfnisse abzudecken vermag. Besonders wichtig war es dem Management, bei zwei großen Zukunftsthemen als Vorreiter aufzutreten: der Elektromobilität und dem autonomen Fahren. „Transport ist das Rückgrat unserer Weltwirtschaft“, sagte Renschler in seiner Eröffnungsrede. Eine Welt ohne Transport sei schlicht nicht vorstellbar. „Also sollten wir uns darauf konzentrieren, den Transport besser zu machen“, so der Traton-CEO. Damit adressierte Renschler einerseits die Themen Nachhaltigkeit und Emissionsreduktion, die angesichts des Klimawandels aus dem globalen Diskurs nicht mehr wegzudenken sind. Andererseits hat der Manager aber auch ganz klar die Steigerung der Profitabilität bei den Kunden in unterschiedlichsten Weltregionen durch effiziente Transportlösungen im Fokus.

Autonom unterwegs

Geplantes Highlight der Leistungsschau am Gelände von Scania in Södertälje war das vollautonome Konzeptfahrzeug Scania AXL. Der Kipper ohne Fahrer und Fahrerhaus wurde erstmals der Weltöffentlichkeit in Aktion präsentiert, was allerdings recht unspektakulär ausfiel: Das Kontrollzentrum des selbstfahrenden Vehikels war so weit vom Zuschauerbereich entfernt, dass nicht eindeutig nachvollziehbar war, welche Befehle und Aktivitäten das Fahrzeug nun tatsächlich vollautonom und selbstständig ausführte.

Allerdings forscht Traton bereits seit Längerem an vollautonomen Fahrzeugen und seit 2018 läuft ein Scania Lkw in einer Mine von Rio Tinto in Australien autonom im Praxiseinsatz. Der Verzicht auf das Fahrerhaus im AXL ist also der nächste logische Schritt, der nicht nur neue Möglichkeiten für das technische Fahrzeugdesign eröffnet sondern das Thema „autonomes Fahren“ auch optisch erlebbar macht. Und man muss sagen: die Zukunft fühlt sich fast ein wenig unheimlich an, wenn man direkt neben diesem monolithischen Monstrum steht. Auch wenn einem die Maschine mittels Lichtbalken signalisiert, dass man von den Sensoren „gesehen“ wurde – die Einschätzung der nächsten Aktion des gesichtslosen Blechungetüms erscheint schlichtweg unmöglich. Einigermaßen beruhigend ist dabei noch, dass der autonome AXL auf der aktuellen Scania Fahrzeugplattform mit Dieselmotor beruht – das Fehlen von Motorgeräuschen ist also ein klares Indiz dafür, dass sich das Vehikel vorerst nicht in Bewegung setzen wird.

Der Scania AXL ist ein autonomes Konzeptfahrzeug ohne Fahrerhaus

- © Scania CV AB

Neben dem AXL und dem autonomen Bergbau-Lkw in Australien sind bereits weitere Automatisierungsprojekte geplant. Bereits gegen Jahresende soll ein autonomer Elektrobus von Scania im Testbetrieb Passagiere zwischen einer Siedlung und einer U-Bahnstation befördern. Und im Hamburger Hafen beginnt demnächst ein Praxistest mit hochautomatisierten MAN-Lkw, die zur Entladung selbstständig ins Container-Terminal Altenwerder einfahren.

Elektrisch

Neben der Automatisierung von Nutzfahrzeugen, die zwei maßgebliche Themenfelder der Transportwirtschaft betreffen – nämlich die Lohnkosten und den Fahrermangel – zeigte sich Traton beim „Innovation Day“ auch fit in Sachen E-Mobilität. Probegefahren werden konnte nicht nur ein batterieelektrischer Transporter des Typs MAN eTGE mit über 100 Kilometern Reichweite, von dem europaweit bereits rund 150 Stück verkauft wurden. Ebenso standen ein MAN eTGM Sattelzug und ein Vertreter der eTGM-Fahrgestellreihe für Testfahrten zur Verfügung, die im Werk von MAN in Steyr produziert und derzeit in einem Langzeitprojekt von neun führenden österreichischen Logistikunternehmen im Praxiseinsatz getestet werden. Das gewaltige Drehmoment des E-Motors von 3.100 Newtonmetern und die flüsterleise Fahrt mit dem schweren Lkw lassen dabei aus Fahrersicht keine Wünsche offen. Nachteile liegen aber natürlich im Mehrgewicht durch die Akkus sowie der begrenzten Reichweite von höchstens 130 Kilometern, wodurch die Möglichkeiten der rein batterieelektrischen E-Mobilität auf Regionalanwendungen beschränkt bleiben. Um auch weitere Strecken elektrisch bewältigen zu können, testet Scania derzeit Oberleitungs-Hybrid-Lkw auf einem fünf Kilometer langen Autobahnabschnitt in Deutschland. Die Fahrzeuge können sich selbstständig mit Dieselmotor fortbewegen und so den Zu- und Ablauf von der Autobahn bewerkstelligen. Bei vorhandener Infrastruktur docken sie mittels Pantografen an die Oberleitung an und können so rein elektrisch betrieben werden. Das ist nicht nur lokal emissionsfrei sondern soll im Dauerlauf auch rund die Hälfte der sonst erforderlichen Energiemenge einsparen. Der Nachteil sind klarerweise die hohen Investitionen in die Infrastruktur, die es parallel dazu auf der Schiene schon gibt. Allerdings würde der Umschlag zwischen den Verkehrsträgern entfallen, der Oberleitungs-Lkw könnte Tür-zu-Tür verkehren.

Dass Innovationen nicht immer vom europäischen Markt getrieben sind, zeigt hingegen das Beispiel des brasilianischen Braukonzern AmBev: Bis 2023 will das Unternehmen ein Drittel seiner gesamten Lieferflotte elektrifizieren, das sind 1.600 Lkw. Die entsprechenden Fahrzeuge stammen von Volkswagen Caminhões e Ônibus und werden in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden entwickelt und gebaut.

MAN – digital, digitaler am digitalsten

Wer dachte, dass sich das Wort „digital“ nicht steigern lässt, der ist ganz offensichtlich nicht im Marketing tätig. Der CEO der Marke MAN, Joachim Drees, kündigte in Södertälje den „digitalsten MAN-Lkw aller Zeiten“ an. Die neue Lkw-Generation von MAN soll im Frühjahr vorgestellt werden und dürfte die letzte sein, die noch von einem echten MAN-Motor angetrieben wird. Denn in Schweden arbeiten die Ingenieure von Scania und MAN bereits an der Entwicklung einer 13-Liter-Motorenplattform für die Traton-Gruppe, die „Common Base Engine 1“, die künftig in allen Nutzfahrzeugmarken des Konzerns zum Einsatz kommt. Die mit „1“ beginnende Nummerierung lässt darauf schließen, dass weitere Motorplattformen folgen. Man darf gespannt sein, ob der Technologieaustausch auch die V8-Aggregate von Scania betrifft, oder ob diese als Topmotorisierung auch in Zukunft allein der schwedischen Lkw-Marke vorbehalten bleiben.

Mehrmarkenstrategie und globale Plattformen

Immer deutlicher wird erkennbar, welche Strategie der Volkswagenkonzern mit der Bündelung seiner Nutzfahrzeugmarken verfolgt. Kundenseitig wird es weiterhin eine klare Trennung der Marken geben, in der Entwicklung rückt man allerdings deutlich zusammen. Auch wenn das Traton-Management die Eigenständigkeit und Einzigartigkeit der jeweiligen Lkw-Marken betont, so gibt es in einigen Jahren wohl global genutzte Plattformen, die nur im letzten Schritt der Entwicklung und Produktion an die Anforderungen der einzelnen Marken und Märkte angepasst werden. Diese Strategie hat bereits erfolgreiche Vorbilder im Nutzfahrzeuggeschäft aber auch in anderen Bereichen: Das globale Geschäftsmodell von Traton läuft auf eine Mehrmarkenstrategie hinaus, wie sie der VW-Konzern bei Pkw bereits seit Jahrzehnten erfolgreich praktiziert.