Testfahrzeug : Renault Trucks reduziert den Spritverbrauch

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Neun Monate hat die Feinanpassung gedauert, sieben Monate die Erprobungsphase. Nun ist es für Renault Trucks soweit, Bilanz zu ziehen. Das Endergebnis dürfte dem Lkw-Hersteller Grund zur Freude geben, denn es liegt nahe dem selbstgesteckten Ziel: Durch die Optimierung der Aerodynamik, des Antriebsstrangs, der Bereifung sowie durch erhöhte Vernetzung, wurde gegenüber einem konventionellen Renault Trucks D Wide 12,8 Prozent weniger Sprit verbraucht. Auch bei den produzierten CO2-Emissionen konnte ein ebensolcher Wert erzielt werden. Dies entspricht einer Ersparnis von 3,5 Liter Kraftstoff und neun Kilogramm CO2 auf 100 Kilometer.

Genau genommen wurde das Kooperationsprojekt mit dem Namen „EDIT“ (Efficient Distribution Truck) vor zwei Jahren ins Leben gerufen. Neben Renault Trucks sind noch sechs weitere französische Unternehmen daran beteiligt: Valeo, Lamberet, Michelin, BeNomad, INSA Lyon (LamCoS) sowie IFSTTAR (LICIT).

Das ursprüngliche Ziel war es, den Verbrauch eines Lkw im Stadt- und Regionalverkehr um 13 Prozent zu senken. Aus dem Projekt ist das Versuchsfahrzeug Urban Lab 2 hervorgegangen. Erprobt wurde es insgesamt sieben Monate, gefahren ist der Lkw 4500 Straßenkilometer sowie auf dem Rollenprüfstand.

Erprobungsverfahren und Messmethode

Zum Aufbau eines statistisch repräsentativen Prüfzyklus für den temperaturgeführten Verteilerbetrieb griffen die Entwickler von Renault Trucks auf eine Datenbank mit über 8000 gemessenen Kilometern zurück. Der Zyklus auf öffentlichen Straßen setzte sich aus zwölf Kilometern Stadtverkehr, 50 Kilometern Regionalverkehr und 57 Kilometern Autobahnfahrt zusammen.

Vor der Erprobung wurden der Urban Lab 2 und das Referenzfahrzeug, ein Renault Trucks D Wide,auf dem Rollenprüfstand eingefahren. Darüber hinaus wurde eine detaillierte Leistungskontrolle der Antriebsstränge der beiden Fahrzeuge vorgenommen, um die Repräsentativität der für dieses Projekt eingesetzten Fahrzeuge zu sichern. Die Versuche bestanden aus Testfahrten auf der Straße, auf dem Rollenprüfstand (wo die Fahr- und Temperaturbedingungen simuliert, kontrolliert und reproduziert werden können) sowie Simulationen, um die Messwerte in Korrelation zu bringen.

Parallel dazu wurden Tests mit einem Referenzfahrzeug durchgeführt, dessen geometrische Eigenschaften sowie dessen Antriebsstrang dem Versuchsfahrzeug ähnelten (D Wide 19 t und 280 PS mit Kühlaufbau von Lamberet). Alle der im Rahmen des Projekts entwickelten Technologien wurden unabhängig voneinander bewertet.

Aerodynamik

Renault Trucks feilte gemeinsam mit dem französischen Aufbautenhersteller Lamberet an der Aerodynamik des Lkw sowie des Kühlaufbaus. Zur Reduzierung des Luftwiderstands wurden die Verdampfer in das Aufbaudach sowie das Kühlmodul in den Fahrzeugrahmen integriert.

Aerodynamische Anpassungen wie Heckflügel und hochklappbare PVC-Textilverkleidungen wurden hinzugefügt, Trittstufen-Klappen, Radverkleidungen, Dachdeflektor, Spoiler und Seitendeflektoren am Fahrerhaus etwas später. Ein Kamerasystem ersetzt die klassischen Seitenspiegel.

Der Mehrwert dieser Maßnahmen wurde besonders auf der Autobahnstrecke des Prüfzyklus deutlich. Die Messungen wurden am frühen Morgen durchgeführt, um Windböen zu vermeiden.

Die Windgeschwindigkeit wurde an drei verschiedenen Stellen gemessen, um sicherzustellen, dass das Referenzfahrzeug sowie der Urban Lab 2 den gleichen Wetterbedingungen ausgesetzt waren. Das Prüfprotokoll wurde insgesamt siebenmal wiederholt, um die Zuverlässigkeit der Ergebnisse zu garantieren.

Auf Grundlage der erhaltenen Ergebnisse wurde durch Simulation eine Korrelation hergestellt, um den Nutzen für den gesamten Zyklus zu ermitteln. Die Differenz des Leergewichts und des Stromverbrauchs zwischen den beiden Fahrzeugen wurde bei den Simulationen berücksichtigt.

Die daraus gewonnenen Resultate konnten die Verbesserung der Aerodynamik als einen der wichtigsten Faktoren zur Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs und der CO2-Emissionen eines Lkw bestätigen, insbesondere im regionalen Verteilerverkehr.

Mikro-Hybridsystem

Ein kombiniertes System aus den mit Valeo entwickelten Mikro-Hybrid und Start & Stop Technologien wurde ebenfalls mit dem Urban Lab 2 erprobt.

Mehrere Einsatzstrategien des Mikro-Hybrid-Systems wurden getestet, um die beim Bremsen zurückgewonnene Energie zu maximieren. Außerdem wurden diverse Start-Stop-Strategien des Motors herausgearbeitet, um Zeit zu sparen und Vibrationen zu minimieren.

Die Verbrauchstests des Mikro-Hybrid-Systems erfolgten auf dem Rollenprüfstand für drei verschiedene Modi:

ohne Mikro-Hybrid-System, Standardkonfiguration;

mit Mikro-Hybrid-System, ohne Start & Stop;

mit Mikro-Hybrid-System und Start & Stop;

Das Ergebnis der Versuche mit den Mikro-Hybrid und Start & Stop Technologien zeigten relevante Verbrauchsreduzierungen, insbesondere im Stadtverkehr.

Konnektivität

Der Urban Lab 2 ist mit einer von BeNomad, einem französischen Softwarehersteller, entwickelten Navigationssoftware sowie mit einem weiteren System ausgestattet, das mit den Verkehrsleitsystemen verbunden ist. Dies ermöglicht die Anpassung der Fahrzeuggeschwindigkeit an beispielsweise die Ampelschaltung (grüne Welle). Wenn sich der Urban Lab 2 einer Ampel nähert, sendet diese Daten an das Fahrzeug.

Das System berechnet dann, ob es ökonomischer ist, zu bremsen oder das Fahrzeug zu beschleunigen. Dies erfolgt selbstverständlich nur, wenn die Straßenverkehrssituationen und -regeln dies zulassen. Auf diese Weise werden Brems- und Beschleunigungsphasen reduziert und somit Kraftstoff eingespart.

Um den Einfluss dieser Technologien auf den Kraftstoffverbrauch zu ermitteln, wurden zunächst Messungen während der Simulation von Stadtfahrten vorgenommen. Auf diese Weise konnten der reale Verkehr und die Ampeln definiert werden. Eine Reihe an Simulationen für verschiedene Verkehrssituationen und unterschiedliche Abfahrtszeiten waren nötig, um zuverlässige Statistiken zu erhalten.

Anschließend wurden Tests auf einer abgeschlossenen Strecke sowie unter realen Bedingungen auf öffentlichen Straßen in Bordeaux durchgeführt. Letzteres bestätigt die Genauigkeit des festgelegten Algorithmus in der Abbremsphase zur Senkung des Kraftstoffverbrauchs.

Diese Fahrerassistenz-Technologie weist nicht nur einen erheblichen Mehrwert bei der Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs und der CO2-Emissionen auf, sondern kommt auch dem Fahrkomfort zu Gute.

Bereifung

Das Versuchsfahrzeug Urban Lab 2 ist mit einem Reifen-Prototyp von Michelin ausgestattet. Dadurch soll der Rollwiderstand noch weiter reduziert werden. Gleichzeitig sollen negative Effekte auf die Sicherheit, die Haftung und die Lebensdauer vermieden werden.

Die Messungen des Reifenverhaltens erfolgten im Regionalverkehr sowie auf den Autobahnabschnitten des Prüfzyklus. Es wurden drei Folgetests mit dem Referenzfahrzeug und dem Versuchsfahrzeug durchgeführt, um die Profile sowie die Temperatur- und Druckanstiege eines jeden Reifens zu messen.

Auf dieser Grundlage bestimmt ein speziell von Michelin entwickeltes Simulationsmodell die Entwicklung des Rollwiderstands im Verlauf des Zyklus. So kann der Verbrauchsunterschied viel genauer bestimmt werden, als dies etwa bei der Standardmethode, die einen festen und optimalen Rollwiderstandskoeffizienten (ISO-Wert) berücksichtigt, möglich wäre.

Das EDIT-Projekt hat die Relevanz der eingesetzten Technologien zur gezielten Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs bestätigt. Die Arbeit mit dem Versuchsfahrzeug unterstützt Renault Trucks dabei, die physikalischen Mechanismen zur Optimierung besser zu verstehen und gleichzeitig technische Innovationen vorzubereiten. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung der zukünftigen CO2-Normen.

Das Versuchsfahrzeug Urban Lab 2 wird in dieser Form nicht als Serienfahrzeug auf den Markt kommen. Vielmehr könnten die sich am effizientesten erwiesenen Technologien künftig durchaus in Serienfahrzeuge integriert werden.

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