Mitten im Herbst meldete sich der Sommer noch einmal zurück und so fanden wir ideale Testbedingungen vor: Die Temperaturen bewegten sich tagsüber zwischen 18 und 21° C, es war trocken und gab kaum Wind. Auch verkehrstechnisch sind kaum Behinderungen erwähnenswert, abgesehen von einer Baustelle auf der S 6, die uns auf 60 km/h abbremste, leicht reduziertem Tempo auf der A9 vor Graz aufgrund von erhöhtem Verkehrsaufkommen und einer Behinderung durch langsame Fahrzeuge über den Wechsel vor Schäffern. Alles in allem waren die Bedingungen somit günstig und das Verbrauchsergebnis ist relevant.
Downsizing beim Motor
455 PS Leistung hat der Actros 1846 in der zum Test angerollten Version. Diese entlockt er einem OM 470 Motor der zweiten Generation mit nur 10,7 Litern Hubraum – Downsizing ist also angesagt bei Mercedes. Auf den Spritverbrauch scheint dies durchaus den gewünschten Effekt zu haben: Denn die 25,1* Liter auf 100 Kilometer liegen nahe am Rekordwert unserer Teststrecke und sind das beste Ergebnis, seitdem wir im Frühjahr unsere Messmethode mittels Temperaturkompensation verfeinert haben. Hinzu kommt ein Nutzlastvorteil des OM 470 von 150 kg gegenüber dem „größeren Bruder“ im Motorenportfolio von Mercedes, dem OM 471 mit 12,8 Liter Hubraum.
Der OM 470 zeichnete sich im Test durch hohe Laufruhe aus, was nicht zuletzt dem druckverstärkten X-Pulse Common-Rail-Einspritzsystem geschuldet ist. Die Einspritzung der neuen Motorengeneration wurde dabei nochmals erhöht und beträgt bis zu 2.100 bar unter Volllast, sodass die Nenndrehzahl für die maximale Leistung auf 1.600 U/min abgesenkt werden konnte. Um dem Aggregat die hohen Zugkräfte abzuringen – aus jedem Liter Hubraum werden immerhin 206 Newtonmeter herausgeholt – hat Mercedes zudem einen asymmetrischen Turbolader entwickelt, der auch in eigener Fertigung in Mannheim produziert wird. Dieser sorgt dafür, dass optimale Leistung und Drehmoment über einen breiten Drehzahlbereich zur Verfügung stehen.
Im Test gab der Actros 1846 eine solide Leistung ab und insbesondere im langen Geradeauslauf und auf den Gleitpassagen konnten wir einiges an Spritsparpotenzial mit der abgespeckten Maschine heben. Der kontinuierliche Dauerlauf liegt dem OM 470-Motor zweifellos, allerdings schwächelt er bei extremen Steigungen. Das machte sich insbesondere auf dem langen Anstieg über den Semmering bemerkbar, wo wir uns mit 43 km/h im 9. Gang an unserem Geschwindigkeitsmesspunkt vorbei schleppten. Die Abfahrt Schäffern am Wechsel passierten wir hingegen, trotz Behinderung in der Steigung, mit 79 km/h – ein absolut vorzeigbarer Wert.
Zwei Hubräume für die gleiche Leistungsstufe
Daimler stellt für die gleiche Leistungsstufe unterschiedliche Hubräume zur Verfügung und bietet den Actros auch mit dem Motor OM 471 mit 12,8 Litern Hubraum und 450 PS an. Das Drehmoment der beiden Maschinen ist mit 2.200 Newtonmetern ident, allerdings mobilisiert der OM 471 im 12. Gang noch einmal 200 Newtonmeter Extra-Drehmoment (TopTorque). Womöglich könnte man damit auch eine längere Übersetzung der Hinterachse wählen. Unser Testfahrzeug hat eine Achsübersetzung von i=2,611 und läuft bei Tempo 85 auf 1.200 Umdrehungen. Das höchste Drehmoment liegt jedoch nominell bei 1.100 Umdrehungen an. Mit dem größeren Motor könnte man eventuell eine Übersetzung von i=2,533 wählen und so die Drehzahl bei Höchstgeschwindigkeit senken. Ohne weiteren Test mit exakter Messung lässt sich jedoch keine Aussage treffen, ob sich dadurch nochmalige Verbrauchseinsparungen erzielen ließen. So oder so ist unser 1846er aber auch jetzt schon eines der sparsamsten Fahrzeuge, die der Markt derzeit zu bieten hat.
Fahrkomfort und Kabine
Wie man es von Mercedes gewohnt ist, kann man sich über mangelnden Komfort als Fahrer nicht beschweren. Die Sitzqualität ist hervorragend, das Cockpit übersichtlich gestaltet und alle wesentlichen Dinge – inklusive Kühlschrank – sind für den Fahrer optimal erreichbar. Die StreamSpace Kabine kommt ohne Motortunnel aus, ein großes Gepäcknetz über der Liege bietet viel Stauraum. Auch die Isolierung des Fahrerhauses gegen Wind-, Fahr- und Motorgeräusche ist absolute Oberklasse. Der Actros bleibt stets stabil in der Spur und korrigierende Lenkeingriffe sind kaum nötig. Auch Bodenunebenheiten und etwaige Vibrationen vom Straßenbelag her werden schon vom Fahrwerkt gut absorbiert, sodass sie kaum von der Sitzfederung kompensiert werden müssen. Nur selten, bei starken Querrillen, die im 90 Grad Winkel zur Fahrbahn verlaufen, muss der Sitz ein starkes Einnicken der Kabine abfedern.
Schwache Maschine – Hohe Durchschnittsgeschwindigkeit
Wir fuhren, wie üblich, mit 85 km/h Marschgeschwindigkeit und erlaubten dem GPS-Tempomaten einen Überschwinger von +5 km/h sowie eine Temporücknahme von -10 km/h am Berg, um Sprit zu sparen. Interessanterweise nutzte der Actros diese 10 km/h Temporeduktion fast nie zur Gänze aus. Bergab überschritt das Fahrzeug die gesetzten +5 km/h hingegen großzügig. Der Grund: Daimler schickte unseren Actros ohne Retarder zum Test, sondern lediglich mit einer dreistufigen Motorbremse. Diese war jedochbei steilen, langen Abfahrten wohl nicht zuletzt aufgrund des geringen Hubraums überfordert und schaffte es nicht, den Lkw unter 90 km/h zu halten. Gelegentlich kamen wir sogar den 95 km/h sehr nahe und die Motorbremse schaltete sich ab, um Schaden am Aggregat zu verhindern. In der Folge wurden wir per Warnton und Info auf dem Display aufgefordert, die Geschwindigkeit zu reduzieren. Da half dann nur der Tritt auf die Betriebsbremse, um das Fahrzeug wieder in den Griff zu bekommen und ein mögliches Strafmandat zu vermeiden – von der Gefahr eines außer Kontrolle laufenden Lkw bergab ganz zu schweigen. So erklärt sich denn auch die hohe Durchschnittsgeschwindigkeit, die wir insbesondere auf den langen Abfahrten über Semmering und Wechsel (unfreiwillig) erzielten.
Fazit
Unser Testfahrzeug ist ein grundsolider Dauerläufer, dessen Stärke vor allem in dem herausragend niedrigen Spritverbrauch zu sehen ist. Im Gleitflug und im Geradeauslauf, vorzugsweise auf geraden und leicht hügeligen Strecken, brilliert der OM 470-Motor mit Laufruhe sowie maximaler Effizienz. Obendrein ist er auch recht sparsam im AdBlue-Konsum. Der Gewichtsvorteil von 150 kg gegenüber dem großvolumigeren Aggregat macht die 10,7-Liter-Maschine insbesondere auch für nutzlastsensible Transporte interessant.
Die hohe Durchschnittsgeschwindigkeit auf unserer Teststrecke sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Fahrzeug bei voller Beladung für steile Anstiege eher schwach motorisiert ist. Und zu guter Letzt möchten wir unseren Lesern jedenfalls wärmstens empfehlen, im Falle der Anschaffung nicht auf einen Retarder zu verzichten – wer in den Alpen unterwegs ist, spart hier definitiv am falschen Fleck.