E-Lkw : Erste Probefahrt mit dem MAN eTruck
Der MAN eTruck wurde erst kürzlich auf der IAA Transportation 2022 in Hannover als seriennaher Prototyp einem breiten Publikum vorgestellt. Das Fahrzeugkonzept ist die Antwort des Traton-Konzerns auf die viel diskutierte Technologiewende vom Verbrennungsmotor hin zu emissionsfreien Transportlösungen.
Mit einer maximalen Batteriekapazität von bis zu 500 Kilowattstunden und Vorbereitung für Megawattladen, soll der MAN eTruck sogar für den Fernverkehr geeignet sein. Zunächst wurde das Fahrzeug in der Konfiguration als Sattelzugmaschine mit 42 Tonnen Zuggesamtgewicht vorgestellt. 42 Tonnen, weil aufgrund einer EU-Regelung die Gesamtgewichte für emissionsfreie Fahrzeuge entsprechend angehoben wurden, um das zusätzliche Batteriegewicht auszugleichen. Ein Akkupaket wiegt knappe 650 Kilo, bis zu sechs Pakete können maximal installiert werden. Die nutzbare Gesamtkapazität der Batterien wird, je nach Konfiguration, zwischen 300 und 500 Kilowattstunden liegen. Zusätzlich soll das Fahrzeug auf das Megawattladen vorbereitet sein. Damit lässt sich die Batterie in der Fahrpause von 45 Minuten vollständig aufladen, um tagesübliche Reichweiten von 600 bis 800 Kilometern im Fernverkehr zu erzielen. Die Reichweite ohne Zwischenladen soll selbst bei 40 Tonnen Gesamtgewicht zwischen 300 und 400 Kilometern liegen.
Testfahrt auf dem MAN-Versuchsgelände
Wir haben bereits eine Probefahrt mit Prototypen des MAN eTruck mit 30 Tonnen auf dem MAN-eigenen Testgelände in München unternommen. Der Eindruck im Wesentlichen: Es ist ein ganz normaler Lkw, allerdings noch leiser im Betrieb als die ohnehin bereits sehr gut gedämmten Dieselfahrzeuge. Auch die Bedienung ist so, wie man das vom herkömmlichen MAN-Lastwagen gewohnt ist. So sitzt etwa der Lenkstockhebel für die mehrstufige Dauerbremsanlage genau dort, wo er sonst auch sitzt und ist auch haargenau gleich in seiner Funktionsweise: nur, dass der Elektromotor durch Umpolung zum Generator wird und damit die Bremsenergie wieder in die Batterie einspeist. Rekuperation nennt man diese Form der Energierückgewinnung, die einen wesentlichen Beitrag zur Effizienzsteigerung leistet.
Die Beschleunigung des Sattelzugs ist ebenso zügig wie flüssig, was auch daran liegt, dass es nur wenige Schaltvorgänge gibt: Der eTruck ist wahlweise mit einem 2- oder 4-Ganggetriebe ausgestattet. Die Motorleistung wird serienmäßig zwischen 300 bis 350 kW betragen. Das wäre bei einem Diesel-Lkw nicht viel. Der eTruck erzeugt damit aber ein sattes Drehmoment von 3.000 Newtonmetern.
Eigene Batterieentwicklung und Fertigung in Nürnberg
Die Reichweite ist einer der Knackpunkte, wenn man der E-Mobilität zum Durchbruch verhelfen will. Eine hohe Reichweite ergibt sich aus einer möglichst großen Batteriekapazität. Außerdem soll die Batterie schnelladefähig und zugleich möglichst lange haltbar sein. Das alles liegt im Grenzbereich des technisch Möglichen. MAN will diese Kerntechnologie für seine E-Trucks selbst entwickeln und auch selbst produzieren. Entwicklung und Fertigung der Batteriepakete sind in Nürnberg angesiedelt. Damit ergibt sich eine neue Perspektive für den Standort, wo auch die Motorenfertigung für Dieselfahrzeuge stattfindet.
Nürnberg ist ein Urwerk von MAN und findet sich sogar im Namen der Marke – diese entstammt der Abkürzung für Maschinenfabrik Augsburg Nürnberg. Ab 2025 sollen dort jährlich rund 100.000 Batteriepacks in hauseigener Großserienfertigung hergestellt werden.
Bis 2030 soll die Hälfte unserer in der EU verkauften Fahrzeuge einen emissionsfreien Antrieb haben. Dafür muss aber die Ladeinfrastruktur da sein“Alexander Vlaskamp, Vorstandsvorsitzender von MAN Truck & Bus
Megawattladen für mehr Tagesreichweite
Der neue MAN eTruck wird über einen CCS-Ladestecker verfügen, mit dem Gleichstromladen bis maximal 500 Ampere möglich ist. Damit ergibt sich eine maximale Ladeleistung von 375 kW bei entsprechender Ladeinfrastruktur. Zusätzlich soll der eTruck auch für das Megawatt-Laden vorbereitet sein. Das bedeutet zunächst einen Ladestrom von 1.000 Ampere, bzw. 750 kW Leistung. Damit könnte ein Fernverkehrslastwagen in einer 45-Minuten-Pause rund 400 Kilometer Reichweite tanken. Langfristige soll der maximal mögliche Ladestrom sogar auf 3.000 Ampere bzw. 2,25 Megawatt Leistung erhöht werden – dadurch wäre der Lkw in nur 15 Minuten komplett „vollgetankt“.
Fahrzeuge kommen 2024 – Ladeinfrastruktur nötig
Die größte Herausforderung bei der Umstellung der Transportflotten auf die E-Mobilität stellen künftig nicht mehr die Fahrzeuge, sondern die Ladeinfrastruktur dar. Und es stellt sich die Frage, ob diese bereit sein wird, wenn die eTrucks 2024 vom Band rollen. Der Traton-Konzern, zu dem auch Scania und MAN gehören, hat deshalb gemeinsam mit Daimler Truck und Volvo Trucks ein Joint Venture gegründet, um den Ausbau der Infrastruktur entlang der europäischen Transportkorridore selbst voranzutreiben. Rund 1.700 neue Ladepunkte sollen bis 2027 europaweit errichtet werden. Die Partner investieren dafür insgesamt 500 Millionen Euro. Für die künftige Vollelektrifizierung des europäischen Fernverkehrs bedarf es allerdings einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung, die darüber hinaus geht. Schätzungen des Herstellerverbands ACEA zufolge werden 42.000 Ladestationen benötigt.
„Auf der IAA haben wir das Orderbuch für die erste Charge des neuen eTrucks geöffnet und es gibt viele Interessenten! Ab Mitte des Jahrzehnts wird es wirtschaftlicher sein, batterieelektrisch zu fahren als den konventionellen Diesel. Bis 2030 soll die Hälfte unserer in der EU verkauften Fahrzeuge einen emissionsfreien Antrieb haben. Dafür muss aber die Ladeinfrastruktur da sein“, so Alexander Vlaskamp, Vorstandsvorsitzender von MAN Truck & Bus. Er fordert von der Politik, dass die Ziele für Ladestationen und den erforderlichen Flächen- und Energiebedarf entsprechend konkretisiert werden.
360-Grad-Beratung für eMobilität
E-Mobilität ist ein Projektgeschäft. Man muss sich Gedanken über den tatsächlichen Reichweitenbedarf in allen Situationen machen. Ebenso über das Laden am Betriebshof oder außerhalb und wie dieses realisiert werden kann. MAN unterstützt potenzielle Kunden des eTruck mit einer umfassenden Beratungsleistung und Bedarfsermittlung, um eine Umstellung von Flotten oder einzelner Fahrzeuge auf E-Trucks zu ermöglichen. Das alles sollte frühzeitig angegangen werden, denn die Errichtung von Ladeinfrastruktur ist mehr, als nur das Aufstellen einer Säule: Das Netz und auch der unmittelbare Anschluss müssen dafür geeignet und vorbereitet sein, mitunter ist das Verlegen von neuen Kabeln und Transformatoren durch den Stromversorger nötig – ein Projekt, das von der Planung bis zur Umsetzung schnell einmal 18 Monate in Anspruch nehmen kann.
Begleitend zu den Fahrzeugen gibt es deshalb das 360 Grad eMobility Consulting von MAN: Dieses umfasst neben der Beratung zum geeigneten Fahrzeug auch die Betrachtung kundenspezifischer Einsatzbedingungen, Kostenoptimierung, Routenanalyse und Flottenoptimierung. Durch die Kooperation mit den Partnern ABB, Heliox und SBRS-Schaltbau bietet MAN Transport Solutions schon jetzt auch die passende Ladeinfrastruktur an. Zusätzlich unterstützen digitale Tools wie der neue MAN eReadyCheck. Mit diesem können Kunden überprüfen, ob sich ihre Lieferrouten rein elektrisch fahren lassen. Ein weiteres Angebot ist der MAN eManager, mit dem Fuhrparkmanager die wichtigen Ladeinformationen aller Trucks der Flotte stets im Blick haben.