IAA Transportation : Emissionsfrei, automatisiert und digital
Nach vier Jahren und Corona-Zwangspause ging im September die IAA Transportation 2022 in Hannover über die Bühne. Während die Welt die letzten Jahre teilweise stillzustehen schien, haben die Entwicklungsingenieure offensichtlich fleißig gearbeitet. Gleichzeitig stellen wir fest, dass der Markt um einiges unübersichtlicher geworden ist: große Zulieferer und neue, bislang kaum bekannte Startups und Kooperationen drängen im Zusammenhang mit der Mobilitätswende und der bevorstehenden Elektrifizierung des Schwerverkehrs mit eigenen Gesamtfahrzeugkonzepten auf den Markt. Nicht alle werden bleiben, aber die einstige Gemütlichkeit der OEMs, der „Big 7“-Marken im europäischen Lkw-Segment, dürfte vorerst vorbei sein. Dabei haben auch die alteingesessenen Hersteller, nach anfänglichem Zögern beim Thema Elektrifizierung, inzwischen gehörig aufgeholt: Es gibt bereits eine breite Palette an Serienfahrzeugen und Lkw-Prototypen mit E-Antrieb. Auch das Brennstoffzellen-Joint-Venture „Cellcentric“ der Industriegiganten Daimler und Volvo Trucks war auf der Messe vertreten. Eine wettbewerbsfähige Serienfertigung der Brennstoffzelle gilt, neben der Wasserstoff-Produktion und der nötigen Tankinfrastruktur, als Grundvoraussetzung für die breite Anwendung dieser Technologie.
Der VW-Konzern mit den Marken MAN und Scania, präsentierte den Prototyp einer leistungsstarken E-Sattelzugmaschine, die bereits auf das Megawattladen vorbereitet sein soll. Damit könnten, mit einer kurzen Zwischenladung während der Fahrpausen, künftig auch Fernverkehrsanwendungen batterieelektrisch abgedeckt werden. Das Thema „Oberleitungs-Lkw“ wäre dann wohl endgültig passé, Experten äußerten sich dazu aufgrund der hohen Infrastrukturkosten ohnehin kritisch.
Auch die großen Fahrzeugbauer sind auf den Elektrifizierungstrend aufgesprungen. Präsentiert wurden etwa elektrische Generator-Achsen, welche die kinetische Energie der Räder für die Gewinnung von Strom nutzen, um damit beispielsweise ein emissionsfreies Kühlaggregat zu betreiben. Und sogar eine elektrische Antriebsunterstützung durch den Trailer wurde gezeigt.
Weitere Metathemen bei der diesjährigen Messe waren die Digitalisierung, sprich insbesondere Telematik-Lösungen, und die Automatisierung. So wurden unter anderem spannende Konzepte im Bereich des autonomen Fahrens präsentiert. Was größtenteils fehlte bei der IAA waren hingegen die Busse – auf den Messeständen waren diese kaum bis gar nicht zu finden, lediglich als Shuttlebusse zwischen den Messehallen tummelten sich Elektrobusse unterschiedlichster Hersteller. Die Busbranche dürfte sich damit wohl von der IAA Transportation in Richtung „Busworld Brüssel“ verabschiedet haben.
Und der gute alte Diesel-Motor? Der stand vor allem bei Verkaufsgesprächen im Vordergrund, auf den Messeständen blieben die Diesel-Lkw meist verschämt im Hintergrund. Der britische Journalist Will Shiers hat diesbezüglich eine treffliche Analogie gefunden: „Meine pubertierende Tochter ist in dem Alter, in dem sie nicht mit mir gesehen werden möchte. Ich bin alt, definitiv uncool und in ihren Augen ein bisschen peinlich. Wenn ich sie von der Schule abhole, muss ich zwei Straßen weiter parken… Es kam mir in den Sinn, dass sie zu mir dieselbe Beziehung hat, die Lkw-Hersteller zu ihren Dieselmotoren zu haben scheinen! Es waren nur sehr wenige zu sehen, und diejenigen, die auftauchten, wurden normalerweise in den hinteren Teil des Standes verbannt. Genau wie bei meiner Tochter ist es fast so, als hätten die Lkw-Hersteller vergessen, wer das alles bezahlt!“
Ohne aus diesem Statement irgendwelche pädagogischen Ratschläge ableiten zu wollen, scheint mir dies eine zutreffende Beobachtung zu sein. Aber seien wir ehrlich: Aktuell gibt es im großen Maßstab ohnehin keine Alternative zum Diesel, die Technologie ist bekannt und man muss die Fahrzeuge daher auch nicht extra ausstellen, um sie zu verkaufen. Hinsichtlich der neuen Technologien besteht hingegen noch Aufklärungs- und Überzeugungsbedarf. Die diesjährige IAA war deshalb nicht primär eine Leistungsschau aktuell verfügbarer Modelle, sondern vor allem ein F&E-Event, bei dem künftige Entwicklungen greifbar und erlebbar wurden. Das ist jedenfalls gelungen!