CMR-Fall : Ware an falschen Käufer zugestellt – Wer haftete für den Schaden?
Der Fall: Der Kläger des Rechtstreits hatte seinen Sitz in Italien, der von einem französischen Unternehmen beauftragt wurde, eine LKW-Ladung Lithium-Ionen-Batterien zu liefern. Beim Käufer handelte es sich um die Firma „I. SAS“, so der Verkäufer. Die üblichen Prüfungen des Verkäufers haben ergeben, dass die Firma am angegebenen Ort seinen Firmensitz hatte und einen guten Ruf genieße, so die Ergebnisse der vorvertraglichen Prüfungen des Verkäufers. Folglich kam der Kaufvertragsabschluss zustande. Insgesamt ging es um 17 Tonnen, die von Italien nach Großbritannien transportiert werden sollten. Dazu beauftragte die Firma „M. SA“ einen deutschen Spediteur. Ein Herr „P“ änderte per E-Mail nach Auftragserteilung die Anlieferanschrift mit Ziel England. Der Spediteur gab den Beförderungsauftrag an einen österreichischen Frächter weiter, der wiederum den Auftrag an einen Subfrächter mit Sitz in Ungarn vergab, die Komplettladung beim Verkäufer in Italien zu übernehmen. Dessen LKW-Fahrer übernahm die Ladung beim Verkäufer. Der Verkäufer berechnete dem französischen Käufer den vereinbarten Kaufpreis in Höhe von 58.740 Euro.
Wenn der Spediteur hätte haften müssen, so hätte der Kläger den vollen Schadenbetrag bekommen.Dies ergibt sich aus der Berechnung des Schadensgewichts multipliziert mit dem Gegenwert 8,33 Sonderziehungsrechte je Kilogramm der verlustigen Bruttomasse der Ladung, so Artikel 23 CMR.
Als der Verkäufer sich beim Käufer informierte, ob a) die Ladung gut angekommen und er b) mit dem Gut zufrieden gewesen sei, kam heraus, dass die Firma „I SAS“ von dem Geschäftsvorgang keinerlei Kenntnis habe. Weitere Untersuchungen ergaben, dass kein autorisierter Mitarbeiter einen Kaufvertrag mit dem Verkäufer geschlossen hatte, so das Ergebnis der internen Überprüfung der Firma „I SAS“. Der Verkäufer verklagte den deutschen Spediteur auf vollen Schadensersatz beim Landgericht (LG) Saarbrücken. Wiederum erklärte der Spediteur dem österreichischen Frächter den Streit und trat ihm bei. Das gleiche unternahm der Frächter gegenüber dem von ihm beauftragten Subfrächter, der dem Gerichtsprozess ebenso beigetreten war. Der Hauptvorwurf des Klägers basierte darauf, dass die Ladung an einer nicht berechtigten Firma in England abgeliefert und folglich in Gänze in Verlust geraten sei. Dagegen meinten der Spediteur, der Frächter und der Subfrächter, dass die Schadensersatzklage abzuweisen sei. Denn dem Verkäufer stehe nach den Bestimmungen über den Beförderungsvertrag im grenzüberschreitenden Güterverkehr (CMR) schon deswegen kein Schadensersatz zu, weil der Verkäufer nicht der Transportvertragspartner des Spediteurs gewesen sei. Den CMR-Transportauftrag habe der Spediteur von Herrn „D.P.“ des Unternehmens „M SA“ bekommen. Darüber hinaus verletzten die Frachtparteien keine transportvertraglichen Pflichten, so die weitere Argumentation des Spediteurs, des Frächters und des Subfrächters.
Das Urteil: Das LG hatte die Klage abgewiesen (AZ: 17 HK 0/16). Folglich ging der Kläger in Gänze leer aus. Denn dem Kläger stehe gegenüber dem Spediteur „unter keinem rechtlichen“ Aspekt ein Schadensersatzanspruch zu.
Die Feststellung der Identität des Güterempfängers ist ‚allein der Risikosphäre‘ des Warenverkäufers zuzuordnen.
Der Tenor: Ein Warenverkäufer, der sein Produkt auf der Basis Incoterms „Ab Werk“ verkaufe, kann keinen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Spediteur geltend machen. Ihm fehle die „Aktivlegitimation“, die im vorliegenden Rechtsstreit außerhalb des Transportvertrages liege. Eine „Aktivlegitimation“ des Klägers ergebe sich auch nicht „aus drittschützenden Normen des britischen Rechts“. Außerdem meinte das LG, dass den Prozessparteien auf der Beklagtenseite kein pflichtwidriges Verhalten erfolgreich vorgeworfen werden könne. Weiter sagte das Gericht, dass die Ladung vereinbarungsgemäß geladen und auch in England zugestellt worden sei. Darüber hinaus lägen auch keine Fallumstände vor, anhand derer sich für den LKW-Fahrer hätte aufdrängen müssen, dass die Zustellung der Ware am Zielort in einem Güterverlust enden könnte. Anders als vom Kläger behauptet worden, handelte es sich, so das LG in seinem weiteren Tenor, am Zielort nicht um ein Gebiet, das mit verfallenen „Industrieanlagen“ sowie mit havarierten Kraftfahrzeugen beschrieben werden könne. Vielmehr sei festzustellen, dass der Zielort ein Bild abgebe, das für Gewerbegebiete typisch sei, so das Gericht. Die Rüge des österreichischen Frächters, dass der Kläger nicht aktivlegitimiert gewesen sei, folgte das Gericht, wie bereits oben ausgeführt. Zudem teilte das Gericht die Auffassung des ungarischen Subfrächters, dass ein Schadensersatzanspruch aus Artikel 17 Absatz 1 CMR bereits deshalb nicht durchgreifen könne, weil die Ladung dem bestimmungsgemäßen Empfänger zugestellt worden sei. Fakt sei, so das LG, dass der Kläger, - dies stehe außer Streit - nicht den Spediteur beauftragte, den Transport auszuführen. Daher sei er im transportrechtlichen Sinne weder Absender noch Empfänger. Folglich könne er sich nicht erfolgreich auf Artikel 17 Absatz 1 CMR berufen. Zudem sei festzuhalten, dass die Ware sich nicht im Gewahrsam des Spediteurs befunden habe. Obendrein meinte das LG, dass ausweislich des ausgestellten Frachtbriefs, eine Anlieferung an die Firma „I. SAS“ in England nicht vereinbart worden sei.
Die Feststellung der Identität des Güterempfängers sei „allein der Risikosphäre“ des Warenverkäufers zuzuordnen. Dies begründete das Gericht wiederum damit, dass der Verkäufer ein direktes Vertragsverhältnis mit dem Käufer habe. Außerdem meinte der Richter, dass es dem Frächter weder möglich gewesen sei noch sei er verpflichtet gewesen, „weitere Aufklärung“ vorzunehmen. Seine Pflicht sei es gewesen, das Gut vollständig am vereinbarten Bestimmungsort zuzustellen. Dieser Pflicht sei er nachgekommen.