SARS Cov 2 : Virologe Nowotny in Sachen Corona-Pandemie grundsätzlich optimistisch
Ein durchwegs gelassener Professor Norbert Nowotny teilte im Rahmen einer Veranstaltungsreihe des Motor Presse Klub Austria (MPKA) sein Wissen und seine Einschätzungen zur laufenden Corona-Virus-Pandemie. Historisch gesehen ist die SARS-Cov-2-Pandemie das größte Pandemie-Ereignis seit der Spanischen Grippe, die ihren Höhepunkt im Winter 1918/19 hatte und schätzungsweise 20 Millionen Tote forderte. Im Vergleich dazu hält das SARS-2-Virus bisher bei rund sechs Millionen Toten, wobei in der Statistik nicht zwischen „an“ und „mit“ der Erkrankung verstorbenen unterschieden wird. Aufgrund des vergleichsweise milden Verlaufs der Omikron-Variante schätzt Nowotny, dass das Verhältnis „an/mit“ derzeit bei rund 50 Prozent liegen dürfte. Bei den vorhergehenden, gefährlicheren Varianten wären aber vermutlich mehr Menschen direkt an den Folgen der Infektion gestorben, als nur mit der Nebendiagnose Covid-19. Genaue Zahlen dazu gibt es allerdings nicht, räumt der Virologe ein.
Temporäres Aus für Impfpflicht richtig
Die Impfpflicht und die darin angedrohten Strafen jetzt auszusetzen war nach Ansicht von Nowotny die richtige Entscheidung. Aufgrund der milden Omikron-Variante wäre diese zum aktuellen Zeitpunkt schlicht nicht verhältnismäßig gewesen. Das Gesetz als solches bleibt aber bestehen, für den Fall, dass im kommenden Herbst und Winter wieder eine gefährlichere Variante auftauchen sollte. Das sei ebenfalls gut und richtig.
Der Gesundheitsminister war mit der Aussetzung der Impfpflicht der Meinung der Expertenkommission gefolgt, was Nowotny sehr begrüßt. Nun müsse man aber andere Wege suchen, um die Menschen von einer Impfung zu überzeugen, denn es gebe immer noch eine Million Österreicher, die weder genesen noch geimpft sind. Positive Anreize seien aber sicher besser als Strafen, so Nowotny in einem anschließenden Interview bei Studio 2.
Der Totimpfstoff von Valneva dürfte voraussichtlich Ende April 2022 verfügbar sein
Impfstoffe prinzipiell unbedenklich
Die aktuellen Corona-Impfstoffe seien prinzipiell unbedenklich, so der Experte. Impfreaktionen fallen zwar deutlich heftiger aus, als man das von fast allen bisherigen Impfstoffen gegen andere Erkrankungen kennt. Schwere Nebenwirkungen wie Hirnvenen-Thrombosen oder Herzmuskelentzündungen seien aber extrem selten, sagt Nowotny. Um das mit der nötigen Klarheit überwachen zu können, würde das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) die Daten zu Nebenwirkungen vollständig erheben und systematisch Aufbereiten. Der Virologe erinnerte daran, dass Ärzte verpflichtet seien, solche Nebenwirkungen zu melden und sieht Mängel im Berichtswesen im ersten Dreivierteljahr, nachdem die Impfung auf den Markt gekommen war. Inzwischen funktioniere das aber sehr gut und nach über 10 Milliarden verabreichter Impfdosen könne man von einer sicheren Impfung ausgehen.
Für alle, die auf einen klassischen Totimpfstoff warten, gibt es zudem einen positiven Ausblick. Das Präparat von Valneva dürfte voraussichtlich bis Ende April 2022 verfügbar sein.
Optimistisch für den Sommer, keine Panik vor dem Herbst
Für den Sommer ist Nowotny durchaus optimistisch, da das Virus eine gewisse Saisonalität gezeigt hat. Sprich: so wie auch andere Atemwegserkrankungen tritt eine Häufung der Erkrankungen vor allem im Spätherbst und Winter auf.
Auch für den Herbst ist der Virologe nicht unbedingt pessimistisch: Zwei Drittel der Menschen seien bereits vollständig geimpft, zusätzlich hätten viele dann auch die Erkrankung mit dem Omikron-Virus durchgemacht und so eine natürliche Immunität aufgebaut. Trotzdem rät der Experte zur Impfung, wenn schon nicht jetzt, dann zumindest gegen Ende des Sommers. Auch wenn die Impfung nicht vor Ansteckung und Übertragung schütze, also keine sterile Immunität aufbaut, so hätte sich doch ein sehr guter Schutz vor einem schweren Verlauf und Long-Covid bestätigt. Und das sei schließlich wesentlich.
Nowotny schätzt, dass dieser Schutz auch für neue Virus-Varianten zu einem gewissen Grad bestehen bleibt und macht Hoffnung, dass wir in Sachen Corona nach der aktuellen Welle vielleicht wirklich das Schlimmste überstanden haben könnten. Mit saisonalen Impfungen, vor allem für die vulnerablen Gruppen, könnte dem Coronavirus der Schreckenszahn gezogen werden. Wahrscheinlich werde es mittelfristig auf saisonale Erkrankungswellen hinauslaufen, die man mit Präventiv-Maßnahmen wie der Impfung gut in den Griff bekommen kann.
Nowotny bewertet die Lage damit doch deutlich anders als der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach, der bereits jetzt wieder die nächste dramatische Welle für den Herbst vorausgesagt hatte. Nowotny räumt aber ein, dass er das nicht mit Sicherheit wisse. Nachsatz: „Lauterbach auch nicht.“ Neben der Hoffnung bleibt damit die Erkenntnis: Prognosen sind immer schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen.
Öffnung zu früh
Die Situation auf den Intensivstationen ist seit Wochen stabil und die Auslastung mit rund 200 belegten Betten liegt bei unter 10 Prozent. Anders sieht die Situation auf den Normalstationen aus, die sich seit Mitte Februar verstärkt zu füllen begannen. Stand 9. März 2022 sind hier laut Daten der AGES österreichweit 2.511 Personen in stationärer Behandlung. Gleichzeitig sind aber die Neuinfektionen sprunghaft angestiegen und halten nun bei einem absoluten Rekordwert von über 47.000 pro Tag. Die weitreichenden Öffnungen seit dem 5. März hätte Nowotny daher lieber erst Ende März gesehen. Das sei letztendlich aber eine politische Entscheidung gewesen und weniger eine wissenschaftliche. Die Bevölkerung sei offenbar nicht mehr bereit, die Maßnahmen im bisherigen Ausmaß weiter mitzutragen. Durch diese verfrühte Öffnung, könnte sich die Omikron-Welle dafür nun noch einige Wochen länger in den Frühling ziehen, meint der Experte.
Erkrankung für Kinder kaum gefährlich
Ein nur geringes Risiko für einen schweren Verlauf haben Kinder, bestätigt der Experte auf Nachfrage. Gefährlich sei hier vor allem eine extrem seltene, entzündliche Reaktion aller Organe, die intensivmedizinisch behandelt werden muss. Diese trete aber nur mit einer Häufigkeit von einem von tausend oder sogar zehntausend infizierter Kinder auf. Bei entsprechender Behandlung sind außerdem auch hier die Überlebenschancen gut, so der Virologe.