Traktuell: Herr Baumgartner, es ist bereits bekannt, dass Fercam europaweit der erste Kunde ist, der die Bestellung eines Semi Truck in Auftrag gegeben hat. Warum haben Sie sich denn darauf eingelassen?
Baumgartner: Es ist uns bewusst, dass wir unsere CO²-Bilanz mit dem Ankauf dieses ersten E-LKW nicht grundlegend verändern werden, aber es war uns wichtig, aufzuzeigen, dass ein wirklich großes Interesse besteht - selbst bei unseren Kunden. In erster Linie wollen wir einfach Neues probieren und testen. Wir haben auch die Präsentation des Nikola Trucks verfolgt, Modelle von Cummings und anderen Herstellern. Unsere Bestellung ist auch als Aufruf in Richtung europäischer Hersteller zu sehen, die uns gegenüber bisher eher zurückhaltend agiert haben.
Traktuell: Ihr Fuhrpark besteht zum überwiegenden Teil aus LKW der Marke Daimler, die ebenfalls einen vollelektrischen Truck präsentiert haben. Zu lesen war, dass Sie sich auch für diesen Hersteller interessiert haben. Gibt es bereits ein Zusage?
Baumgartner: Daimler hätte drei durchaus interessante Modelle für uns im Programm: den kürzlich vorgestellten 26-Tonner sowie den Fuso eCanter und Fuso Vision One. Fixe Zusagen gibt es aber leider noch keine.
Traktuell: Wie steht es um das Interesse für einen T-Pod von Einride?
Baumgartner: Einride haben wir vor ein paar Monaten kontaktiert, weil wir für einen Kunden ein Projekt erstellen wollten; bis heute aber leider ohne Feedback. Eine positive Wirkung hat sich nach unserer Ankündigung des Semi Truck-Kaufs insofern gezeigt, als wir von der Firma Framo kontaktiert wurden, die MAN Trucks elektrifizieren. Hier glaube ich, gibt es konkret und kurzfristig die besten Chancen an einen weiteren E-Truck zu kommen.
Traktuell: Wie ebenfalls bekannt ist, stellten die Beschränkungen bei der Vorreservierung eine große Hürde dar. Wann schätzen Sie, dass der Semi Truck, der 2019 offiziell in Produktion geht, im Fuhrpark von Fercam stehen wird?
Baumgartner: Die Vorreservierung war nur für US-amerikanische Unternehmen möglich, weshalb wir die Bestellung dank unseres Transport- und Logistikpartners MAO Inc. (Mid-America Overseas, red. Anm.) vorgenommen haben. Der LKW sollte 2019 ausgeliefert werden und davon gehen wir auch aus, zumal die unsere zu den ersten Vorbestellungen gehört.
Traktuell: Nutzfahrzeugexperten zeigen sich darin einig, dass konventionelle Antriebe bei schweren LKW noch lange zum Einsatz kommen werden, da im Transportwesen hohe Ansprüche an Materialrobustheit und Ausdauer existieren. Auch die begrenzte Reichweite von E-Trucks ist eine Hürde. Wie weit soll es der Semi Truck im Einsatz schaffen, damit sich die Haltungskosten für das Fahrzeug überhaupt rentieren?
Baumgartner: Was der Tesla Truck an Reichweite verspricht (bis zu 800 Kilometern, red. Anm.) ist mit heutiger Batterie-Technik noch gar nicht möglich. Also muss in den nächsten Jahren noch sehr vieles passieren, damit der LKW auch das einhält, was eingangs versprochen wurde. Die Herausforderungen sind sehr hoch, aber auch der technologische Fortschritt war in den letzten Jahren rasant. Sicherlich werden, besonders im Fernverkehr, noch lange konventionelle Antriebe dominieren. Wir denken auch mehr an einen Einsatz im Intermodalverkehr Schiene/Straße. Auch die Warenverteilung in Städten ist meiner Ansicht nach ein ideales Einsatzgebiet.
Traktuell: Der Motorverschleiß soll bei E-Trucks geringer ausfallen, weil sie über keine Kupplung, keine Wasserpumpe und keinen Kühler verfügen - ein Ölwechsel wird ohnehin obsolet. War die Hoffnung auf niedrigere Wartungskosten Mitgrund für die Bestellung?
Baumgartner: In puncto Wirtschaftlichkeit hoffen wir derzeit lediglich auf eine Kostengleichheit von E- Antrieb und Dieselantrieb. Die Anschaffungskosten des Elektro-Trucks sind zweifellos höher. Wir gehen aber davon aus, dass es dafür bei den typischen Verschleißteilen Einsparungen geben wird. Gespannt sind wir allerdings schon auf die Beschleunigung des Semi Trucks.