Baufahrzeuge : Scania XT 500 Kippsattel im Test

© Sebastian Weber

Zahlreiche Lkw-Hersteller bieten inzwischen einen hydraulischen Zusatzantrieb für Sattelzugmaschinen an, der im Gelände zusätzliche Traktion auf die Vorderräder bringt. Der Vorteil gegenüber einem mechanischen Allrad liegt im geringeren Gewicht und Spritverbrauch, weswegen sich diese Technik im Bereich des Schüttguttransports und für sonstige Baulogistikaufgaben zunehmender Beliebtheit erfreut. Einziges Problem: Scania hat keinen hydraulischen Zusatzantrieb für seine Fahrzeuge im Programm. Deshalb schicken die Schweden eine Kippsattelkombination zum Test, die einen hydraulischen Zusatzantrieb im Auflieger verbaut hat. Der Trailer kommt von Schwarzmüller, die angetriebene Trailerachse aus dem Hause SAF. Wir haben diese Kombination getestet und uns dabei ausschließlich auf die Handlingeigenschaften und die Performance im Gelände konzentriert.

https://youtu.be/C4wm4X-OjfY

Testablauf

Wir rollen über die flachen Landstraßen des nördlichen Burgenlands zum Offroad-Testgelände der ÖAMTC Fahrtechnik nach Stotzing. Auf der Straße fühlt sich unser 4x2-Sattelzug naturgemäß zu Hause, eine blattgefederte Vorderachse sorgt in Verbindung mit der luftgefederten Hinterachse für hohen Fahrkomfort auf asphaltierten Strecken. Aber wie wird sich unser XT im Gelände machen?

Die XT-Baureihe von Scania verfügt über vergitterte Scheinwerfer und einen massiven Stahlstoßfänger mit integriertem Abschlepphaken, der für 40 Tonnen Abschleppgewicht ausgelegt ist. Allerdings ist die Stoßstange des „Straßenkippers“ vorne weit nach unten gezogen, was den fahrbaren Rampenwinkel naturgemäß einschränkt. Entsprechend skeptisch gibt sich Christian Karlberger, der Leiter und Chefinstruktor des ÖAMTC Offroad-Zentrums Stotzing: „Damit wollt Ihr ins Gelände fahren?“, fragt er. Wir begeben uns gemeinsam zum Eingang des 50 Hektar großen Areals, in dem unter anderem auch Feuerwehrleute und Sondereinsatzkräfte von Polizei und Katastrophenschutz im sicheren Umgang mit ihren Fahrzeugen abseits der Straße trainiert werden. Entsprechende Ein- und Zweitageskurse sind bei der ÖAMTC Fahrtechnik buchbar. „Im Gelände fahren wir grundsätzlich so langsam wie möglich und so schnell wie nötig“, gibt uns Karlberger als wichtigste Faustregel des Offroad-Fahrens mit auf den Weg.

Nach Festlegung einer geeigneten Strecke geben wir unserem XT die Sporen und bleiben prompt im ersten Schlammloch stecken. Die tief liegende Stoßstange hat den lehmigen Schlick vorne aufgeschoben, sodass dieser zur unüberwindbaren Barriere geworden ist. Die Antriebsachse ist bereits traktionslos und wir können nicht mehr vor oder zurück. Wir aktivieren daher zusätzlich zur Differenzialsperre auch die hydraulische Antriebsachse am Auflieger und legen den Rückwärtsgang ein. Das Ergebnis überrascht: Obwohl der Auflieger leer ist und folglich kaum Druck auf die hydraulische Triebachse kommt, zieht uns der Trailer aus dem Dreck. Dabei kommt uns der lange Radstand zwischen der Hinterachse der Zugmaschine und der hydraulischen Triebachse, die letzte Achse am Kippsattel, zugute: Während die Antriebsräder des Lkw noch im Schlamm durchdrehen, ist die Achse des Aufliegers auf trockenem Grund und kann dort entsprechende Traktion entfalten. Geschafft. Allerdings liegt das Hindernis immer noch vor uns. Wir legen also den Vorwärtsgang ein, wählen eine leicht versetzte Fahrspur und probieren es nochmals, diesmal mit aktivierter SAF-Trak-Achse. Das Ergebnis: In Kombination mit der Leistung der Zugmaschine schiebt uns der Anhänger förmlich durch die schwierige Stelle hindurch. Operation gelungen – Hindernis gepackt. Ein ähnliches Erlebnis haben wir auch bei einer weiteren Schlüsselstelle, wo der lehmerdige Untergrund aufgrund von schmelzendem Schnee völlig aufgeweicht ist. Wir meistern auch dieses Hindernis dank Differenzialsperre und eingeschaltetem Hydroantrieb im Trailer.

Hydraulische „SAF Trak“ Antriebsachse

Elmar Weber, SAF-Produktmanager OE Europa, erläutert uns die Vorzüge der „SAF Trak“-Achse im Gelände: „Es hilft natürlich der lange Radstand zwischen den beiden Antriebsachsen. Von der Zugmaschine bis zum angetriebenen Hinterrad am Trailer sind es weit über fünf Meter. Das Zweite, was hilft: Der Antrieb ist relativ stark ausgelegt. Man kennt ja vergleichbare Systeme in Motorwagen auf der Vorderachse. Die haben ein Drittel weniger Leistung. Die sind schneller, wir sind stärker.“ 7.500 Newtonmeter pro Rad, also 15.000 Newtonmeter Drehmoment gesamt, bringt die hydraulische Antriebsachse auf die Räder des Aufliegers. Allerdings ist die Geschwindigkeit auf 13 km/h limitiert, darüber schaltet sich das System ab. Für die Verwendung der „SAF Trak“-Achse braucht man in der Zugmaschine einen hydraulischen Nebenabtrieb, idealerweise motorseitig. Außerdem wird der Öltank der Kipphydraulik verwendet. Dieser sollte folglich etwas größer dimensioniert und als Zweileitungshydraulik ausgeführt sein. Zudem braucht es eine entsprechende Schnittstelle zur Steuerung des Aufliegers (Can-Bus). „Bei Scania ist das relativ einfach, weil standardmäßig die PCISchnittstelle vorhanden ist, sprich ein Aufbausteuergerät“, erläutert Weber.

Fazit

Die Leistung und Effizienz seiner neuesten Motorengeneration hat Scania bereits in unseren Streckentests hinlänglich bewiesen. In unserem Baufahrzeugtest zeigt die Kippsattelkombination, bestehend aus einer Scania XT 500 Sattelzugmaschine mit Schwarzmüller-Auflieger und hydraulisch angetriebener Trailerachse, dass damit auch kurze, schwere Passagen im Gelände bewerkstelligt werden können. Für den An- und Abtransport von Schüttgütern und dergleichen stellt dies eine echte Alternative zu Fahrzeugen mit einem mechanischen Allradantrieb dar. Gegenüber ähnlichen Systemen, die in der Vorderachse der Zugmaschine verbaut sind, punktet die angetriebene Trailerachse mit dem langen Radstand zwischen den Antriebsrädern. Damit wird das Fahrzeug quasi von hinten durch die schwierigen Passagen geschoben. Der Nachteil ist allerdings, dass der hydraulische Schub nicht auf die gelenkten Vorderräder wirkt, die Steuerbarkeit des Fahrzeugs also nicht direkt unterstützt. Für extrem schwere Offroad-Einsatzzwecke wäre dafür auch eine Kombination aus Trailer-Antrieb und einer Allrad-Zugmaschine denkbar, wobei man in solchen Fällen wohl meist auf andere Fahrzeuggattungen, wie 4-Achs-Motorwagen mit Kipperaufbau, zurückgreift.