Interview : „Entscheidungen fallen sehr kurzfristig“
Wie ist das heurige Jahr für Meiller in Österreich bisher verlaufen?
Das heurige Jahr ist sicher turbulent aber trotzdem positiv losgegangen. Seit Jänner produzieren wir in unserem neuen Werk und haben eine sehr stabile Auslastung für die nächsten Monate. Leider mussten wir aufgrund der vielen Covid-19-Erkrankungen in unserer Umgebung, zum Schutz unserer Mitarbeiter, die Produktion für sechs Wochen unterbrechen und die für April geplante Eröffnungsfeier auf längere Zeit verschieben. Hierbei möchte ich mich besonders für das Verständnis unserer Kunden und Mitarbeiter bedanken. Seit Anfang Mai sind wir wieder in Vollbetrieb. Sowohl der Auftragseingang als auch die Versorgung mit Fahrgestellen und Material laufen gut.
Zusammengefasst – ein turbulentes, aber trotzdem sehr positives Jahr! Es ist uns gelungen, das Unternehmen innerhalb von drei Wochen an den neuen Standort zu übersiedeln. Die Mitarbeiter haben sich gut eingearbeitet und unsere Kunden genießen die Nähe zur Autobahn. Der Markt ist sicher turbulenter geworden. Entscheidungen fallen sehr kurzfristig. Darauf muss man sich einstellen und das haben wir. Mit Vorratsfahrzeugen, Lagersatteln und Geräten, die schon lange vor der Corona-Krise vorbereitet wurden, haben wir die richtigen Produkte für unsere Kunden.
Kann man den Umsatzund Produktionsausfall von März und April über das Gesamtjahr gesehen überhaupt noch aufholen? Außerdem sollten mit dem neuen Werk die Lieferzeiten verkürzt werden. Vor Verkündung der Corona-Maßnahmen standen diese bei fünf Monaten. Das muss nun vermutlich etwas nach hinten verschoben werden?
Richtig. Wir sind mit einem sehr hohen Auftragsstand – der weit in das neue Jahr hineinreichte – gestartet. Auch der Auftragseingang war zu diesem Zeitpunkt sehr gut. Und dann sperrt man ein Unternehmen abrupt für sechs Wochen zu – das lässt sich nur schwer ausgleichen. Wobei uns natürlich zugute kommt, dass wir mit dem neuen Werk in Oed einen deutlich höheren Ausstoß haben. Wir werden die sechs Wochen in nächster Zeit sicher wieder aufholen und unsere Lieferzeiten den Anforderungen anpassen. Aber natürlich werden der verlorene März und April eine Umsatzdelle in der Jahresbilanz bringen.
Wir fertigen von Oed aus für unterschiedlichste Märkte kundenspezifische Lösungen, die wir selbst konstruieren und wofür wir das Engineering im Haus haben"Gerhard Schnittler
Die Hoffnung war und ist, auch gesamtwirtschaftlich gesehen, dass sich vor allem die Baubranche nach der Krise rasch erholen kann. Immerhin hat man am Bau saisonbedingt Erfahrung mit dem raschen „Hochfahren“ – wie schätzen Sie die Chancen ein, dass dies nun auch nach der Coronakrise gelingt?
Solche Situationen hat es auch in der Vergangenheit gegeben. In der letzten Wirtschaftskrise haben wir gelernt, dass die Bauwirtschaft gerade mit zusätzlichen Investitionen in die Infrastruktur, rasch wieder Fuß fasst. Generell sehe ich die Bauwirtschaft jedoch aus heutiger Sicht weniger getroffen als manch andere Branchen.
Das neue Werk in Oed ist ein Meilenstein in der Geschichte von Meiller Österreich – Wie sehen nun die weiteren Pläne aus? Welche Ziele hat der Konzern in der Alpenrepublik und welche Services und Produktinnovationen dürfen Kunden in Zukunft erwarten?
Wir profitieren von der Autobahnnähe und der hervorragenden Lage. In den nächsten Monaten wollen wir uns hier weiter festigen und das Geschäft ausbauen. Wir haben zur Unterstützung gerade einen weiteren Vertriebsmitarbeiter aufgenommen, der zusätzlich für den Raum Wien tätig ist. Auch in unserem Verkaufsgebiet in der Schweiz haben wir einen zusätzlichen Verkäufer. Insgesamt können wir sehr positiv nach vorne schauen. Nur sehr wenige Unternehmen in der derzeitigen Situation bauen Mitarbeiter auf und verstärken das Vertriebsteam. Wir haben das immer so gemacht. Auch in schlechten Zeiten haben wir Investitionen in die Zukunft getätigt.
Im Konzern sind wir die Spezialisten für Sonderaufbauten, die wir nicht nur nach Österreich sondern immer mehr in Exportmärkte und nach Deutschland liefern.
Mit den Sonderfahrzeugen für Deutschland spielen Sie vermutlich darauf an, dass Oed nicht nur Montagestandort sondern auch ein Planungsstandort für Spezialaufbauten ist?
Genau. Wir fertigen von Oed aus für unterschiedlichste Märkte kundenspezifische Lösungen, die wir selbst konstruieren und wofür wir das Engineering im Haus haben. Wir haben auch eine neue Produktpalette in Planung, die wir im kommenden Jahr präsentieren. Wir wollen für das Baugewerbe eine Pritschen-Brücke für Frontkranfahrzeuge konstruieren, die extrem nieder aufgebaut ist, aber den Komfort und die Stabilität eines Meiller-Kippers bietet. Mit dem Projekt wollen wir in eine Nische eintreten, weil auch Containertransporte zunehmend ein Thema sind. Das Produkt soll die Robustheit eines Meiller Baumeister-Kippers und die Höhe eines Pritschenfahrzeugs kombinieren. Damit sind 2,80 Meter hohe Container gesetzeskonform transportierbar. Im Prinzip ist das dann die Baumeister-Pritsche mit allen Bordwandfunktionen und Stabilitätsmerkmalen des Meiller-Kippers.
Sie sind seit Jahrzehnten mit Meiller verbunden, Ihr Name ist aus dem Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Insbesondere mit ihrem Engagement im Zusammenhang mit dem Werksneubau haben Sie Meiller Österreich nachhaltig Ihren Stempel aufgedrückt. Wie schauen Ihre Zukunftspläne aus? Denken Sie manchmal schon ans Aufhören?
Nein (lacht). Mit 52 Jahren ist das Denken ans Aufhören zwar erlaubt, aber nicht zeitgerecht. Ich bin seit 36 Jahren im Unternehmen in unterschiedlichen Funktionen, beginnend vom erlernten Beruf über Kundendienst, Ersatzteilwesen, Verkäufer bis hin zu meiner Funktion als Geschäftsführer in der Schweiz und Prokurist und Vertriebsleiter im Hause. Es macht Spaß, es ist sicher nicht jeder Tag leicht, das muss man auch ganz ehrlich sagen, aber klares Ziel ist: Man darf sich, wenn ein bisschen Wind geht, nicht immer gleich verstecken. Man muss das Schiff weiter zielgerecht in die Zukunft steuern. Wir haben klare Ziele und ich werde mich persönlich dafür einsetzen, dass der Weg (des Wachstums, Anm.) von 7 auf 40 Millionen nicht hier endet, sondern in Zukunft weitergeht.