Praxisfall: Immer wieder kommt es in der Praxis vor, dass der beladene LKW-Trailer vom rechtmäßigen Empfänger nicht bei Ankunft entladen werden kann, weil das Lagerpersonal bei Ankunft des LKW bereits Feierabend hat. Dieser Sachverhalt ist dem Frächter und seinem Kunden nicht unbekannt, im Gegenteil. Oft ist bereits im Voraus allen Beteiligten bekannt, dass der LKW-Trailer nicht mehr entladen werden kann. Trotzdem soll der Transport ausgeführt werden. In derartigen Fällen kommt es weiter regelmäßig vor, dass der LKW-Fahrer den Auflieger auf dem Firmengelände des Empfängers absattelt, um mit der Sattelzugmaschine zum Speditionsplatz zurück zu fahren. Die Problematik, die sich stellt ist, welche Partei für den Schaden haftet, wenn die Ladung über Nacht gestohlen wird. Der Frächter mag argumentieren, dass er die Ware ablieferte, denn er hat den beladenen Trailer auf dem Firmengelände des Empfängers abgestellt, damit er vom Lagerpersonal gleich am nächsten Morgen entladen werden kann. Dagegen mag der Transportversicherer des Empfängers der den Diebstahlschaden im Rahmen der Transportversicherungspolice regulierte, argumentierte, dass der Schaden im Gewahrsam des Frächters entstand, weil mit dem Abstellen des Trailers auf dem Firmengelände noch keine ordnungsgemäße Zustellung der Ware beim Empfänger erfolgte. Folglich, der Obhuts- und Haftungszeitraum des Frächters noch nicht beendet war. Ob der Frächter in einem solchen Fall haftet, weil sich die Ware zum Zeitpunkt des Verlustes - transportrechtlich betrachtet - nach wie vor in seinem Gewahrsam befunden hatte, ist eine Einzelfallfrage. Im vorliegenden Fall kommt es entscheidend auf die getroffene Vereinbarung zwischen den Frächterparteien an. Auch wenn der Empfänger dem Fahrer des Frächters keine Quittung bei Ablieferung erteilte, so bedeutet dies nicht, dass der Frächter in jeden Fall für Verluste durch Diebstahl haftet. Im vorliegenden Fall ist entscheidend, ob die Parteien vor Schadenseintritt vereinbarten, ob der beladene Auflieger auf dem Firmengelände abgestellt werden soll, was einer Zustellung gleichkommen soll. Sollten die Frachtparteien vereinbart haben, dass beladene Trailer auf dem Firmengelände selbst dann abzustellen sind, wenn der Empfang nicht quittiert werden kann, so ist dies als Ablieferung der Güter zu bewerten. Sollte allerdings der LKW-Fahrer den Auflieger eigenmächtig auf dem Firmengelände des Empfängers parken, ohne dass es eine entsprechende Abrede zwischen den Parteien gibt, so wäre - aus Sicht des Frächters betrachtet - der Obhuts- und Haftungszeitraum damit nicht beendet. In einem derartigen Fall besteht die Gefahr, dass der Frächter gegenüber dem geschädigten Kunden bei Eintritt eines Diebstahls uneingeschränkten Schadensersatz leisten müsste.