Gen-H2-Truck : Erstmals unterwegs im Wasserstoff-Lkw von Daimler
Es kommt nicht oft vor, dass man in einem Lkw Platz nimmt von dem man weiß: es ist der derzeit einzige seiner Art. Der Gen-H2-Truck von Daimler ist derzeit noch ein Versuchsfahrzeug, mit nicht einmal 5.000 Kilometern auf der Uhr. Selten lässt ein Hersteller die Öffentlichkeit schon zu so einem frühen Zeitpunkt an der Entwicklung zukünftiger Technologien teilhaben. Das Thema Wasserstoff ist den Schwaben mit dem Stern am Kühlergrill aber offenbar ein besonderes Anliegen, soviel steht fest. Nicht nur arbeitet man gemeinsam mit Volvo Trucks am Aufbau einer Serienfertigung für standarisierte Brennstoffzellen-Racks, auch an Betankungslösungen wird intensiv geforscht. Dabei kooperiert Daimler Trucks mit dem Unternehmen Linde und experimentiert dabei auch mit flüssigem Wasserstoff. Dieser benötigt nur etwa ein 1/800 des Volumens von gasförmigem Wasserstoff, muss dazu aber stark gekühlt werden. Der Siedepunkt liegt bei minus 253 Grad Celsius. Das ist bereits nahe am absoluten Nullpunkt und nur mit großem Energieaufwand zu erreichen. Außerdem muss verflüssigter Wasserstoff auch im Tank gekühlt bleiben. Dazu bedarf es entsprechend stark isolierter Kryotanks. Ob sich der flüssige Wasserstoff durchsetzen wird ist unter Experten umstritten. Die derzeitigen H2-Tankstellen ermöglichen lediglich eine Betankung mit gasförmigem Wasserstoff, komprimiert auf 350 oder 700 bar.
Der Gen-H2-Truck
Von außen ist dem Gen-H2-Truck sein Innovationspotenzial nicht sofort anzusehen: Im Wesentlichen gleicht das Fahrzeug einem handelsüblichen Sattelschlepper. Aber dort, wo sonst ein Dieselmotor freundlich brummt, werkt nun dezent und mit futuristisch anmutenden Pfeifgeräuschen – eine Brennstoffzelle. Deren Aufgabe ist es, im Zuge einer Reaktion von Wasserstoff mit Sauerstoff, bei der Wasser entsteht, elektrischen Strom zu erzeugen. Die Brennstoffzelle versorgt damit eine 70-Kilowattstunden-Batterie mit elektrischer Energie. Dieser Akku befindet sich zwischen den Achsen des Lkw und erfüllt zwei Aufgaben: einerseits deckt er die Leistungsspitzen bei Beschleunigungsvorgängen ab. So kann die Brennstoffzelle während der Fahrt unabhängig von Topographie und Fahrsituation gleichmäßig auf kontinuierlichem Leistungsniveau und mit optimalem Wirkungsgrad betrieben werden. Die direkte Energieabgabe an die Elektromotoren im Antriebsstrang erfolgt dann aus der Batterie. Ebenso kann bei Bergabfahrten zurückgewonnene Energie wieder im Akku gespeichert werden, was den Wirkungsgrad, abhängig von der gefahrenen Strecke, nochmals deutlich erhöht. Hier liegt auch der große Vorteil dieses Systems gegenüber Wasserstoff-Lkw mit Verbrennungsmotor, bei denen keine Energierückgewinnung (Rekuperation) möglich ist.
Die Leistungsdaten des Gen-H2-Truck sind dabei beachtlich: Die maximale Entladeleistung der Batterie liegt bei 400 kW. Betreibt man zusätzlich die Brennstoffzelle mit 200 kW (max. 300 kW möglich), dann ergibt das eine Leistungsspitze von 600 kW, also mehr als 815 PS. Zudem steht das volle Drehmoment beim Elektromotor quasi aus dem Stand zur Verfügung, das Fahrzeug kommt daher mit einem 2-Gang-Getriebe aus. Ein rasanter Beschleunigungsversuch im Highspeed-Oval auf dem Testgelände und ein Anfahrmanöver am Berg mit 18 Grad Steigung, bei voller Beladung mit 40 Tonnen aus dem Stand, waren schlichtweg beeindruckend.
Infrastruktur und Energieerzeugung
Auch wenn der Gen-H2-Truck noch weit vom Serienfahrzeug entfernt ist, das bis 2027 fertig entwickelt sein soll, hat Daimler mit seiner Demonstration etwas deutlich klar gemacht: Die Frage, ob und wann sich Wasserstoff als Energieträger im Fernverkehr durchsetzen wird, ist bald keine Frage des Fahrzeugs mehr. Die Technologie funktioniert prinzipiell, die Fahrleistung stimmt und wenn es gelingt, die Tanktechnologie weiterzuentwickeln, dann ist auch die Reichweite kein Problem. Fraglich ist allerdings, ob die entsprechende Infrastruktur zur Produktion und Verteilung von Wasserstoff rechtzeitig zur Verfügung steht, um der Technologie auf breiter Basis zum Durchbruch zu verhelfen. Und dann muss die elektrische Energie für das Elektrolyseverfahren in der H2-Produktion auch noch nachhaltig erzeugt werden, die eigentliche Herausforderung und Kernfrage bei allen Bemühungen rund um die zukünftige Mobilität und den Klimaschutz. Denn es hätte schließlich keinen Sinn, wenn dazu Kohlestrom verwendet wird – dann könnten wir uns den Umweg über Batterie und Wasserstoff schlichtweg ersparen.