Gastbeitrag : E-Mobilität: Wie Logistik die Ladeinfrastruktur des neuen Zeitalters fördern kann
In wenigen Sektoren hat sich zuletzt so viel getan wie in der Mobilität. Langsam, aber sicher wird der Wandel hin zum elektrischen Fahren nachhaltig eingeleitet. Auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Zukunft ist ein harmonisches gesellschaftliches und wirtschaftliches Zusammenspiel unabdingbar. Mithilfe von staatlichen Kaufprämien belohnt Europa die Entscheidung für elektrische und hybride Fahrzeuge und immer mehr Menschen nehmen das Angebot an. Während es 2018 noch rund 20.000 waren, so fahren in Österreich inzwischen gut 59.000 zugelassene Elektroautos auf den Straßen. Doch trotz dieses Wachstums ist dies nur ein Bruchteil, nämlich 1,2 Prozent des gesamten Pkw-Bestandes.[1] Wichtig, um dies nach vorne zu treiben, ist der Ausbau der Ladeinfrastruktur. Dieses Jahr könnte die entscheidende Trendwende in der Mobilität markieren und den für die technologische Entwicklung typischen langwierigen Start endlich hinter sich lassen.
Ein Indikator für den Kipppunkt ist der Geschäftserfolg von Marktführer Tesla. Während das Unternehmen 2019 kurz vor der Insolvenz stand, verkaufte der E-Autobauer ein Jahr später 360.000 Fahrzeuge des Model 3 und erreicht heute das Vielfache seines damaligen Börsenwerts. Anfang des Jahres kündigte darüber hinaus die weltgrößte Dieselmotorenfabrik, das Werk von PSA Peugeot Citroen im französischen Trémery, an, die Produktion weitgehend auf Elektromotoren umzustellen. Prognosen der Marktforscher von IHS Markit bestätigen die Entwicklung und gehen von einem Anstieg der Verkäufe von Elektrofahrzeugen um 70 Prozent in diesem Jahr aus. Bis 2025 soll der Absatz jährlich um mehr als 50 Prozent steigen.[2] Nach dem Electric Vehicle Index von McKinsey entwickelte sich Europa mittlerweile zum Hotspot der Elektromobilität, Deutschland ist mit über 110.000 verkauften E-Autos 2019 der größte europäische Markt.[3]
E-Mobilität nimmt Fahrt auf
Auch für die Logistik gerät der Einsatz von Elektrofahrzeugen zunehmend ins Blickfeld. Denn aufgrund des Pariser Klimaabkommens planen immer mehr europäische Städte Verbrenner-Fahrverbote in naher Zukunft. Die meisten Transporter der Kurier-, Express- und Paketdienste fahren mit Dieselmotoren und dürften von den Logistikzentren an den Stadträndern somit bald nicht mehr die urbanen Zielorte ansteuern. So sollen bis 2023 alle spanischen Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern den Verkehr besonders klimaschädlicher Fahrzeuge in bestimmten Zonen verbieten. Paris will ab 2024 ein komplettes Dieselfahrverbot erlassen und Norwegen plant als erste Nation ein landesweites Verbot bis 2025.
Wachsendes Angebot an Elektro-Nutzfahrzeugen
Noch ist das Angebot an Elektro-Nutzfahrzeugen für die Logistik überschaubar, wächst aber rapide. Anders als häufig behauptet, schließen sich schwere Nutzfahrzeuge und E-Mobilität nicht mehr aus, insbesondere weil Autobauer die Leistungsfähigkeit der Lithium-Ionen-Batterien und Elektromotoren erheblich verbessern konnten. Die Deutsche Post will dementsprechend bis 2030 den Anteil der E-Fahrzeugflotte auf der letzten Meile von weltweit 18 auf 60 Prozent steigern und Tesla hat die Serienproduktion und Auslieferung seines E-Lkw Semi für dieses Jahr angesetzt. Jeff Bezos, Geschäftsführer von Amazon, kündigte für seinen Onlineversandhandel sogar die „nachhaltigste Transportflotte der Welt“ an. Der Onlinehändler untermauerte die Aussage mit der Bestellung von 100.000 elektrischen Lieferwagen beim Start-up Rivian Automotive.
Auf Dauer könnten die E-Lieferwagen für die Logistik nicht nur nachhaltiger, sondern auch günstiger sein, da die Elektromotoren seltener in die Reparatur gegeben werden müssen. Außerdem bietet das Verkehrsministerium im Rahmen der Förderrichtlinie Elektromobilität seit März gewerblichen Unternehmen erstmals die Möglichkeit, Förderanträge für den Ausbau ihrer elektrischen Fahrzeugflotten und deren Ladeinfrastruktur zu stellen. Dass sich Unternehmen entlang der Lieferkette intensiver mit der E-Mobilität auseinandersetzen, liegt auch an den geänderten Konsumentenbedürfnissen. Statt Schnelligkeit steht bei vielen Konsumenten vermehrt die Nachhaltigkeit im Fokus, die Branche muss sich dementsprechend anpassen.
Alternative zu Ladepunkten
Laut des Bundesverbands Elektromobilität stehen in Österreich rund 8.000 öffentlich zugängliche E-Ladestellen zur Verfügung.[4] Die Errichtung einer Schnellladeinfrastruktur erfordert jedoch mehrere hunderttausend Ladepunkte und tausende Stationen in der Größe von Tankstellen. Die Tankstellen allein können die notwendige Ladeinfrastruktur für die Mobilitätswende aber nicht in ausreichendem Umfang bereitstellen. Auch können die Betreiber ihre Anlagen nicht einfach umrüsten, denn die Mehrzahl der Fahrzeuge wird auch mittelfristig mit fossilen Brennstoffen betrieben. Ladesäulen bei Supermärkten, Hotels oder Bahnhaltestellen decken die rapide ansteigende Nachfrage in wenigen Jahren ebenfalls nicht. Das entscheidende Nadelöhr der Elektrifizierung sind dabei nicht technische Ausrüstung oder Ressourcen, sondern der Flächenmangel.
Logistikimmobilien bieten Platz für Ladeinfrastruktur
Wo die zu elektrifizierenden Lastwagen und Transporter ein- und ausfahren, gibt es jedoch Platz: in den Logistikimmobilien. Auf dem Gelände gibt es Parkflächen, die Raum für Ladesäulen bieten, außerdem befinden sich die Immobilien in Ballungsgebieten oder verkehrstechnischen Knotenpunkten mit praktischer Anbindung an die Autobahnen. Durch den zunehmenden Marktanteil des Onlinehandels verzeichnet die Nachfrage an Logistik- und Lagerimmobilien hohe Wachstumsraten. Die Investitionen erreichen immer neue Höchststände, bis 2030 liegt der jährliche Neubauflächenbedarf in Deutschland bei rund sieben Millionen Quadratmetern.[5] Berücksichtigen Projektverantwortliche bei der Konzeption dieser Logistikstandorte verschiedene Lösungen für die Elektromobilität, könnten sich die Logistikunternehmen als ein wichtiger Treiber der Ladeinfrastruktur etablieren. Der Eigentümer und Entwickler von Logistikimmobilien P3 Logistic Parks setzt diese Pläne bereits um. Beispielsweise für das Logistikzentrum in Ansbach bei Nürnberg, das über E-Ladestationen auf dem Pkw-Parkplatz verfügen wird.
Ladepunkte allein reichen für die E-Infrastruktur der Zukunft jedoch nicht aus, insbesondere das Aufladen großer Batterien für Trucks erfordert eine ausgeklügelte Neuplanung der Gebäude und angrenzenden Infrastruktur. Batterien für Lkws und KEP-Fahrzeuge müssen sich bereits während des Be- und Entladens an den Toren ans Netz anschließen lassen, um Ausfallzeiten zu verringern. Logistikzentren der Zukunft könnten außerdem elektrische Fahrzeuge aller Art mit Strom versorgen, das gilt für 40-Tonnen-Fahrzeuge ebenso wie für Sprinter und E-Bikes.
Logistikimmobilien mit E-Infrastruktur erleichtern nicht zuletzt ihren Mietern, zahlreichen Unternehmen in Industrie und Handel, den Einstieg in die Elektromobilität. Besonders profitieren Standorte mit vielen Beschäftigten, die Elektrofahrzeuge einsetzen, wie beispielsweise Onlinehändler oder Logistik- und Postunternehmen. DHL hat bereits mehrere tausend Ladepunkte an Logistik-Standorten in Deutschland installiert. Der Paketdienst rüstet hierfür bestehende Logistikzentren nach und plant neue Standorte mit einer integrierten Infrastruktur für strombetriebene Fahrzeuge.
Grüner Strom in Logistikzentren
Die elektrischen Lieferautos stoßen zwar keine Emissionen auf der letzten Meile in den Städten aus. Ob die Antriebe tatsächlich CO2-neutral fahren, hängt aber von der Art des Stroms an den Ladesäulen ab. Logistikgebäude setzen deswegen immer häufiger großflächige Photovoltaikanlagen auf ihren Dächern ein. Auch eigene Windkraftanlagen könnten bald zur Ausstattung gehören. Betreiber würden die Möglichkeiten haben, die grünen Stromquellen zu einem parkweiten Mikronetz zu kombinieren, das alle Mieter mit erneuerbarer Energie versorgt, einschließlich der Bereitstellung von Schnellladestationen für gewerbliche Fahrzeuge. Der von diesem Mikronetz erzeugte Strom könnte sogar für eine Onsite-EV-Servicestation verwendet werden, an der private Nutzer ihre Fahrzeuge gegen Bezahlung aufladen.
Amazon installierte bereits auf den Dächern von 50 seiner weltweiten Fulfillment-Zentren Solaranlagen, darunter eine 80.000 Quadratmeter umspannende Installation in Colorado, USA. Ein weiteres Beispiel ist Nike. Der Sportartikelhersteller eröffnete 2019 ein 1,5 Millionen Quadratmeter großes Distributionszentrum in Ham, Belgien, und betreibt dieses vollständig mit Wind-, Solar-, Erdwärme-, Wasserkraft- und Biomasse-Energie.
Für Logistikzentren stellt die Inbetriebnahme einer Ladestation unter Verwendung von eigenem, nachhaltigem Strom mehr als nur einen Beitrag zur Nachhaltigkeit dar. Energy as a Service (EaaS) setzt, als durchaus rentables Geschäftsmodell, direkt an der Stelle an, wo Nutzer und Mieter Bedarf zeigen. Ebenfalls direkt auf dem Grundstück können weiterhin unternehmenseigene E-Fahrzeuge zur Verfügung gestellt werden, die den On-Demand-Service eines Logistikzentrums komplettieren. Auf diese Art können Logistikunternehmen einen wichtigen Beitrag zu nachhaltiger Mobilität leisten.
Über den Autor
Sönke Kewitz ist Geschäftsführer von P3 Logistic Parks Deutschland, einem langfristigen Eigentümer und Entwickler von Logistikimmobilien mit mehr als 6,7 Mio. m² vermietbarer Fläche und einer umfangreichen Landbank für weitere Entwicklungen. Seit knapp 20 Jahren investiert das Unternehmen auf den europäischen Märkten und ist inzwischen in zwölf Ländern aktiv. Mit Hauptsitz in Prag beschäftigt P3 mehr als 200 Mitarbeiter in elf Büros in wichtigen europäischen Städten und unterstützt Kunden aus unterschiedlichsten Branchen von der Standortwahl über die Genehmigung, Beschaffung und Konstruktion der Logistikimmobilien hinaus bis zum Property Management.