Michael Lohscheller : So will Nikola Wasserstoff-Trucks und E-Lkw in Europa auf die Straße bringen
Ich weiß natürlich, dass Mobilität irgendwann emissionsfrei sein wird, und zwar überall. Ich habe die Lkw von Nikola kennengelernt, gefahren und bin sehr begeistert. Deshalb habe ich gesagt: Ich möchte Teil dieser Geschichte sein!Michael Lohscheller, President Nikola Motor
TRAKTUELL: Wann werden wir denn den ersten vollelektrischen Nikola im Einsatz auf der Straße sehen?
Michael Lohscheller: Sie sehen ihn heute schon in den USA. Wir haben dort im März dieses Jahres angefangen mit der Serienproduktion und diese Lkw an die Händler ausgeliefert, die diese jetzt an die Kunden ausliefern. In Europa haben wir gerade die ersten drei Demofahrzeuge im Hamburger Hafen ausgeliefert. Und sie werden die Serienproduktion im Jahr 2023 in Europa sehen. Dann werden Sie auch die ersten rein batterie-elektrischen Lkw von Nikola auf der Straße sehen, sicherlich auch in Österreich. Und den Wasserstoff-Lkw, den wir auf der IAA in Hannover als Weltpremiere vorgestellt haben, den werden Sie in den USA in der zweiten Jahreshälfte 2023 sehen, in Europa Anfang 2024.
Gibt es in den USA eigene Werke und ein eigenes Design mit Hauben-Trucks?
Michael Lohscheller: Das Design ist gleich, aber wir haben zwei Produktionsstandorte. Einmal in Coolidge in Arizona. Das ist unser eigenes Werk. Und dann haben wir in Ulm in Deutschland ein Joint Venture mit Iveco, das uns jeweils zu 50 Prozent gehört.
Nikola hat schon viel länger von sich reden gemacht, als das tatsächliche Produkt des emissionsfreien Lkw überhaupt greifbar war. Vor allem in den USA wurde angekündigt, dass man mit einem All-inclusive-Modell starten will, wo mit dem Fahrzeug auch gleich der Wasserstoff verkauft wird. Es wurde auch angekündigt, dass man eine eigene Wasserstoff-Infrastruktur aufbauen und selbst Wasserstoff produzieren will. Was wurde denn aus dieser Kombination?
Michael Lohscheller: Ja, diese Strategie ist nach wie vor gültig. Wir haben einerseits das Truckgeschäft und andererseits das Energiegeschäft. Wir werden in den USA Wasserstoff produzieren, mit Partnern, und diesen Wasserstoff dann auch vertreiben. Wir werden eigene Nikola Wasserstofftankstellen einrichten, im ersten Schritt in Kalifornien. Das ist ein wichtiger Markt. Dort werden wir die ersten drei Wasserstoff-Tankstellen jetzt aufbauen, die Landrechte dafür haben wir bereits gekauft. Man kann natürlich nicht plötzlich das ganze Land mit Wasserstoff-Tankstellen überziehen, aber Schritt für Schritt, werden wir Wasserstoff produzieren und ihn auch selber vertreiben.
Was für Größenordnungen sind da angedacht, um damit wirklich eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen, zumindest in den Einsatzgebieten?
Michael Lohscheller: Ich sage Ihnen jetzt keine konkreten Zahlen, weil das vom Einsatzgebiet abhängig ist. Wenn zum Beispiel ein Kunde immer von Wien nach München fährt, jeden Tag hin und zurück, und es sich um ein größeres Volumen handelt, dann werden wir natürlich sicherstellen, dass dort eine Wasserstoffversorgung vorhanden ist. Wir haben Kunden in den USA, die immer die gleiche Strecke von Los Angeles nach Phoenix fahren und so werden wir die Infrastruktur Schritt für Schritt aufbauen. Denn klar ist auch: Ein Wasserstoff-Lkw kann nur mit Wasserstoff funktionieren.
Nikola kooperiert mit Iveco bei der Serienproduktion der Lkw in Europa. Iveco ist ein sehr erfahrener Hersteller. Was genau bringt Nikola in diese Partnerschaft ein? Oder anders gefragt: Wozu braucht Iveco Nikola?
Michael Lohscheller: Das ist eine sehr gute Partnerschaft, denn beide ergänzen sich ausgezeichnet. Was wir in die Partnerschaft einbringen, ist insbesondere Technologie. Sowohl der elektrische, als auch der Wasserstoff-Lkw, sind von uns entwickelt worden. Da ist natürlich viel Technologie drin, zum Beispiel Software. Wir schreiben die Software selber und haben dazu hochbegabte Softwareentwickler in den USA – die USA sind ja in Summe bei solchen Themen viel weiter als Europa. Die ganze Technologie, auch die Integration des gesamten Fahrzeuges – das bringen wir ein.
Iveco ist für uns enorm wichtig. Einerseits produzieren wir gemeinsam, aber insbesondere auch für die Distribution, den Vertrieb. Wir sind ein junges, kleines Unternehmen mit rund 1.200 Mitarbeitern und können nicht alles selber machen. Wir nutzen in Europa deshalb das Händlernetz von Iveco, die diese Fahrzeuge unter dem Markennamen Nikola verkaufen und auch den Service machen werden.
Wenn Sie von Technologie sprechen, dann sprechen Sie wahrscheinlich hauptsächlich von der Brennstoffzelle und dem Elektroantrieb, weil das Fahrzeug selbst – also das Fahrgestell – kommt von Iveco.
Michael Lohscheller: Das ist richtig, die Grundarchitektur kommt von Iveco. Dann haben wir die Elektrifizierung vorgenommen und von uns kommen auch die Batterien. Wir haben den Batteriehersteller Romeo Power übernommen und werden diesen vertikal integrieren. Die Brennstoffzelle kommt von Bosch. Aber die ganze Integration mit Steuerung und Software – all das wird von uns gemacht. Sie haben recht: Es sind eine Menge Komponenten von Iveco im Fahrzeug. Aber viel Technologie wird von Nikola eingebracht und es ist natürlich auch unser Markenname.
Also das gesamte Fahrzeugkonzept steht unter der Schirmherrschaft von Nikola?
Michael Lohscheller: Genau, das kommt von uns. Dafür übernehmen wir die Verantwortung.
Wir nutzen das Händlernetz von Iveco, die diese Fahrzeuge unter dem Markennamen Nikola verkaufen und auch den Service machen“
Technologie ist immer ein heikles Thema. Wem gehört sie? Wie viel davon ist vorhanden? Da gab es vor kurzem eine nicht ganz so schöne Episode. Dabei musste der ehemalige CEO, Trevor Milton, seinen Hut nehmen, weil es hieß, man hätte Anleger über das Vorhandensein von Technologien getäuscht. Was ist an diesen Vorwürfen dran und wie hat dieser Skandal auch das Unternehmen Nikola verändert?
Michael Lohscheller: Die Angelegenheit ist für Nikola als Unternehmen abgeschlossen. Ich bin viel bei Händlern, Kunden, Lieferanten und Investoren – und niemand fragt nach dem Thema. Niemand. Weil natürlich alle interessiert daran sind: Wie ist der Truck? Wie ist die Reichweite? Wie fährt er? Was ist die Qualität? Seit ich dabei bin, habe ich überhaupt keine Diskussion zu dem Thema wahrgenommen. Und es ist auch etwas, was in der Vergangenheit liegt. Meine Aufgabe ist es, die Zukunft von Nikola zu gestalten.
Aber der Vorwurf, der auch im Raum stand gegen das Unternehmen war, dass gewisse Technologien gar nicht vorhanden sind. Also die Elektro-Trucks, die jetzt da sind, die sind auch bereits ausgestattet mit eigenem Antrieb und laufen?
Michael Lohscheller: Ich nehme auch nicht wahr, im Gespräch mit Kunden, Lieferanten, Flotten oder Händlern, dass das ein Thema ist. Mich hat noch nie jemand darauf angesprochen.
Dann war ich offenbar der Erste?!
Michael Lohscheller: Die Journalisten schon. Aber sie gehören nicht zu Kunden und Flotten. Es sei denn, sie möchten einen kaufen, dann mache ich die Kategorie Kunde für Sie auf. Es ist wirklich so: Operativ sprechen die Menschen über andere Themen: Was ist die Reichweite? Wie lange dauert die Beladung? Wo können wir den Service machen? Wie teuer ist der Lkw?
Das ist ein guter Punkt: Kaufpreis und Kostenparität sind ein Knackpunkt bei der emissionsfreien Mobilität. Wie sieht denn die Kostenrechnung bei Elektro und Wasserstoff aus, im Vergleich zum konventionellen Diesel?
Michael Lohscheller: Die Anschaffungskosten so einer neuen Technologie sind natürlich deutlich höher als beim Diesel. Das ist unstrittig. Auf der anderen Seite sind die Unterhaltskosten deutlich niedriger, je nachdem, woher sie den Strom bekommen. Das ist viel günstiger als bei einem Diesel. Sie haben auch deutlich weniger Service, weil kein Getriebe verbaut ist und der Motor ist wartungsarm. Die Einsparungen dadurch sind groß und je länger Sie das Fahrzeug fahren, desto größer werden sie.
Wir wollen natürlich möglichst schnell auf diese Parität zum Diesel hinkommen, weil Kunden in der Regel nicht mehr Geld ausgeben wollen, nur für die Umwelt. Wobei: Es wäre schön, wenn wir alle, wie bei Bio-Nahrung, bereit wären, auch mehr für die Umwelt auszugeben.
Wir wollen natürlich möglichst schnell auf die Parität zum Diesel hinkommen“
Glauben Sie, dass Kostenparität eher bei Elektro möglich ist oder eher bei Wasserstoff?
Michael Lohscheller: Das hat viel damit zu tun, wo der Strom herkommt und wann Sie laden. Über Nacht ist das deutlich günstiger als am Tag. Und dann bleibt die Frage, welches Kosten-Niveau man bei Wasserstoff hinbekommt? In Wasserstoff wird weltweit viel investiert, etwa in Saudi-Arabien, Australien und den USA. Wenn Sie günstig an Energie kommen, wie zum Beispiel in Phoenix durch Solarenergie, dann kann auch Wasserstoff ziemlich günstig hergestellt werden. Zudem wird es auch noch hoch subventioniert. Ich könnte mir vorstellen, dass man mit Wasserstoff noch schneller an diese Diesel-Parität herankommt, als mit reiner Elektrifizierung. Aber es ist abhängig davon, wie teuer der Strom ist und wo er herkommt. Das sind viele Variablen.
Sind nicht die Kosten für die Errichtung der Infrastruktur von Wasserstoff das Hauptthema? Für eine Wasserstofftankstelle sollen Investitionskosten bis zu einer Million Euro anfallen.
Michael Lohscheller: Das kommt natürlich auch dazu, aber die wesentliche Frage ist, wie teuer ist es zu produzieren und wie viele Abnehmer gibt es. Viele Leute wollen gerne in Wasserstoff investieren und fragen uns natürlich: Wie viele Lkw verkauft ihr und was ist die erwartbare Abnahmemenge? Es gibt großes Interesse.
Damit sind wir wieder beim klassischen Henne-Ei-Problem mit der Frage, was kommt zuerst: Der Wasserstoff-Lkw oder die Infrastruktur. Das werden wir jetzt wahrscheinlich nicht lösen…
Michael Lohscheller: Genau. Das werden wir jetzt nicht lösen und es wird auch beides gleichzeitig kommen müssen.
Ich weiß jetzt nicht, ob man dazu noch einmal die Atomenergie-Debatte aufmachen muss. Das erscheint mir nicht sinnvoll"
Diese Wasserstoff-Infrastruktur, die wollen Sie zuerst in Nordamerika aufbauen?
Michael Lohscheller: In Nordamerika und dann auch mit Partnern in Europa, weil die Infrastruktur und die Energie immer das Wichtigste sind. Die Leute lieben unseren Lkw. Dann bleibt aber die Frage: Wie teuer ist das Ganze und habe ich die Infrastruktur? Kann ich laden? Habe ich Wasserstoff? Das ist das Entscheidende.
Und die Frage, wo der Wasserstoff herkommt. Im Zuge der ganzen E-Mobilitätsdiskussion hat man ein bisschen das Gefühl, dass jetzt vielleicht auch die Atomkraft wieder eine Renaissance erlebt. Wie sehen Sie die Chancen, dass das die Zukunft wird?
Michael Lohscheller: Zickzack-Kurse helfen nie. Man muss einmal eine gerade Linie beibehalten. Und es wäre natürlich hilfreich, wenn wir die jetzt bei Wasserstoff einhalten und auch machen. Das hat ja alles Vorlauf und man muss investieren. Wenn man sagt: Jetzt überlegen wir uns das wieder anders und in fünf Jahren machen wir es wieder neu – Dann wird nichts draus, so wird man den Klimawandel nicht stoppen können. Man muss schon die Richtung einhalten, politisch und auch wirtschaftlich.
Vermissen Sie das Commitment beim Thema Wasserstoff?
Michael Lohscheller: Nein, ich sehe wahnsinnig viel Unterstützung beim Thema Wasserstoff in den USA. Die Amerikaner gehen richtig rein, also nicht kleckern – klotzen! Was dort jetzt an Unterstützung vorhanden ist, ist sensationell. Und wir in Europa? Wir tun ja immer so: „Ach, die Amis. Umweltschutz ist denen nicht wichtig.“ Aber wenn sie was anpacken, dann packen sie es richtig an. Während wir ja so klein-klein... Ich würde mir zum Beispiel in Österreich wünschen, dass ein Wasserstoff-Lkw auch am Sonntag fahren darf. Ich weiß jetzt nicht, wen man da ansprechen muss. Vermutlich müssen wir in Europa nachfragen, weil es darf ja nichts mehr entschieden werden. Ich würde mir auch wünschen, dass man einmal klar sagt: Wann hört der Diesel denn auf.
Aber das ist ja schon besiegelt, dass der 2040 auch im Schwerverkehr Geschichte ist.
Michael Lohscheller: Aber noch nicht komplett. Also da sind ja noch so Lebenszeichen und Ausweich-Optionen. Würden Sie sagen, es ist definitiv 2040?
Ich glaub es noch nicht so ganz. Aber die gesetzliche Grundlage hätte ich schon so gesehen.
Michael Lohscheller: Okay, aber worauf ich hinaus will ist: Wir brauchen schon ein bisschen Planungshorizont und wir brauchen auch ein paar Vorteile, die es attraktiv machen. Ein Beispiel: In den Häfen dieser Welt müssen sie oft warten. Da brauchen Sie drei oder vier Stunden, um einen Container loszuwerden. Der Hafen in Houston, Texas, hat eine Fast Lane für Elektro-Lkw eingerichtet. Wenn Sie Unternehmer sind und im Hafen nicht mehr stundenlang warten müssen, dann ist das interessant. Ich würde mir zum Beispiel in Deutschland wünschen, dass Wasserstoff- und Elektro-Lkw auch sonntags fahren können. Das hätte viele Vorteile: Man hat weniger Staus, die Wirtschaftlichkeit für die Unternehmer ist besser und es würden sich viele Sachen entzerren. Vermutlich gäbe es auch weniger Auto- und Lkw-Unfälle.
Was Sie ansprechen ist im Endeffekt auch eine Art der Förderung. Sie sind aber damit meiner Frage nach der Atomenergie ausgewichen: Ist das ein Konzept, dass man Atomenergie in Wasserstoff umwandelt für den Verkehr?
Michael Lohscheller: Es gibt genügend Möglichkeiten, Wasserstoff günstig zu produzieren. Ich weiß jetzt nicht, ob man dazu noch einmal die Atomenergie-Debatte aufmachen muss. Das erscheint mir nicht sinnvoll.
Vielen Dank für das Gespräch!