Fernverkehr : Sattelzugmaschinen im Vergleich: Wer ist der Spritsparkönig?

Euro Truck Test Teilnehmer
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Das deutsche Fachmagazin Trucker kürt in seinem jährlichen Vergleichstest den besten Lkw der jeweiligen Klasse. Heuer traten nur drei Kontrahenten gegeneinander an: MAN, Mercedes-Benz und Scania. Das Teilnehmerfeld bewegte sich mit 410 bis 430 PS im eher leistungsschwachen Segment. Auch die Kabinen waren ein Kompromiss zwischen Platzangebot und Aerodynamik: Die GM-Kabine von MAN, das StreamSpace-Fahrerhaus von Mercedes und die R-Highline-Kabine von Fahrerhaus lassen das Trucker-Herz nicht unbedingt höherschlagen. Sie bieten aber dennoch ein vernünftiges Platzangebot und schrauben dabei den Spritverbrauch nicht durch ausufernde Abmessungen in die Höhe. Kurzum: die getesteten Fahrzeuge waren so konfiguriert, dass sie sowohl den Kriterien der Wirtschaftlichkeit als auch den Bedürfnissen der Fahrer Rechnung tragen. Die Auslotung eines Kompromisses, die wohl in vielen Transportunternehmungen zum Alltag beim Beschaffungsvorgang gehört.

Das wichtigste beim Lkw-Test von Fernverkehrslastwagen ist die Verbrauchsmessung: Trucker-Cheftester Jan Burgdorf (Bildmitte) achtet mit Taschenlampe und Argusaugen akribisch darauf, dass kein Tropfen zu viel oder zu wenig nachgetankt wird

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Fahrleistung und Verbrauch

Anhand von exakten Verbrauchsmessungen ermittelte Cheftester Jan Burgdorf das sparsamste Fahrzeug unter den Teilnehmern. Damit eine Beeinflussung des Testergebnisses durch Wetter und Verkehr weitestgehend ausgeschlossen ist, wurde die Messfahrt von einem Referenzfahrzeug begleitet. Der Trucker-Test ist damit neben der European Truck Challenge (ETC) einer der renommiertesten und aussagekräftigsten Vergleichstests im europäischen Raum.

Die Motorleistung aller Fahrzeuge war für die gestellte Aufgabe absolut ausreichend: Auf der 343 Kilometer langen Teststrecke durch Bayern galt es einen teilbeladenen Krone-Auflieger mit 24 Tonnen zu ziehen. Zusammen mit dem Gewicht der Zugmaschine lag das Gesamtgewicht also unter 32 Tonnen. Unterschiede in der Fahrleistung zeigten sich bei der Motorcharakteristik in Kombination mit der jeweils gewählten Übersetzung. Der Scania R 410 mit 2.150 Newtonmetern Drehmoment war das nominell schwächste Fahrzeug am Start. Durch die kurze Hinterachsübersetzung von 2,59 musste der Schwede aber als einziges Fahrzeug auf der gesamten Teststrecke nie zurückschalten. Dabei half auch die große Elastizität des Motors nach unten hin, wodurch der GPS-Tempomat die Drehzahl am Berg auch auf 800 Touren absinken lassen konnte. Bei Tempo 85 war der 410er dann allerdings mit 1.200 Umdrehungen unterwegs, was im Dauerlauf auf ebener Strecke nicht die wirtschaftlichste Fahrleistung verspricht. Aber der Scania behielt damit trotz schwächster Nennleistung seine gewohnte Agilität und absolvierte die Strecke mit der höchsten Durchschnittsgeschwindigkeit bei einem passablen Verbrauch von 23,53 Litern. Beim Spritverbrauch schnitt der MAN mit nur 23,41 Litern etwas besser ab, wobei der Unterschied nur knapp über einen Zehntelliter betrug. Dafür musste der bayrische Löwe am Berg öfter schalten, da seine lange Hinterachsübersetzung für einen möglichst ökonomischen Dauerlauf in der Ebene konfiguriert wurde. Das wirkte sich natürlich negativ auf die Durchschnittsgeschwindigkeit aus. Öfter Schalten am Berg musste auch der Actros, allerdings weniger aufgrund der Übersetzung, sondern weil das maximale Drehmoment des Mercedes erst ab 1.100 Umdrehungen anliegt. Das Verbrauchsergebnis lag mit 23,7 Litern aber nur um 0,29 Liter höher, als das des MAN, die Durchschnittsgeschwindigkeit im Mittelfeld.

MAN TGX 18.430 im Test

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MAN TGX 18.430 – Der Komfortable

Der MAN ist das neueste Auto im Testfeld. Insgesamt ist das Fahrzeug sehr gut gelungen und punktet mit einigen praktischen Details. Großen Wert haben die Konstrukteure auf die Benutzerfreundlichkeit gelegt. Zentrales Element zur Interaktion mit dem mittigen Multimediadisplay ist ein ergonomisch optimiertes Multifunktionswählrad. Damit gestaltet sich beispielsweise die Bedienung des Radios während der Fahrt spielend einfach und intuitiv. Darüber hinaus punktet die Kabine mit dem besten Bett im Testfeld. Lattenroste und Kaltschaummatratzen auf beiden Liegen sorgen für optimalen Komfort. Das Kopfteil ist zudem höhenverstellbar. Großzügige Staufächer mittig über der Liege und zwei USB-Ladebuchsen sind äußerst praktisch.

Auch der Einstieg des MAN wurde nochmals verbessert: Die Lenksäule lässt sich komplett senkrecht stellen und die Tür bis 90 Grad vollständig öffnen. Dadurch steht dem Fahrer maximaler Raum beim Einsteigen zur Verfügung. Ein nettes Detail sorgt zudem dafür, dass das Einsteigen manchmal entfallen kann: Im unteren Bereich der Fahrertüre finden sich einige frei konfigurierbare Tasten, mit denen sich der Fahrer den Weg ins Cockpit ersparen kann. So kann man beispielsweise ohne einzusteigen die Pannenblinkanlage aktivieren.

Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal ist die Bedienung des Retarders: Während man bei den anderen Fahrzeugen die Dauerbremsanlage durch Rückstellung des Hebels manuell deaktivieren muss, schaltet sich der Retarder des MAN automatisch aus, sobald das Gaspedal betätigt wird. Diese Funktionsweise ist ein MAN-Spezifikum, das man bereits von früheren Fahrzeuggenerationen her kennt. Allerdings wurde die Bedienung der Dauerbremsanlage nun nochmals überarbeitet und intuitiver gestaltet.

Ein weiterer Pluspunkt ist die Bedienung des Tempomaten: Alle Einstellungen erfolgen mittels Direktwahltasten am Lenkrad, ohne dass der Lenker dafür in ein Menü einsteigen muss. Das ist praktisch, wenn es zum Beispiel darum geht, die Geschwindigkeitsspreizung des GPS-Tempomaten zu verändern. Der MAN bietet hier unter allen Testkandidaten die benutzerfreundlichste Lösung.

Scania R 510 im Test

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Scania R 510 – Der Agile

Von allen getesteten Fahrzeugen hat der Scania die agilste Lenkung und das angenehmste Lenkrad. Selbiges ist unten abgeflacht, wodurch auch etwas voluminöseren Fahrern genug Freiraum hinter dem Steuer geboten wird. Erstmals gibt es bei den Schweden nun auch eine elektromechanische Lenkung. Diese ist äußerst leichtgängig benötigt so gut wie keinen Kraftaufwand, sogar Kreisverkehre lassen sich mit nur einer Hand am Steuer durchfahren. Ebenfalls top ist die Straßenlage und die Stabilität des Fahrwerks in den Kurven. Einziger Kritikpunkt: bei höheren Geschwindigkeiten könnte die Lenkung eventuell ein klein wenig straffer sein, aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Aufgrund der weit nach vorne gerückten Sitzposition und der schlanken A-Säulen ist der Scania auch das Fahrzeug mit der besten direkten Sicht auf die Straße. Und in der Verzögerung besticht der Truck mit seinem äußerst kräftigen Retarder. Praktisch ist auch, dass sich die automatische Kopplung der Dauerbremsanlage mit der Betriebsbremse direkt am Retarderhebel mittels eines Schiebeschalters aktivieren und deaktivieren lässt, ohne dass der Lenker dafür ins Fahrzeugmenü einsteigen muss.

Der Sitzkomfort ist hervorragende. Dafür vermisst man als Fahrer im Cockpit einen elektrischen Sonnenblende-Vorhang. Es gibt lediglich ein nach unten klappbares Plastikschild, wie man es aus dem Pkw-Bereich kennt. Das ist heute einfach nicht mehr zeitgemäß und während der Fahrt ist die Sonnenblende auf der Beifahrerseite absolut unerreichbar. Einziger Vorteil dieser Lösung: Elektronik, die nicht verbaut wurde, kann auch nicht kaputt gehen. Andererseits könnte man mit diesem Argument wohl jede technische Innovation abwürgen – die Sonnenblende im Scania ist schlichtweg eine Lösung von vorgestern und gehört geändert! Ebenfalls verbesserungswürdig ist das Bett. Für eine Marke die derartig auf ihr King-of-the-Road-Image unter den Lkw-Fahrern bedacht ist, überrascht es doch, dass der Scania in Sachen Liegekomfort das Schlusslicht im Testfeld darstellt.

Mercedes Actros 1842 im Test

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Mercedes Actros 1842 – der Assistierende

Was die Assistenzsysteme betrifft, ist Mercedes absolut top: Mit dem Active Drive Assist (ACC) fährt, lenkt und bremst das Fahrzeug auf der Autobahn quasi von selbst. Der Unterschied zu einem normalen Abstandsregeltempomaten mit aktivem Spurhalteassistenten ist, dass die Lenkeingriffe proaktiv und vorausschauend erfolgen. Das Fahrzeug bleibt also stets sauber in der Spur, der Fahrer muss lediglich die Hand am Steuer haben. Auf der Autobahn funktioniert das System hervorragend. Es entlastet den Fahrer, verringert die Ermüdung während der Fahrt und erhöht die Verkehrssicherheit.

Abseits der Autobahn ist der ACC wenig hilfreich, da die Spur oft nicht eindeutig erkannt wird und auch häufig unterbrochen ist. Allerdings passt sich die Geschwindigkeit bei gesetztem Tempomat mit der Funktion „PCC interurban“ automatisch der Strecke und bestehenden Geschwindigkeitsbegrenzungen an. Das ist allerdings schon ein bisschen zu viel der Assistenz: Mancher Lenker fühlt sich womöglich sicherer, wenn er auf der Landstraße selbst die Geschwindigkeitsregelung vornimmt, ohne sich dabei vom Assistenten leiten zu lassen. Auch das ist selbstverständlich möglich, dazu muss man allerdings in das Menü des Bordcomputers einsteigen, um die Funktion zu deaktivieren.

Ein Alleinstellungsmerkmal sind die Spiegel des Mercedes: Der Actros ist das erste und bislang einzige Fahrzeug am Markt mit serienmäßigen elektronischen Außenspiegeln. Das bringt einige Vorteile, weil der Lenker nur mehr zur A-Säule blicken muss, um in die dort angebrachten Spiegeldisplays zu schauen. Eine Drehung des Kopfs ist dazu nicht notwendig und die Ablenkung vom Geschehen vor dem Fahrzeug ist wohl geringer, als bei einem Blick in den herkömmlichen Spiegel. Praktisch ist auch die Funktion der Trailerverfolgung: Die Kamera schwenkt in Kurven so, dass das Ende des Aufliegers stets im Bild bleibt. Der Blickwechsel zum Weitwinkelspiegel entfällt daher. Zusätzlich befindet sich die Warnanzeige des optionalen Totwinkelassistenten direkt im Spiegeldisplay und damit im unmittelbaren Aufmerksamkeitsbereich des Lenkers beim Abbiegevorgang.

Ein Nachteil des elektronischen Spiegels ist, dass das räumliche Sehen durch die Kameraübertragung verloren geht. Das richtige Einschätzen von Entfernungen ist über einen Bildschirm schwer möglich. Kompensiert wird dies von Mercedes durch Distanz-Markierungen im Spiegeldisplay: So zeigt zum Beispiel eine Linie das Ende des Aufliegers an. Das ist auch durchaus hilfreich beim Reversieren, wenn es darum geht, den Trailer so nahe wie möglich an die Rampe zu manövrieren.

Das StreamSpace-Fahrerhaus des Actros bietet ein großzügiges Raumgefühl und Stehhöhe im Inneren. Es ist auch die einzige Kabine ohne Motortunnel im Feld der Testkandidaten. Die Federung und Kabinenaufhängung könnte man hingegen noch etwas verbessern, hier ist der Actros das Schlusslicht im Testfeld. Dass man als Fahrer manchmal leicht geschüttelt wird, könnte aber auch an den langen Schaltvorgängen liegen, die dem flüssigen Beschleunigen nicht unbedingt zuträglich sind. Das zügige, ruckfreie Anfahren aus dem Stand zählt ebenfalls nicht unbedingt zu den Stärken des Mercedes. Auch die Geräuschkulisse, die zum Ohr des Lenkers durchdringt, könnte noch besser gedämpft werden. Und der Fahrersitz bedarf dringend einer Überarbeitung: Der Sitzverstellungshebel zum Vor- und Zurückfahren ist viel zu weit unten und damit schwer erreichbar.