Tatsache ist, dass sowohl Österreich als auch die Bundesrepublik Deutschland maßgeblich dazu beigetragen haben, dass die Bestimmungen über den Beförderungsvertrag im grenzüberschreitenden Güterverkehr (CMR) als eine Erfolgsgeschichte gelten, die bis heute anhält. Denn beide Staaten gehören zu den Gründungsmitgliedern, neben acht weiteren Staaten, die die CMR-Konvention schafften.
Die ständige Judikatur des Obersten Gerichtshofs (OGH) in Wien vertritt seit 1974 die Rechtsansicht, dass der Rechtsverweis im Artikel 29 CMR „auf das nationale Recht am Ort des Gerichtsstands in Österreich auf das allgemeine österreichische Zivilrecht zu verstehen sei. Dies tat er zuletzt in einem Fall, der unter dem Aktenzeichen (AZ) 7 Ob 184/18 m geführt wird. Somit gilt mit Bezug auf §§ 1332 f. Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch, dass die grobfahrlässige Schadensverursachung dazu führe, dass der Frächter im Schadensfall unbeschränkt gegenüber dem Anspruchsteller hafte. Diese Rechtsauffassung, die der Bundesgerichtshof (BGH) folgte, hat er nach der deutschen Transportrechtsreform, die fand im Jahre 1998 statt, verändert. Nach dem neu geschaffenen § 435 des deutschen Handelsgesetzbuchs (HGB) haftet der Frächter nur dann mit Bezug auf Artikel 29 CMR im Schadensfall (Verlust/Beschädigung) unbegrenzt, wenn der Frächter den Schaden mit Vorsatz oder leichtfertig verursachte. Gleichzeitig muss die Voraussetzung erfüllt sein, damit der Frächter in einem Güterschadensfall voll haftet, dass er im Bewusstsein handelte, dass wahrscheinlich ein Schaden eintreten werde. Im Übrigen gilt dies auch für Verspätungsschäden. Bis heute hält Österreich - trotz umfassender Kritik in der Wissenschaft - an seiner Rechtsprechung fest. Vor dem Hintergrund vorstehender Ausführungen versuchen auch deutsche Transportversicherer, sollte der Artikel 31 CMR dies zulassen, den Frächter in Österreich zu verklagen, weil eine Haftungsdurchbrechung bereits bei Feststellung von grober Fahrlässigkeit absolut möglich ist.
Dem Grunde und der Höhe nach berechtigte Schadensersatzansprüche können in Österreich und in Deutschland nur dann erfolgreich vor den zuständigen Gerichten durchgeboxt werden, wenn sie noch nicht bei Einreichung der Klage verjährt gewesen waren. Die Verjährungsfrist beträgt für Schadensersatzansprüche gemäß Artikel 32 Absatz 1 Satz 2 CMR drei Jahre. Diese Frist greift aber nur dann, wenn sich der Anspruchsteller erfolgreich auf Artikel 29 CMR berufen kann. Ansonsten verjähren Ansprüche nach Artikel 32 Absatz 1 CMR bereits nach Ablauf eines Jahres. Erwähnenswert ist, dass der BGH die vorstehende Verjährungsfrist auf alle Ansprüche, die dem geschlossenen CMR-Frachtvertrag unterliegen, unterwirft (AZ: IZR 31/08). Dazu gehört das vereinbarte Transportentgelt, dass der Kunde dem Frächter im Sinne des Artikels 29 CMR nicht zahlt. Die Richter am OGH haben sich in der Zwischenzeit dieser Rechtsprechung des BGH angeschlossen (AZ: 7 Ob 74/11 z.).
Problematisch könnte es für den Hauptfrächter sein, wenn er kurz vor dem Ende des Verjährungseintritts vom Absender in Anspruch genommen wird und zu diesem Zeitpunkt der Rekurs gegenüber dem Unterfrächter ggf. bereits verjährt ist. Denn die spezielle Verjährungsregelung des Artikel 39 Absatz 4 CMR findet lediglich bei auf aufeinanderfolgende Frächter Anwendung, dies mit Bezug auf das Kapital VI. des CMR-Regimes. Österreich löst derartige Fälle praxisorientiert, d.h. die Verjährungsfrist beginnt nicht vor Schadenseintritt. Außerdem auch nicht vor dem Zeitpunkt, zu dem die Geltendmachung des Claims hätte in Angriff genommen werden können. Ergebnis: Der OGH bindet sich nicht an Artikel 32 Absatz 1 CMR. Wie sich dazu zukünftig der BGH positioniert, ist abzuwarten.