Kommentar : Die neue NoVA ist keine CO2-Steuer sondern eine Industrie- und Gewerbeabgabe
Eines steht fest: Die Erhöhung der NoVA ist eine schwere Belastung für die Automobilindustrie und für gewerbetreibende Käufer von leichten Nutzfahrzeugen. Denn erstmals werden nicht nur Pkw, sondern auch als Lkw zugelassene Transportfahrzeuge mit der NoVA belegt. Diese richtet sich nach dem CO2-Ausstoß der Fahrzeuge je 100 Kilometer. Damit werden nicht nur privat genutzte Pick-ups sondern vor allem auch gewerblich genutzte, großvolumige Transportfahrzeuge beim Kauf massiv besteuert. Je nach Modell und Aufbauvariante sind ab Juli 2021 tausende Euro NoVA fällig. Die Abgabe wird schrittweise erhöht, wodurch sich einzelne Fahrzeuge bis 2024 sogar um bis zu 24.255,- Euro verteuern. Das ist nicht nur ein Schock für die ohnehin schwer angeschlagene Automobilwirtschaft, die 2020 ein äußerst herausforderndes Jahr hinter sich hat. Die Abgabe trifft vor allem auch die Käufer der Fahrzeuge. Viele werden die Neuanschaffung vorziehen, um bis Juni 2021 noch in den Genuss der alten Regelung zu kommen. Hier gilt zu beachten: wer vor 1. Juni bestellt und das Fahrzeug bis 1. November geliefert bekommt, der kauft noch nach der alten NoVA-Regelung. (Achtung: Die Lieferfrist unbedingt mit dem Händler vertraglich fixieren!). Danach könnte es aber sein, dass Anschaffungen von Neufahrzeugen hinausgezögert werden und Altfahrzeuge länger genutzt werden, weil neue Transporter für einige Unternehmer schlicht unbezahlbar werden.
Keine Lenkungseffekt gegen „Stinker“
„Die Stinker werden teurer“, resümierte Vizekanzler Werner Kogler über die angeblichen Segnungen der NoVA-Reform für Umwelt und Bevölkerung. Aber stimmt das auch? Nein, sagen Experten, denn: CO2 ist ein geruchloses Gas, das auch natürlich in unserer Atmosphäre vorkommt. Das Problem ist in diesem Fall also nicht die Luftverschmutzung, sondern die Rolle, die CO2 bei der Erderwärmung als sogenanntes Treibhausgas spielt. Bei der Luftverschmutzung spielen NOx und Feinstaubemissionen eine wesentliche Rolle – diese werden jedoch mit der Euro-6-Technologie zur Abgasnachbehandlung bei modernsten Fahrzeugen weitgehend herausgefiltert. Neue Fahrzeuge sind folglich, vom Standpunkt der Luftverschmutzung gesehen, sauberer als alte. Diese werden nun aber durch die NoVA massiv verteuert.
Die NoVA besteuert außerdem nur einmalig den CO2-Ausstoß laut WLTP-Messverfahren bei der Zulassung. Ob, wieviel und zu welchem Zweck das Fahrzeug bewegt wird, ist für die Bemessung der NoVA vollkommen irrelevant. Besteuert werden also die Fahrzeugindustrie, der Fahrzeughandel, gewerbliche Nutzer und letztendlich auch die Konsumenten, an die die Preissteigerungen in irgendeiner Form weitergegeben werden müssen. Ob sich dadurch ein umweltpolitischer Lenkungseffekt ergibt, wird von Martin Grasslober, Leiter Verkehrswirtschaft beim ÖAMTC, stark bezweifelt: „Die NoVA besteuert die CO2-Emissionen in den Papieren und nicht das, was auf der Straße passiert“, bringt es der Experte auf den Punkt. Eine echte CO2-Steuer ist die NoVA also keineswegs. Eine solche gibt es aber bereits, nämlich die Mineralölsteuer (MöSt), die für jeden konsumierten Liter Kraftstoff fällig wird. Laut ÖAMTC wird jede Tonne CO2-Ausstoß von Dieselfahrzeugen durch die MöSt mit 163 Euro belegt, bei Benzin sind es sogar 225 Euro. Die Möst besteuert also, anders als die NoVA, den realen Verbrauch und die Emissionen bei der Fahrzeugnutzung und nicht nur einmalig den Fahrzeugkauf.
Weiterhin von der NoVA befreit bleiben alle E-Fahrzeuge. Ein möglicherweise beabsichtigter Lenkungseffekt wäre also, dass Kunden von Nutzfahrzeugen nun verstärkt auf batterieelektrische Fahrzeuge setzen. Allerdings hat dieser Ansatz einen schweren Haken: Großvolumige Elektro-Transporter mit mehreren hundert Kilometern Reichweite sind derzeit noch nicht am Markt verfügbar. Für viele Anwendungen ist der dieselmotorisch angetriebene Lieferwagen daher heute noch alternativlos.
Und noch eines ist bei der Neuregelung der NoVA bemerkenswert: Das bereits vom Nationalrat verabschiedete Gesetz wurde nicht als formelle Regierungsvorlage im Parlament eingebracht, sondern als Initiativantrag. Die (erwünschte) Nebenwirkung: ein lästiges Begutachtungsverfahren, wie es sonst Usus ist, entfällt. Natürlich darf der Gesetzgeber auch gegen Branchen- und Partikularinteressen im Sinne einer größeren Zielsetzung entscheiden – man muss bei der Besteuerung des Automobils nicht immer nur auf die Autoindustrie hören. Die Vorgehensweise bei der Gesetzgebung ohne Begutachtungsverfahren offenbart dennoch ein merkwürdiges Demokratieverständnis jener, die derzeit an den Schalthebeln der Macht sitzen. Es ist nicht das erste Gesetz, das auf diesem Wege in der laufenden Legislaturperiode zustande kommt. Und so wie die aktuelle Regierung ihre derzeitigen Machtbefugnisse auskostet, dürfte es auch nicht das Letzte gewesen sein.