E-Trucks : „Komplette Palette von Elektro-Lkw in Serie“

Roland Löffler von Volvo Trucks zeigt elektrische Komponenten der Volvo E Trucks

DI (FH) Roland Löffler, Key Account Manager Elektromobilität, Volvo Trucks Österreich präsentiert Hochvolt-Komponenten des Volvo FH Electric mit entsprechenden Schutzhandschuhen

- © Ludwig Fliesser

TRAKTUELL: Wie läuft es denn beim Thema Elektro-Lkw? Welche Transportanwendungen lassen sich heute schon darstellen?

Roland Löffler: Die Kundennachfrage ist sehr groß, allgemein in Richtung CO2-neutrale Transportlösungen und Dekarbonisierung. Volvo Trucks ist der einzige Lkw-Hersteller weltweit, der bereits heute eine komplette Palette von Elektro-Lkw in Serie produziert. Bei den schweren Baureihen Volvo FM, Volvo FMX und Volvo FH Electric haben wir reale Reichweiten – und wir sprechen hier wirklich von realen Reichweiten, denn gerade der Winter zeigt uns, dass auch die Temperatur einen Einfluss hat – zwischen 250 und 300 Kilometern bei durchschnittlicher Ausladung. Bei den kleineren Fahrzeugen Volvo FL und Volvo FE Electric haben wir im Norden von Wien in der Lebensmittel-Zustelllogistik seit Oktober ein Fahrzeug mit einer Tiefkühlanlage, die direkt über die Antriebsbatterien betrieben wird, im Einsatz. Der Realverbrauch, inklusive Erhaltungskühlung für den Tiefkühlbereich, beträgt circa eine Kilowattstunde pro Kilometer. Das Fahrzeug hat eine Batteriekapazität von 265 Kilowattstunden, das sind netto 212 Kilowattstunden. Der Kunde setzt damit das Fahrzeug mit bis zu 210 Kilometern pro Tag ein, Hebebühnenbetätigungen inklusive.

Dies zeigt, dass wir bereits in vielen Transportbereichen einem konventionellen Lkw um nichts nachstehen. Als Faustregel kann man sagen, dass sich ein Solo-Zustellverkehr zwischen 0,8 und 1,1 Kilowattstunden Verbrauch pro Kilometer bewegt. Mit den größten Batteriepaketen, das sind 564 Kilowattstunden, kann bereits eine Strecke von 400 Kilometern zurückgelegt werden. Zu bedenken ist jedoch: Je mehr Batterien, desto mehr Eigengewicht hat das Fahrzeug.

Elektro-Lkw unterschiedlicher Baureihen und Konfiguration gibt es bei Volvo Trucks bereits in Serie

- © Volvo Trucks

TRAKTUELL: Wie sieht es mit dem Thema Kommunal- und Baufahrzeuge aus?

Roland Löffler: Elektrische Betonmischer, Kipper, Kranfahrzeuge und Hakengeräte mit Abroller gibt es schon, ebenso einen auf den Volvo FL Electric aufgebauten 16-Tonnen-Kanalspüler. Davon wurden europaweit bereits mehr als 20 Stück verkauft. Bei den regionalen Verteilerfahrzeugen wird von Trockenfrachtaufbauten, Ladebordwand und Transportkühlung sukzessive erweitert. Hierbei ist vor allem die Verwendung von direkt an die Antriebsbatterien angeschlossenen Thermoaggregaten (Kühlung und Heizung) hervorzuheben. Das sind hocheffiziente Systeme mit möglichst kleinen Wirkungsverlusten. Im Entsorgungsbereich geht der Trend derzeit eher in Richtung eines elektromechanischen Antriebs der Aufbautechnik. Dabei wird die Hydraulikpumpe des Aufbaus über einen fahrzeugseitig verbauten, elektromechanischen Nebenantrieb (e-PTO) versorgt.

  • Roland Löffler
    „Volvo Trucks hat sich zum Ziel gesetzt, bis spätestens 2030 die Hälfte aller weltweit verkauften Lkw elektrisch zu betreiben“

    Roland Löffler

TRAKTUELL: Wir sprechen heute von einer Handvoll schwerer Elektro-Lkw. Wie viele batterieelektrische Lkw möchte Volvo Trucks bis 2025 auf die Straße bringen? Und wenn ich jetzt einen bestelle, wie lange sind die Lieferzeiten?

Roland Löffler: Aktuell haben wir für batterieelektrische Fahrgestelle eine Lieferzeit zwischen vier und sechs Monate. Das ist sehr gut. Dies wird möglich, weil wir für die batterieelektrischen Komponenten eine gute Bevorratung geplant haben, vor allem jetzt in der Anlaufphase. Wir selbst haben aktuell auch ein Vorführfahrzeug, das bereits verkauft ist. Der Kunde war überzeugt vom Business Case und von den Realwerten. Was den Wandel und Fortschritt betrifft, haben wir uns viel vorgenommen. Volvo Trucks hat sich zum Ziel gesetzt, bis spätestens 2030 die Hälfte aller weltweit verkauften Lkw elektrisch zu betreiben. Im Jahr 2040 sollen alle verkauften Volvo Lkw frei von fossilen Brennstoffen sein. 2025 möchten wir also mindestens einen Anteil von 15 bis 20 Prozent elektrischer Lkw im Neufahrzeuggeschäft erreichen.

Unser Hauptthema in Österreich ist aber aktuell die noch nicht veröffentlichte ENIN-Förderrichtlinie. Das ist eine große Herausforderung für alle, die bereits entschieden haben, in das Thema Elektromobilität einzusteigen und zu investieren. Diese Förderung besteht aus nicht rückzahlbaren Investitionskostenzuschüssen von 80 Prozent der Mehrkosten für die Anschaffung emissionsfreier Nutzfahrzeuge und 40 Prozent der beihilfefähigen Investitionskosten für Infrastruktur. Diese Förderinitiative sollte doch einen wesentlichen Anschub für die Dekarbonisierung des Schwerverkehrs in Österreich ermöglichen.

TRAKTUELL: Kann die Elektromobilität überhaupt ohne Förderung funktionieren?

Roland Löffler: Zum jetzigen Zeitpunkt ist aus unserer Sicht eine Förderung für die Beschaffung von Fahrzeugen ein wesentlicher Bestandteil. Aufgrund der noch geringen Stückzahlen und der hohen Entwicklungskosten haben wir noch nicht dieselben Mengen-Effekte wie bei Verbrenner-Lkw. Ich glaube aber auch nicht, dass ein batterieelektrisches Fahrzeug den gleichen Preis in der Anschaffung haben wird, wie ein dieselbetriebenes.

Ebenso wichtig ist die Schaffung von geeigneter Ladeinfrastruktur, zum einen direkt bei unseren Kunden und zum anderen im öffentlichen Netz. Da braucht es Lösungen, die auf den Schwerverkehr abzielen. Es gibt bereits konkrete Vorschläge seitens des Verkehrsausschusses des EU-Parlaments, was den Ausbau der Ladeinfrastruktur unter anderem entlang der Hauptverkehrsadern (im Autobahnnetz) des Trans-European Transport Networks betrifft. Diese Maßnahmen sind exklusiv für den Schwerverkehr vorbereitet. Zwischen den jeweiligen – noch zu errichtenden – Ladeplätzen soll eine maximale Entfernung von 60 Kilometern liegen. Im ersten Schritt soll bis Ende 2025 eine Anschlussleistung pro Standort von gesamt 1,4 Megawatt vorhanden sein, aufgeteilt auf einzelne DC-Ladepunkte/-säulen mit jeweils bis zu 350 kW DC-Ladeleistung. Zum jetzigen Zeitpunkt ist hier noch sehr viel Potenzial in der Realisierung.

Vertriebsschulung zum Thema E-Mobilität für die Mitarbeiter von Volvo Trucks in der Niederlassung Weißkirchen an der Traum

- © Ludwig Fliesser

TRAKTUELL: Wenn ich nach Deutschland schaue, dann sind dort die Autobahnrastplätze derartig überlastet, dass Lkw-Fahrer teilweise in der Zufahrt zum Parkplatz stehen und damit ein lebensgefährliches Verkehrshindernis darstellen...

...Es gibt also noch nicht einmal die Kapazitäten, um Fahrzeuge ordnungsgemäß abzustellen, da ist vom Laden noch gar keine Rede. Ist es vor diesem Hintergrund überhaupt realistisch, dass wir den Fernverkehr im großen Stil auf Elektromobilität umstellen?

Roland Löffler: Wir haben in Österreich eine sehr große Anzahl an regionalen Verkehren, die aktuell fossil betrieben werden. Wir tun gut daran, wenn wir uns auf das konzentrieren, was perspektivisch in den nächsten fünf bis sieben Jahren wirklich umsetzbar ist. Sehr viele Verkehre werden unter 300 Kilometer Tagesleistung operiert. Wenn wir uns auf diese Gruppen fokussieren und die entsprechenden Fahrzeugsegmente, dann haben wir unglaublich viel geschafft, um zu dekarbonisieren. Es gibt auch gesteuerte Verkehre mit Start- und Endpunkt in Österreich, bei denen im Zweischichtbetrieb 800 bis 900 Kilometer am Tag gefahren werden. Hier gibt es also viel Potenzial. Wir führen Routensimulationen, Wirtschaftlichkeitsplanungen und 7-Tages-Analysen für das Lademanagement durch, damit auch für den Folgetag immer genug Energie vorhanden ist. Vieles ist nur möglich, wenn der Kunde bei seinen eigenen Logistik-Hubs und Standorten lädt. Das muss nicht immer hoch komprimierte Schnellladung sein, aber es muss in die Logistik des Kunden passen, ebenso in das Arbeitszeitmanagement des Fahrers. Und letzten Endes ergeben sich Fragen auf der Kostenseite: Was zahlt man als Kunde für die konsumierte Kilowattstunde? Deshalb geht der Trend Richtung Eigenproduktion von Strom, soweit möglich über Photovoltaik und Windparks.

Den Ansatz, den Fernverkehr zu elektrifizierten und die Nachtruhezeit zum Laden zu nutzen, muss man weiter beobachten. In den nächsten Jahren wird sich die Batterie- und Ladeleistung noch deutlich erhöhen, wir rechnen mit Batteriekapazitäten von bis zu 800 Kilowattstunden. In diesem Zusammenhang werden zukünftig auch wasserstoffbetriebene Brennstoffzellen-Elektro-Lkw eine zentrale Rolle spielen und eine wichtige Ergänzung für längere und schwere Transporte darstellen.

  • Roland Löffler
    „Sehr viele Verkehre werden unter 300 Kilometer Tagesleistung operiert. Wenn wir uns auf diese Gruppen fokussieren und die entsprechenden Fahrzeugsegmente, dann haben wir unglaublich viel geschafft, um zu dekarbonisieren“

    Roland Löffler

TRAKTUELL: Wie steht Volvo Trucks zum Thema Wasserstoff? Der Wirkungsgrad der batterieelektrischen Elektromobilität ist doch wesentlich höher.

Roland Löffler: Wasserstoffbetriebene Brennstoffzellen-Elektro-Lkw eignen sich besonders für Langstrecken und schwere, energieaufwendige Einsätze. Sie könnten eine Option in Ländern sein, in denen die Lademöglichkeiten für Batterien begrenzt sind.

Wir haben eine globale Strategie, was den Antriebsarten-Mix betrifft. 2040 gehen wir bei allem, was Volvo Trucks an Fahrzeugen ausliefern wird, von einem Antriebsmix von ca. 40 % elektrisch angetriebener Fahrzeuge, ca. 40 % Wasserstoff-batterieelektrischer Fahrzeuge und 20 % Trucks mit Verbrenner-Technologie (betrieben etwa durch Bio-LNG oder e-Fuels) aus.

Die Brennstoffzellen werden von cellcentric, dem Joint Venture zwischen der Volvo Group und der Daimler Truck AG, geliefert. Die Hauptaufgabe ist die Entwicklung, Produktion und Vermarktung von Brennstoffzellensystemen für den Einsatz in schweren Nutzfahrzeugen. Im Hinblick auf reichweitenintensive Transporteinsätze ist es wichtig, diese Technologie weiterzuentwickeln. Auf unserer Zeitleiste sehen wir den Ersteinsatz von Serientrucks mit Wasserstoffantrieb in der zweiten Hälfte dieser Dekade. 2025 beginnen wir mit Kunden in Nordeuropa mit Einsatztests im gewerblichen Verkehr. Aktuell gibt es bereits einige H2-Prototypen, die Ergänzung in einem Serienportfolio im Markt folgt ab 2027.

TRAKTUELL: Welche Rolle wird denn hinkünftig der Verbrennungsmotor für Volvo Trucks spielen? Gibt es für diesen überhaupt eine Zukunft?

Roland Löffler: Wir sehen Verbrennungsmotoren, die mit erneuerbaren Kraftstoffen wie Bio-LNG, HVO oder grünem Wasserstoff betrieben werden, nachwievor als Teil der Lösung, um den Klimawandel zu bewältigen, insbesondere im Langstreckentransport. Es sind mehrere technische Lösungen erforderlich, da die Verfügbarkeit von Energie- und Kraftstoffinfrastrukturen von Land zu Land sehr unterschiedlich ist. Wir haben kürzlich erst die Erweiterung unserer Produktpalette durch einen leistungsstärkeren Lkw mit Gasantrieb, technischen Verbesserungen in Bezug auf den Verbrauch und größerem Tank bekannt gegeben. Zudem gibt es von der EU-Kommission umfangreiche Pläne zum Ersatz von fossilem LNG durch eine erhöhte europäische Produktion von Bio-Gas. Es wird erwartet, dass Deutschland und Italien zusammen mit den Niederlanden in den kommenden Jahren die führenden Bio-Gas-Länder sein werden.

TRAKTUELL: Also ist auch in Österreich bzw. in Europa nicht angedacht, dass man bis 2040 komplett von Verbrennerfahrzeugen abgeht?

Roland Löffler: Es wird Anwendungen geben, wo es aus meiner Sicht sehr schwer werden wird, diese batterieelektrisch und wasserstoffelektrisch zu betreiben. Vor einigen Monaten habe ich mit einem Kunden gesprochen, der für hochalpine Seilbahnen für Wartungsdienste, Reparaturen und Installationen mit einem 8x6-Fahrzeug mit einem 180-Metertonnen-Kran fährt. Diese Anwendungen wird es immer geben, bei denen es sehr schwierig ist, sie ohne Verbrennungsmotor zu realisieren. Im Fokus steht für uns ganz klar, dass im Jahr 2040 alle verkauften Volvo Lkw frei von fossilen Brennstoffen sind.

TRAKTUELL: Vielen Dank für das Gespräch.