Schwere Klasse : Die Pläne von Ford Trucks in Europa
TRAKTUELL: Es war die Überraschung der diesjährigen IAA, dass Ford Trucks eine neue Zugmaschine auf den Markt bringt, um damit auch in den westeuropäischen Markt vorzudringen. Es ist ein hart umkämpfter und gesättigter Markt, niemand hat auf einen neuen Mitbewerber gewartet. Wie sehen Ihre Pläne für Westeuropa aus?
Armağan Hazar: Wir haben über fünf Jahre an diesem Projekt gearbeitet und „Ford“ ist eine starke Marke in allen Staaten. Für die internationalen Märkte haben wir eine Priorisierung vorgenommen. Zuerst fokussierten wir uns auf Russland und die Stan-Staaten (Anm.: Zentralasiatische Staaten die auf der Silbe „stan“ enden), den Nahen Osten, Nordafrika sowie Zentral- und Osteuropa. Das neue Produkt, der Ford F-Max, ist maßgeschneidert für den internationalen Fernverkehr in ganz Europa. Aber wir wachsen Schritt für Schritt, deshalb ist unsere erste Priorität jetzt einmal Zentral- und Osteuropa.
Das ist natürlich für mich als Österreicher interessant, denn die Alpenrepublik liegt an der Grenze zwischen Zentral- und Osteuropa. Je nach Sichtweise liegt Österreich in Zentral- oder in Osteuropa – ist der österreichische Markt bereits Teil Ihrer aktuellen Geschäftsaktivitäten in Europa?
Österreich ist Teil der nächsten Phase unserer Pläne. Wir operieren derzeit in Tschechien, Litauen, Lettland, Ungarn, Bulgarien, Griechenland, Rumänien, der Slowakei, Slowenien, Kroatien, Serbien, Mazedonien, Bosnien und Israel.
Sie haben speziell über den Fernverkehr gesprochen. Das passende Fahrzeug dafür, welches auf der IAA ausgestellt wurde, ist natürlich eine Sattelzugmaschine. Bieten Sie auch Fahrgestelle an?
Natürlich. Der F-Max ist ein komplett neues Produkt in Ergänzung zu unserer bereits bestehenden Produktpalette. Diese beinhaltet eine Baufahrzeug-Linie ebenso wie eine Lkw-Serie für den Straßeneinsatz, inklusive Kommunal-Lkw wie Müllsammelfahrzeuge. Und wir haben auch eine Sattelzugmaschine mit einer kleineren Kabine für den regionalen Transport. Für den Verteilerverkehr oder auch den nationalen Fernverkehr können Sie auch dieses Fahrzeug verwenden.
Und alle diese Fahrzeuge entsprechen der Euro 6-Norm und werden in den Ländern angeboten, die Sie zuvor erwähnt haben?
Ja, unsere Produktpalette entspricht seit 2016 der Euro 6-Norm und wir sind in diesen Ländern bereits aktive. Aber wir gehen schrittweise vor. In Tschechien haben wir zum Beispiel mit Jahresbeginn einen Händler unter Vertrag genommen und sind 2018 gestartet. In Rumänien, Bulgarien und Ungarn haben wir bereits im Jahr 2017 unsere Geschäftsaktivitäten aufgenommen.
Also befinden sich die Lkw bereits auf der Straße?
Ja, unsere Lkw sind bereits auf den Straßen in allen europäischen Ländern unterwegs.
Und was sind die Verkaufserwartungen für 2018 in Tschechien?
Da wir in Tschechien gerade erst gestartet sind, haben wir für heuer keine riesigen Erwartungen. Wir sind gerade dabei, unser Geschäft dort aufzubauen und nehmen landesweit Händler und Werkstätten als Service-Stützpunkte unter Vertrag. Aber das Ziel für das gesamte Export-Volumen für dieses Jahr liegt bei etwa 2.500 Einheiten (Anm.: alle Länder außer der Türkei). Sie können also davon ausgehen, dass über 30 Prozent unseres Gesamtvolumens auf internationalen Märkten verkauft wird.
Dann bauen Sie insgesamt also etwa 7.500 Lkw?
Ja, in diesem Jahr. Aber die Kapazität unseres Werks ist größer. Mit einer Schicht können wir etwa 10.000 Lkw im Jahr produzieren.
Also versuchen Sie weiterhin Märkte für diese Fahrzeuge zu erschließen?
Natürlich. Die gesamte Automobilindustrie in der Türkei ist heuer leicht zurückgegangen. Das ist auch der Grund, warum unser Absatz heuer niedriger ausfällt als erwartet. Der Gesamtmarkt ging zurück.
Hilft Ihnen die schwache türkische Lira im Export oder ist das eher ein Hindernis?
Nein, das hilft uns nicht, denn in den europäischen Staaten erfolgt die Kalkulation und Preisfestsetzung bereits in Euro. Und in der Türkei hilft es uns auch nicht, weil die Leute aufgrund der schwachen Lira ihre Flotte nicht erneuern und keine neuen Autos kaufen. Es werden keine Investitionen getätigt. Darum hilft uns das überhaupt nicht.
Wann wird der erste schwere Ford Lkw in Österreich verkauft?
Sie erwähnten, dass der Fokus in Europa auf dem Fernverkehr liegt.
Ja, weil der Markt danach verlangt. Fernverkehrsfahrzeuge machen über 70 Prozent der Verkäufe in Europa aus. Das ist der Grund, warum wir uns darauf konzentrieren, insbesondere mit unserer neuen Zugmaschine.
Wenn Sie im Fernverkehr punkten wollen, benötigen Sie ein entsprechendes Servicenetz. Falls ein Lkw irgendwo liegen bleibt, kann man schließlich nicht zum lokalen Händler gehen. Wie sehen Ihre Pläne dafür aus?
In den ost- und zentraleuropäischen Staaten, in denen wir bereits tätig sind, deckt unser Servicenetzwerk diese Länder komplett ab. Wir haben dort unsere eigenen Händler und unsere eigenen Service-Stützpunkte. In Westeuropa gibt es Werkstätten, die wir mit unseren Spezialwerkzeugen und Ersatzteilen versorgen, um auch diese Länder abzudecken. Wir haben insgesamt ungefähr 50 Servicestellen in Europa. Ebenso ist „Ford Trucks Assistance“ in ganz Europa verfügbar. Ein Callcenter hilft dem Anrufer oder Fahrer in seiner jeweiligen Sprache und leitet ihn zum nächsten Stützpunkt. Dieses Online-Callcenter ist 24 Stunden and sieben Tagen pro Woche erreichbar.
Und wenn man liegenbleibt? Gibt es einen mobilen Service?
Ja, wir bringen die Techniker vom nächstgelegenen Service-Stützpunkt zum Lkw. Dafür gibt es spezialisierte Service-Fahrzeuge. Wenn sich das Problem nicht vor Ort beheben lässt, dann schleppen sie das Fahrzeug kostenlos zur Werkstatt.
Wann wird der erste Ford Truck in Österreich verkauft?
Eine gute Frage. Wir werden uns zunächst auf die Länder konzentrieren, in denen wir bereits tätig sind und unseren Absatz dort steigern. Aber: Österreich liegt an der Grenze zu Tschechien. Kunden, die Lkw für Österreich kaufen wollen, können gerne hierher kommen, die Fahrzeuge testen und über uns beziehen.