Autobahn mit Oberleitung : Hessens geisterhafter E-Highway
In Hessen existiert eigentlich schon monatelang ein Autobahnteilstück mit Oberleitungen für Lkw mit Stromabnehmern - sogenannten Pantografen - am Dach. Doch das Leitungssystem erstreckt sich eher geisterhaft über die rechte Spur der A5 zwischen Langen-Mörfelden und Weiterstadt, denn scheinbar will niemand die Installation so richtig nutzen.
Die Teilstrecke wurde am 7. Mai offiziell im Rahmen des Pilotprojekts (ELISA) eröffnet. Für die Planung und den Bau der E-Highway-Teststrecke in Hessen hat das Bundesumweltministerium bislang 15 Millionen Euro investiert, weitere 15 Millionen Euro sollen bis 2022 in das Projekt fließen. In Zusammenarbeit mit Speditionen ist es das vorrangige Ziel Daten mit Oberleitungs-Lkw zu sammeln, die für einen späteren, deutschlandweiten Ausbau des Systems relevant sein könnten.
Dabei steht nicht nur die Erforschung verkehr- und energietechnischer sowie ökologischer und ökonomischer Aspekte im Vordergrund, sondern auch die unmittelbare Untersuchung von Funktionalität und Zuverlässigkeit der neuen Fahrzeug- und Infrastruktursysteme im Realbetrieb. Doch an diesem Punkt hat sich die hessische Landesregierung als Förderer des Projekts offenbar verkalkuliert: Es gibt aktuell zu wenige Fahrzeuge im Einsatz. Überhaupt seien derzeit nur zwei Testfahrzeuge unterwegs. Fast fünf Monate nach dem Start ist seit wenigen Tagen erst der zweite Lkw im Einsatz.
Man sei von einem sofortigen Start aller geplanten Spezial-Lkw zur Datensammlung ausgegangen, gab Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) in einer Antwort auf eine Anfrage der FDP zu Wort. Weiterhin geplant ist jedenfalls bis 2022 fünf Oberleitungs-Hybrid-Lastwagen (OH-Lkw) mit Stromabnehmern in Dienst zu stellen. „Erst zu einem Zeitpunkt, zu dem die E-Highway-Versuchsanlage in Hessen bereits fertiggestellt war, wurden die Auslieferungstermine der OH-Lkw bekannt gegeben“, betonte Al-Wazir. Die letzten drei Lkw sollen nun im Februar, März und Juni 2020 in Betrieb genommen werden. Nutzfahrzeughersteller Scania wird insgesamt 15 solcher Fahrzeuge in Zukunft für drei Teststrecken bereitstellen. Neben der A5 zwischen Langen und Weiterstadt sind auch noch Strecken in Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg geplant.
Weiterer Zündstoff für Kritiker
Die Oberleitungs-Highways stoßen nicht nur auf Gegenliebe. Zu wenige Unternehmen würden die Anschaffung von Hybrid-Lkw mit Pantografen am Dach in Betracht ziehen, so die Kritik. Und wie bringt man überhaupt ausländische Unternehmen dazu, ihren Flottenbestand mit OH-Lkw aufzurüsten? Einige Kritiker sind zudem auch der Meinung, dass mit den Geldern der Ausbau des Güterverkehrs auf Schiene unterstützt hätte werden können.
„Man kann argumentieren, dass man in die Infrastruktur mit den Oberleitungen investieren müsste, aber wenn man das mit den Kosten für eine Eisenbahnstrecke vergleicht, dann ist das nur ein sehr geringer Anteil davon“, hält Claes Erixon, der leitende Vizepräsident der Scania Forschung und Entwicklung, dagegen. Für ihn machen Oberleitungssysteme Für einige Lkw und Straßen mit sehr hohem Transportaufkommen und einem mehr oder weniger geschlossenen Kreislauf, wo also dieselben Lkw die gleiche Strecke hin- und zurückfahren, absolut Sinn.
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Keine Konkurrenz zum Güterverkehr auf der Schiene sieht der Pressesprecher des Bundesumweltministeriums Stephan Gabriel Haufe. Das Projekt sei als Ergänzung zu verstehen. Außerdem würde es immer einen Anteil Lkw-Verkehr geben, so Haufe. Sollte sich das System als für den Schwerlastverkehr tauglich zeigen, müssten keineswegs alle Autobahnen voll elektrifiziert werden. „Wir gehen davon aus, dass man rund 1000 Kilometer in Deutschland mit Oberleitungen versehen müsste“, sagte Haufe für den Fall, dass das System sich als wirkliche Alternative herausstellen sollte.
Ein wichtiger Punkt ist auch, wieviel Kraftstoff tatsächlich mit OH-Lkw eingespart werden kann. "Von Investitionen in Millionenhöhe, die für aktuelle Oberleitungs-Projekte aufgewendet werden, um ein paar Liter Diesel zu sparen, hält der Bund der Steuerzahler Schleswig-Holstein jedenfalls nichts, berichtet „Focus“. Eine Kraftstoffeinsparung von zehn Prozent ist zu wenig, so die Kritik.
Auch Experten des Berliner Öko-Instituts hatten eine wesentlich optimistischere Prognose abgegeben: „Oberleitungs-Lkw können im Jahr 2025 ein Viertel weniger CO2 emittieren als Dieselfahrzeuge - selbst wenn diese in Zukunft deutlich effizienter werden - und bereits innerhalb der typischen Nutzungsdauer von fünf Jahren Kostenvorteile gegenüber Dieselfahrzeugen erzielen“, hatte das Institut im September 2018 in Aussicht gestellt.
So funktioniert das Andocken an die Oberleitung
Das Prinzip der Strecke ist einfach: Kommt ein Lkw mit einem Stromabnehmer in den Bereich der Trasse, dockt er automatisch an. Mit dem Stromtanken bei Fahrt sollen die Batterien aufgeladen werden. Dann kann der Lastwagen erstmal im E-Betrieb weiterfahren. Während des Überholens oder wenn der Lkw am Ende einer elektrifizierten Strecke angekommen ist, wird der Pantograf wieder eingefahren. Während des Bremsvorgangs wird der Energiefluss umgekehrt, wodurch Strom erzeugt wird, der die Fahrzeugbatterie auflädt (Rekuperation). Sind die Akkus leer, übernimmt der Hybridmotor mit Diesel wieder den Antrieb.
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