Emissionsfreie Lkw : Batterien zu schwer und Wasserstoff zu teuer?
Das hohe Gewicht und die vergleichsweise langen Ladezeiten schrecken die Kunden derzeit noch mehrheitlich vom Kauf batterieelektrischer Lkw ab. Vittore Fulvi betreibt im italienischen Perugia eine Spedition mit 60 Diesel-Lkw und rechnet vor, dass der Einsatz von Elektro-Lkw die Ladekapazität um 15 Prozent verringern würde. „Wir müssten mehr Lastwagen kaufen, mehr als einen zusätzlichen für jeweils zehn, die wir schon haben. Das ist nicht machbar“, sagt der Firmeninhaber. Als Alternative sieht er wasserstoffbetriebene Lkw.
Der Vorteil von Wasserstoff-Fahrzeugen: Sie sind deutlich leichter, müssen nur wenige Kilogramm Wasserstoff tanken und können deshalb schwerere Lasten transportieren. Hinzu kommt: Der Wasserstoff ist an Tankstellen in wenigen Minuten getankt, die Fahrzeuge stehen nicht lange an Ladesäulen. Außerdem werden deutlich weniger Seltene Erden benötigt, da Batterien zwar nicht ganz wegfallen, aber deutlich kleiner ausfallen können als bei Batteriefahrzeugen.
Der Nachteil: Bei der Brennstoffzellentechnologie ist noch mehr Entwicklungsarbeit nötig als bei Elektro-Lkw. Außerdem fehlt es bislang an grünem Wasserstoff. Dieser ist vergleichsweise teuer und es streiten sich auch viele andere Interessenten darum, etwa die Stahlindustrie, die damit Kohle und Erdgas beim Erzkochen ersetzen wollen. Zudem benötigt die Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse viel Strom: Der Wirkungsgrad von Brennstoffzellenfahrzeugen ist deutlich geringer als der von Batterieautos.
„Fakt ist, dass wir sowohl Batterie-Fahrzeuge als auch Wasserstoff brauchen“, sagte Daimler-Truck-Chef Martin Daum zu Reuters. „Für Batterie-Lastwagen wird so viel Energie benötigt, dass ich Engpässe in unserem Stromnetz sehe.“
Betankungszeit, Reichweite und Kosten sind zentrale Kriterien
Für die britische Supermarktkette Asda, die derzeit 1.000 große Diesellastwagen einsetzt, um die Supermärkte von zentralen Depots aus zu beliefern, machen vor allem die Betankungszeit und die Reichweite die Technologie interessant. „Ich verschließe mich den Batterien nicht gänzlich, aber der Vorteil von Wasserstoff ist, dass die Fahrzeuge nicht beim Laden herumstehen und dass sie eine bessere Reichweite schaffen“, sagt Fuhrparkleiter Sean Clifton. Der Spediteur Horst Kottmeyer aus Bad Oeynhausen, der eine Flotte von rund 200 Lkw betreibt, stimmt zu: „Der Kunde gibt den Takt vor, mit Zeitfenstern“. Nicht immer sei Zeit, Batteriefahrzeuge aufzuladen – da seien Wasserstoff-Lkw im Vorteil, weil sie schneller betankt werden könnten.
Bislang mangelt es aber nicht nur an Fahrzeugen, sondern auch an Wasserstofftankstellen. H2 Mobility betreibt nach eigenen Angaben das weltweit größte Tankstellennetz, hinzu kommen einige weitere Anbieter. Insgesamt gibt es laut H2 Mobility in Deutschland knapp 100 Tankstellen, vor allem an Autobahnen und in Großstädten. Ein weiteres Manko sind die Preise für Wasserstoff. Rund 13 Euro sind bei H2 Mobility für ein Kilo fällig. Damit sich Wasserstoff im Verkehr lohnt, muss der Preis drastisch sinken, sagen Brancheninsider - als Schwelle werden vier Euro pro Kilo genannt. „Den Kunden geht es um den Preis“, sagt Spediteur Kottmeyer.
Doch die Expansion kommt. In den USA stehen im Rahmen des Inflation Reduction Act (IRA) Gelder für den Aufbau einer Tankstelleninfrastruktur zur Verfügung, was nach Einschätzung von Experten die Entwicklung von Brennstoffzellen-Nutzfahrzeugen vorantreiben wird. Ziel ist es, den Preis für Wasserstoff drastisch zu senken. Auch in der Europäischen Union steht das Thema auf der Agenda. „Dank des IRA bewegen sich Dinge in den USA schneller“, sagt Philippe Rosier, Chef des französischen Brennstoffzellenherstellers Symbio, einem Joint Venture von Faurecia und Michelin, an dem auch der weltweit drittgrößte Autohersteller Stellantis beteiligt ist. Bis 2026 wolle man in den USA für Wasserstoff-Pick-up-Trucks bereit sein, sagte Rosier. Der Markt für Wasserstofffahrzeuge soll bis 2030 auf zwei Millionen pro Jahr wachsen – Symbio strebt einen Marktanteil von zehn Prozent an.
Asiatische Hersteller bei Brennstoffzelle führend
Technologisch sind asiatische Hersteller führend: Toyota beispielsweise hat Tausende von Patenten für Brennstoffzellen und deren Komponenten angemeldet, europäische und US-amerikanische Unternehmen liegen hier deutlich zurück. Technisch ist der Unterschied zwischen PKW und Nutzfahrzeugen bei Brennstoffzellen gering: In größeren Fahrzeugen werden einfach mehr Zellen zusammengefasst, der Aufbau selbst ändert sich im Gegensatz zum Verbrennungsmotor nicht. Daimler Truck kooperiert auf diesem Gebiet mit Volvo. Innerhalb eines Jahrzehnts sollen bis zu 15 Milliarden Euro in die Technologie investiert werden, sagte Daimler-Truck-Chef Daum.
Traton konzentriert sich auf Batterie-Lkw
Der Traton-Konzern hingegen konzentriert sich nach den Worten seines Chefs, Christian Levin, derzeit auf batteriebetriebene Lkw. Brennstoffzellen-Lkw seien ab Anfang der 2030er Jahre eine mögliche Ergänzung, sagte MAN-Technikvorstand Frederik Zohm. Gemeinsam mit Bosch, Faurecia und ZF entwickelt MAN einen Brennstoffzellen-Lkw, der Mitte 2024 im Rahmen eines Pilotprojekts an fünf Kunden ausgeliefert werden soll.
Bis Spediteure in größerem Umfang Brennstoffzellen-Fahrzeuge in ihre Flotten aufnehmen können, wird es noch dauern. Für die nächsten Jahre seien batteriebetriebene Lkw die Fahrzeuge der Wahl, sagt MAN-Technikvorstand Zohm: Die Batterietechnik sei technologisch so ausgereift, dass sie in Serienfahrzeugen eingesetzt werden könne – Wasserstoff sei dann ein Thema für die 2030er Jahre.
(APA/Reuters - red.)