Future Mobility : Bosch-CEO: Der Dieselmotor hat ein Ablaufdatum

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Wenn der bekannte Automobilzulieferer Bosch auf Fachmessen eine Smartphone-App vorstellt, mit der sich das Fahrerhaus von Lkws sogar über Kilometer hinweg durch den Fuhrparkleiter öffnen lässt, dann hat das einen ganz rationalen Grund: Das klassische Geschäft floriert nicht mehr wie es sollte und es muss im Detail nach weiteren lukrativen Einnahmequellen gesucht werden. Gerade für Bosch war der Dieselantrieb das Steckenpferd. Der Dieselskandal hat und die anhaltende Krise haben ihm regelrechten den Wind aus den Segeln genommen.

„Der Marktanteil von Pkw-Dieselmotoren ist stark rückläufig, in Europa und auch in Indien“, befindet Bosch-Chef Volkmar Denner in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“. „Wir rechnen derzeit damit, dass unser Umsatz in Summe in diesem Jahr nur auf Vorjahresniveau liegen wird. Und wir werden das hohe Renditeniveau des Vorjahres nicht halten können“. Von der Marktfähigkeit des Dieselmotors rückt Bosch dennoch nicht ab.

„Unsere Verpflichtung ist es deshalb, dass auch die weiterhin eingesetzten Verbrennungsmotoren so effizient wie möglich sind und dadurch die Umweltbelastung reduziert wird. Natürlich nützt das dann auch unserem Geschäft“, betont Denner. Mittelfristig alternativlos sind Dieselmotoren im Nutzfahrzeugbereich.

Stellenabbau ist vorprogrammiert

Der studierte Physiker und langjährige Bosch-CEO Denner gestand, dass der stagnierende Markt zahlreiche Arbeitsplätze kosten wird - und rechnet direkt vor: „Wenn wir bei einem Dieseleinspritzsystem zehn Mitarbeiter beschäftigen, sind es bei einem Benzinsystem drei und bei einem Elektrofahrzeug nur noch einer.“ Betroffen sind deshalb jene Angestellten, die in den Diesel-Werken arbeiten.

Von einer kurzfristigen „Delle“ kann da keine Rede mehr sein. Die Situation gestaltet sich deutlich komplexer. Bosch geht in der Unternehmensplanung davon aus, dass die Automobilproduktion auch in den kommenden Jahren stagnieren wird. Ein Aufwärtstrend ist aktuell nicht in Sicht.

„Im bisherigen Jahresverlauf hatten wir praktisch überall deutliche Rückgänge, teilweise mit zweistelligen Prozentsätzen - Europa, Indien, China, USA. Die Perspektiven sind nicht gut“, sagt Denner. Mit Innovationen sollen nun Marktanteile gewonnen werden. „Wir werden abwarten müssen, wie sich das Geschäft in den kommenden Monaten entwickeln wird. In anderen Bereichen wie dem Maschinenbau läuft es besser, aber auch dort erkennen wir die rückläufige Konjunktur am zurückgehenden Auftragseingang.“

Im Dieselmotor liegt für Bosch weiterhin große Wertschöpfung, die Marktanteile sind entsprechend hoch. An den alternativen Antrieben wird dennoch kein Weg vorbeiführen. Denner spricht in diesem Zusammenhang von einer „Transitionsphase der Mobilität“. „Wir brauchen die Kompetenz, verschiedene Technologien bewerten und beurteilen zu können. Dann können wir entscheiden, worauf wir langfristig setzen.“ Das klingt einerseits technologieoffen, andererseits aber auch vage, in welche Richtung es künftig gehen wird.

Die Brennstoffzelle als Alternative

Geforscht wird im Bereich der Elektromobilität und an Antrieben mit Brennstoffzellen. „Der Strom für Elektroautos muss nicht zwangsläufig aus der Batterie kommen. Er kann auch von der Brennstoffzelle erzeugt werden“, betont Denner und ergänzt: „Und wir müssen alles in die CO2-Berechnung einbeziehen, also auch die Frage, wie wird der Strom erzeugt, wie der Kraftstoff“. In diesem Zusammenhang wurde der deutsche Zulieferer auch auf das Start-up Nikola Motors aus den USA aufmerksam. Bosch und Nikola haben gemeinsam einen Brennstoffzellenantrieb für den Schwerlaster Nikola Two Alpha entwickelt, der nun auch der Öffentlichkeit vorgestellt wird.

Die gemeinsame Entwicklungszusammenarbeit umfasst auch das Fahrzeug-Chassis. Darin wurde eine elektrifizierte Achse mit Doppelantrieb integriert, die Motor, Antriebselektronik und Getriebe in einem Gehäuse vereint. Bosch stellt auch ein zentrales Steuergerät, die Vehicle Control Unit (VCU), bereit. Sie ermöglicht zum Beispiel Over-the-Air-Updates oder Echtzeit-Monitoring. Durch die Dauerüberwachung sollen Ausfallzeiten reduziert werden. Analoge Spiegel gibt es auch bei Daimlers neuem Actros nicht mehr, stattdessen kommt ein Mirror-Cam-System zum Einsatz, welches nun auch für den Two Alpha kommen wird.

Neben Sicherheitsaspekte sollen es vor allem aerodynamische Gründe sein, warum auf dieses neue System gesetzt wird. Zum Öffnen der Fahrerkabine wird auch kein konventioneller Schlüssel mehr notwendig sein. Künftig sollen die Speditionen die Schlüssel digital verwalten. Das Szenario sieht vor, dass der Zugang per Smartphone-App freigegeben wird.

Der Lkw ist mit Sensoren ausgestattet, die ein Smartphone mit der installierten App erkennen. Ist die App einmal installiert, kann dort ein einmaliger Sicherheitsschlüssel erstellt werden, der in das digitale Schloss des Fahrzeugs passt. Nähert sich der Fahrer dem Fahrzeug, wird der Sicherheitsschlüssel identifiziert und entriegelt bei passendem digitalen Schlüssel die Tür. Sobald sich der Fahrer wieder vom Truck entfernt, wird das Fahrzeug automatisch sicher verschlossen.

Um die immer umfassenderen Vernetzungs-, Fahrerassistenz- und Infotainmentfunktionen in Lkw einfach und ablenkungsfrei zu bedienen, bringt Bosch digitale Kombiinstrumente ins Cockpit. Neben der klassischen Tachometer-Anzeige werden Funktionsanzeigen, Grafiken für die Routenplanung, Bilder der Rückfahrkamera oder des Nachtsichtgeräts auf dem Display angezeigt und je nach Fahrsituation priorisiert. Der Fahrer bekommt so immer genau die Informationen angezeigt, die er gerade benötigt. Das reduziert die Komplexität und der Fahrer kann sich voll auf die Straße konzentrieren.

Das sogenannte Central Gateway steuert wiederum den Datenaustausch zwischen den Steuergeräten im Lkw und der Außenwelt über sämtliche Bussysteme hinweg. Es ist damit der zentrale Kommunikationsknoten für vernetzte Nutzfahrzeuge. Besonders sicher wird der Datenaustausch mit modernen Übertragungs- und Verschlüsselungstechnologien. Sie verhindern den unrechtmäßigen Zugriff auf das Fahrzeugnetzwerk mit Firewalls oder dem "Intrusion-Detection-System" der Bosch-Unternehmen ETAS und Escrypt.

Künstliche Intelligenz als Chance

Künstliche Intelligenz (KI) sieht Bosch-Chef Denner als große Chance für die Zukunft. „Für derartige industrielle KI - auch für industrielle Produktion und Materialbearbeitung - sehe ich große Chancen für Deutschland und für Bosch. Der Zulieferer hofft dabei auf eine Finanzspritze der Bundesregierung. Die zugesicherten drei Milliarden seien aber noch ausständig, so Denner.

"Denn dazu braucht es Wissen um industrielle Domänen und Hardware, das nur wir haben." Auf der Consumer Electronics Show Anfang des Jahres in Las Vegas zeigte Bosch Konzepte, in welche Richtung es hierbei gehen soll: Fahrerlose Minibusse, sogenannte Shuttles, die mit Elektroantrieb nahezu geräuschlos durch die Innenstädte surren, nahtlos mit ihrem Umfeld vernetzt sind und auf Abruf vollkommen ohne Fahrer zu einem kommen.

Kurz- bis mittelfristig bleibt aber alles beim Alten. Traditionelle Automobilhersteller aus der Automobilbranche werden weiterhin den Großteil ihrer Fahrzeuge mit Verbrenner ausliefern. Der Anteil an Fahrzeugen mit alternativen Antrieben wird zugleich rasch zunehmen, prognostiziert der Firmenchef.

„Ich würde mir von der Politik eine technologieoffene Diskussion wünschen: klar formulierte Ziele und kluge gesetzgeberische Randbedingungen, damit die Industrie im Wettbewerb die besten technologischen Lösungen finden kann“, sagt Denner zum Abschluss des Gesprächs. Doch eines steht auch für ihn fest: „Wenn wir das Pariser Klimaabkommen wirklich umsetzen wollen, müssen irgendwann auch der Flugverkehr, der Schiffsverkehr und der Schwerlastverkehr ohne fossilen Brennstoff betrieben werden.”

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