Allradtechnik : Tatra – der David in der Nische
David gegen Goliath, diese Geschichte übt seit jeher Faszination auf die Menschen aus. Die Popularität des Gleichnisses ist darin begründet, dass sich der Plot sehr schön auf das echte Leben und Wirtschaften übertragen lässt: David konnte nicht im plumpen Frontalangriff bestehen, sondern weil er die schwerfällige Größe seines Gegners ausnutzte und gleichzeitig seinen eigenen Vorteil der Beweglichkeit und Wendigkeit ins Feld führte. Mit genau dieser Strategie schaffen es innovative Start-ups und spezialisierte Unternehmen immer wieder, den Markt gehörig aufzumischen und erfolgreich in bestehenden Strukturen zu überleben oder diese sogar zu transformieren. Und manchmal ziehen dann eben auch etablierte und mächtige Akteure im direkten Konkurrenzkampf gegen dynamische und innovative Newcomer den Kürzeren.
Kompetenz in Sachen Sonderfertigung
Der europäische Lkw-Markt ist aufgeteilt unter fünf global agierenden Konzernen mit sieben Fahrzeugmarken. In Sachen Stückzahl und Massenfertigung ist hier für Tatra nichts zu gewinnen. Im Werk in Kopˇrivnice (dt.: Nesselsdorf) in Mähren im Osten der Tschechischen Republik werden rund 1.200 Lkw pro Jahr gefertigt. Die Produktionsstätte ist dabei in wesentlichen Teilen eine Manufaktur: Sechs verschiedene Lkw-Modelle laufen vom selben Band, kaum ein Fahrzeug gleicht dem anderen. Tatra versteht sich nicht als Produzent von Stangenware, sondern als Anbieter von Sonderlösungen. „Wir sind vielleicht nicht so groß wie die anderen Hersteller, aber wir haben ein spezielles Produkt für spezielle Einsätze. Wir machen keine Standard-Lkw, unser Geschäft ist der Bau von Sonderfahrzeugen“, erklärt Pavel Lazar, CEO von Tatra Trucks. Während Spezialanfertigungen und Sonderwünsche jenseits der Optionsliste in der Massenproduktion oft nur schwer zu realisieren sind, ist das für Tatra schlicht Alltag. Das beginnt schon bei der Achskonfiguration und der Lenkung: Der Kunde hat die freie Auswahl, was die Anzahl der Antriebsund Lenkachsen betrifft. Neuerdings gibt es bei Tatra dabei auch eine liftbare, gelenkte Hinterachse im Portfolio.
Das gängigste Modell für den westeuropäischen Zivilmarkt ist der Tatra Phoenix Euro 6, der mit einem DAF-Fahrerhaus und einem Paccar-Motor ausgerüstet ist. Dazu hat der Kunde die Wahl, ob ein manuelles oder automatisiertes ZF-Schaltgetriebe oder ein Allison-Vollautomatikgetriebe verbaut werden soll. Andere Tatra-Fahrzeuge wie der T-815 lassen sich auch mit Motoren von Cummins oder Caterpillar ausrüsten. Ebenso ist gerade ein eigener Tatra-Euro-6-Motor in der Homologation und dürfte in Kürze zur Verfügung stehen.
Allradkonzept mit Zentralrohrrahmen
Das legendäre Rahmenkonzept geht zurück auf den österreichischen Konstrukteur und langjährigen Betriebsdirektor bei Tatra, Hans Ledwinka. Das Funktionsprinzip des Zentralrohrrahmens ist gut 100 Jahre alt und kommt, in laufend weiterentwickelter Form, auch in den modernsten Tatra-Lkw zum Einsatz. Von einem segmentierten Mittelrohr gehen seitlich luftgefederte Halbachsen zu den Rädern ab. Das ermöglicht eine unabhängige Beweglichkeit der einzelnen Räder, völlig ohne jede Verwindung des Aufbaus. Dadurch sind Fahrten im schweren Gelände mit hoher Last und großer Geschwindigkeit durchführbar. Die Antriebswelle läuft gut geschützt im Inneren des Rahmenrohrs. Es können nahezu beliebig viele angetriebene und gelenkte Achsen aneinandergereiht werden, indem das Zentralrohr entsprechend verlängert wird. Das System ist nicht nur äußerst robust, sondern hinsichtlich Geländetauglichkeit und Fahrkomfort abseits der Straße nahezu konkurrenzlos. Davon zeugen auch die Erfolge im Motorsport bei Extremveranstaltungen wie Truck Trial, Africa Eco Race oder der Rallye Dakar.
Vertrieb über Tschann Nutzfahrzeuge
Der renommierte Lkw-Händler Tschann Nutzfahrzeuge ist Vertriebspartner der Marke Tatra in Österreich, Bayern und Südtirol. Für Österreich fungiert Tschann zudem als Generalimporteur. Ein kompetentes Team, bestehend aus Ing. Robert Kerschl, Vertriebsleiter für die Marke Tatra, und KommR Anton Bucek, Leiter für das Kommunal- und Behördengeschäft, sowie Verkaufsberater Simon Vorderegger, kümmert sich um die meist sehr speziellen Anliegen der Tatra-Kunden. Seit 2015 konnte Tschann 75 Fahrzeuge am Markt platzieren.
Der größte Absatzmarkt von Tatra ist nach wie vor die Tschechische Republik. Inzwischen wissen aber bereits viele Kunden weltweit die herausragenden Eigenschaften der Fahrzeuge zu schätzen. So setzte sich Tatra erst kürzlich in einer Ausschreibung über 41 Spezialfahrzeuge für die Feuerwehr Brandenburg durch. Die Allradfahrzeuge basieren auf dem Tatra Force 4x4 mit Euro6-Motoren von Cummins und Allison-Getriebe. Sie konnten insbesondere durch ihre hervorragenden Geländeeigenschaften für die waldreiche Region im Nordosten Deutschlands überzeugen.