Gastbeitrag von Jürgen Roth : E-Fuels als neue nachhaltige Technologie made in Austria
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Die Glasgower Weltklimakonferenz hat es der Öffentlichkeit wieder vor Augen geführt: Trotz mancher Bemühungen ist die Begrenzung der Erderwärmung auf die Bandbreite 1,5 – 2 Grad Celsius, die der Pariser Klimavertrag verlangt, in weiter Ferne. Auch der Abschied von der Verstromung der Kohle wurde in Glasgow auf die lange Bank geschoben. Entwicklungs- und Schwellenländer, die mit Stromausfällen kämpfen und nicht einmal ihre Spitäler kontinuierlich mit Strom beliefern können, wollen zunächst einmal ihre Stromversorgung auf sichere Beine stellen.
Müssen wir uns daher von den hehren Zielen verabschieden? Nicht unbedingt: Der Öffentlichkeit ist nicht bewusst, dass die Wirtschaft Lösungen in der Schublade hat, die auf Umsetzung warten. Die Politik – ja, auch die europäische, die in Glasgow mahnend und fordernd als Klimaschutzvorreiter aufgetreten ist – verabsäumt es, einfache, klare Entscheidungen zu treffen.
Ehrlichkeit ist ein guter Ausgangspunkt für seriösen, praktikablen Klimaschutz. Wenn Europa aus der Kohle, aus dem Erdöl und dem Erdgas aussteigen möchte, wird es nur einen Teil davon durch Eigenproduktion erneuerbarer Energieträger ersetzen können. Wir werden auch künftig Energie importieren müssen. Darüber sind sich alle mir bekannten Thinktanks einig, das räumen auch europäische und zB deutsche Entscheidungsträger immer öfter ein. Anders könnte es nur sein, wenn Europa sehr stark auf Atomkraftwerke setzt. Auch das würde aber frühestens 2030 greifen, kommt also für die Erfüllung der 2030-Ziele zu spät.
Wenn Europa auf Energieimport angewiesen ist, dann fragt sich nicht lange, welche klimaneutralen Energien wir importieren können. Im Fokus stehen flüssige Energieträger. Sie sind gut speicherbar und transportierbar, es baucht keine neuen Infrastrukturen. Strom scheidet wegen seiner Netzgebundheit aus, bei Wasserstoff sind Lagerung und Transport mit hohem Aufwand verbunden.
Diese flüssige Energieträger – allgemein als eFuels bezeichnet - sind als Derivate erneuerbarer Energieträger klimaneutral. Bei der Anwendung wird nicht mehr CO2 freigesetzt, als vorher der Atmosphäre entnommen wurde.
eFuels haben dieselben physikalischen Eigenschaften wie ihre fossilen Vorgänger Benzin, Diesel, Kerosin etc. Sie haben dieselbe Energiedichte und können in den wind-und sonnenreichsten Regionen der Erde zu günstigen Gestehungskosten produziert werden.
Derzeit werden rund um den Globus Milliarden Verbrennungsmotoren mit Diesel betrieben. Allein bei Pkw wird der Bestand auf 1,4 Mrd geschätzt. Sie gilt es künftig mit eFuels zu versorgen. Es gibt neben der Stilllegung aller Kohlekraftwerke – die leider Illusion in den nächsten zehn Jahren ist – kaum eine wirkungsmächtigere Maßnahme des Klimaschutzes. Sie wirkt sofort, wenn es einmal den Treib- und Kraftstoff gibt. Die Alternative, die Pkw- und Lkw-Fuhrparks von konventionellem Antrieb auf E-Motor umzustellen, greift nicht rasch genug, sie wirkt wohl frühestens, wenn überhaupt, mit einer Zeitverzögerung von 10 - 15 Jahren. Und vergessen wir nicht: neben den Pkw und Lkw gibt es Verbrennungsmotoren noch in vielen anderen Bereichen, von Notstromaggregaten in Spitälern über die Luft- und Schifffahrt, die nicht elektrifizierten Eisenbahnstrecken bis hin zur Fostwirtschaft, Landwirtschaft und Bauwirtschaft.
Technologische Vielfalt für den Klimaschutz
Sind die eFuels der „Tausendsassa“, der alle Probleme löst? Ich sehe eFuels in Kombination mit E-Mobilität, insbesondere dort wo der Strommix und die Infrastruktur passen. Technologievielfalt ist besser als alles auf eine Karte setzen. „Electric only“ ist der falsche Weg, weil er für den Bestand nicht greift und nicht auf die ganze Welt ausrollbar ist.
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Nun gibt es aber auch Bedenken gegen eFuels: (1) sie seien zu teuer, (2) der Wirkungsgrad wäre schlechter als bei E-Mobilität, (3) es gäbe einfach viel zu wenig eFuels, um sie auch im Straßenverkehr einzusetzen, die Mengen reichen nur für die Luftfahrt. Die Einwände sind aber leicht zu widerlegen.
Wenn wir die Erderwärmung begrenzen wollen, braucht es große mutige Lösungen.
Es ist nichts Neues, dass junge Technologien anfangs teuer sind, die Investitionskosten sind hoch, die Produktionsmengen vergleichsweise gering. Wir sahen es bei der Fotovoltaik, wir sehen es jetzt noch immer bei den E-Autos, deren Marktdurchdringung förderungsbasiert ist. Je früher wir in die Massenproduktion einsteigen, desto rascher kommt der Preisverfall, das gilt auch für die eFuels.
Von wegen es gäbe nicht genug eFuels: Die Volumina, die wir auf diesem Planeten erzeugen können, sind schier unbegrenzt. Die Sonne schickt uns mehr als genug Energie auf die Erde, und die Erdrotation liefert uns verlässlich ein unglaubliches Potenzial an Windkraft. Daher wird Strom nicht der Engpassfaktor sein. Wasserresourcen stehen an ausreichend vielen Plätzen der Erde zur Verfügung. Und CO2-Quellen sind auch nicht zu knapp verfügbar.
Für die Erfüllung des Pariser Klimavertrages ist es notwendig, die CO2-Emissionen der Mobilität schrittweise bis zur Mitte des Jahrhundert auf null zu reduzieren. Dazu braucht es die eFuels. Auch Entwicklungs- und Schwellenländer müssen sie sich leisten können. Deshalb sollte die EU alles daran setzen, dass sich die Spirale der Kostendegression rasch zu drehen beginnt. Daher macht es Sinn, auch den Pkw/Lkw-Sektor in der EU für die eFuels zu öffnen, einen besseren Investitionsturbo gibt es wohl nicht. Ein Vorweg-Eingrenzen der eFuels auf die Luftfahrt, wie von der Europäischen Kommission leider vorgeschlagen, macht keinen Sinn.
Der Klimawandel eröffnet auch Chancen, insbesondere für Technologieentwickler. Österreich ist als Land mit einer starken Energietechnikbranche prädestiniert, Technologievorreiter auf dem Gebiet der eFuels zu werden. Daher freue ich mich so darüber, dass Europas innovativste Power-to-Liquid (PtL) Anlage auf dem Dach der Grazer AVL eingebettet in den steirischen Automotiv-Cluster errichtet wird.
Im Projekt „Innovation Flüssige Energie“ werden – zunächst im Maßstab einer Demonstrationsanlage – CO2-neutrale synthetische Kraftstoffe erzeugt. Mit Hilfe von Ökostrom entstehen aus Wasser und Kohlendioxid Diesel, Naphtha und Wachse. Wichtiges Projektziel ist die Verbesserung des Wirkungsgrads um 37%.
Auch die Armen profitieren
Aber es gibt noch weitere Bedenken: Begeben wir uns mit den eFuels in neue Importabhängigkeiten? Viel weniger als bei E-Mobilität, wo die Abhängigkeit von China beobachtet wird, denn die Kriterien der Standortwahl sind in vielen Regionen erfüllbar und erlauben daher ein hohes Maß an Diversifikation.
Und um es noch weiter auf die Spitze zu treiben: Mündet die eFuel-Entwicklung nicht wieder in eine Art kolonialistischer Ausbeutung, „der reiche Norden holt sich im armen Süden, was er braucht“? Mitnichten, eFuels sind für diese Länder eine große Chance, sie würden selbst von fossilen Energieträgern leichter loskommen, sie würden lokale Wertschöpfung aufbauen, einerseits durch die Wind- und Solarparks, die auch instandgehalten werden müssen, andererseits aber auch durch die industrielle Erzeugung des Wasserstoffs und seiner Weiterverarbeitung an Ort und Stelle zu eDiesel, eBenzin und eKerosin. In den Ländern, in denen die eFuel-Produktionen errichtet werden, entstehen viele Arbeitsplätze.
Und rufen wir uns in Erinnerung, worum es geht: Um den globalen Klimaschutz und darum, die negativen Folgen der Erderwärmung einzudämmen. Die ärmeren Ländern sind auf den Klimaschutz am meisten angewiesen, da sie sich gegen die Folgen des Klimawandels, beispielsweise wiederholte, großflächige Überschwemmungen, nicht so gut wappnen können wie die reichen Länder.
Exportschlager eFuel in Reichweite
Gelingt der Entwicklungsprozess in Graz, ist die Tür offen für den Aufbau von Produktionsanlagen in vielen Weltregionen. Österreich ist beim Export nachhaltiger Technologien jetzt schon ein Spitzenreiter. Mit den eFuels kann ein neues Kapitel der Erfolgstory Umwelttechnik made in Austria aufgeschlagen werden.
https://youtu.be/uZDHmm1uMKg
Automotive Talk 2021- Klimaneutralität im Verkehr mit E-Mobilität und eFuels. Zu Gast im Studio waren DI Andreas Reinhardt, Vorsitzender des Bundesverbands Elektromobilität Österreich, und Mag. Jürgen Roth, Vorstandsvorsitzender der eFuel Alliance Austria