Ein starkes Duo : Mercedes Arocs Baufahrzeuge im Test
Daimler zeigt mit zwei unterschiedlich konfigurierten Vierachs-Kippern, dass die Arocs Baufahrzeuge auch abseits der Straße hohen Ansprüchen an Funktionalität, Komfort, Benutzerfreundlichkeit und Sicherheitstechnik genügen. Als herausragende Innovationen ist hier mit Sicherheit die neue Elektrohydraulische Lenkung zu nennen, welche eine leichtgängige Steuerung selbst schwerstbeladener Fahrzeuge ohne Kraftaufwand ermöglicht. Ein weiteres, innovatives Assistenzsystem ist PPC (Predictive Powertrain Control), das sowohl Topographie, Beladung als auch Geschwindigkeitsbeschränkungen berücksichtigt. In Verbindung mit dem Abstandsregeltempomaten ACC erfolgt die Steuerung der Fahrgeschwindigkeit damit komplett automatisiert und innerhalb der legalen Geschwindigkeitsgrenzen – lediglich die Berücksichtigung anderer Verkehrsteilnehmer an Kreuzungen und Kreisverkehren sowie die Querführung muss weiterhin aktiv gesteuert werden. Wird zusätzlich noch der Automated Drive Assist (ADA) im Fahrzeug verbaut, so kann das Fahrzeug – auf der Autobahn – sogar die Spurführung selbst übernehmen. PPC, ACC und ADA sind allerdings nur Assistenzsysteme, die Verantwortung obliegt immer dem Fahrer!
Intuitives Schaltkonzept
In sich schlüssig und nahezu selbsterklärend ist die Bedienung des automatisierten Schaltgetriebes am Lenkstockhebel. Durch Drücken desselben kann man zwischen den Modi Economy, Offroad und Manuell wechseln. Im Offroad-Modus wird erst später geschalten, die Drehzahl ist damit höher. Das ist abseits der Straße von Vorteil. Im besonders schweren Gelände will man hingegen jeglichen, ungeplanten Schaltvorgang vermeiden. Dafür ist der manuelle Schaltmodus optimal, wobei der Lenkstockhebel in diesem Fall zugleich als Schaltwippe für den Gangwechsel dient. Diese Funktion steht übrigens auch im Automatikmodus zur Verfügung, sodass der Lenker jederzeit und bei jeder Einstellung in die automatisierte Getriebesteuerung eingreifen kann.
Modernste Sicherheitstechnik
Ein absoluter Vorreiter ist Daimler auf dem Gebiet der Sicherheitstechnik: So gibt es den Notbremsassistenten bei Mercedes nicht nur für Lkw im Straßeneinsatz, sondern auch für die Arocs-Offroad-Fahrzeuge. In der neuesten Generation schafft der „ABA 5“ innerhalb der Systemgrenzen eine Bremsung bis zum Stillstand aus einer Geschwindigkeit von 80 km/h. Das ist eine deutliche Übererfüllung der gesetzlichen Vorgabe, die lediglich eine Verringerung der Aufprallgeschwindigkeit vorsieht. Zudem ist der ABA 5 der erste Notbremsassistent, der auch eine Teil- und Vollbremsung auf Fußgänger einleitet.
Verfügbar ist außerdem ein Spurwechselassistent, der vor Fahrzeugen neben dem Lkw warnt. Demnächst soll zudem auch bei den Offroad-Fahrzeugen ein werksseitiger Abbiegeassistent bestellbar sein, um die Sicherheit von Fußgängern und Fahrradfahrern im toten Winkel zu erhöhen. Aktuell ist dieser als Nachrüstlösung erhältlich.
Allrad und HAD-Antrieb
Für unterschiedliche Einsatzgebiete stehen verschiedenste Antriebsvarianten zur Verfügung: So können wahlweise nur eine bzw. zwei, drei oder alle vier Achsen mit einem mechanischen Antrieb ausgestattet werden. Alternativ zum mechanischen Allrad, lässt sich der Lkw auch mit dem zuschaltbaren, hydraulischen Zusatzantrieb HAD konfigurieren. Dieser spart gegenüber einem permanenten Allrad rund 500 Kilogramm Eigengewicht und ist bis zu einer Geschwindigkeit von 30 km/h verfügbar. Gegenüber einem zuschaltbaren, mechanischen Allrad beträgt der Vorteil immerhin noch 350 Kilo. Gerade bei nutzlastsensiblen Transporten ist der HAD damit ein guter Kompromiss zwischen Traktion und Wirtschaftlichkeit.
Arocs 4151 K für schwere Lasten
Für besonders schwere Aufgaben bringt Daimler einen Arocs 4151 K mit zum Test. Mit 41 Tonnen technischem Gesamtgewicht ist dieser ein echter Lastenbüffel, wenn es um die Materialbeförderung abseits der Straße geht: 13-Tonnen-Hinterachsen und 8-Tonnen- Vorderachsen in Verbindung mit einem Rahmen aus kaltumgeformtem, hochfestem Feinkornstahl mit einer Längsträgerstärke von 9 mm sorgen für maximale Robustheit. Der 13-Liter-Motor liefert mit seinen 510 PS und 2.500 Newtonmetern Drehmoment eine satte Leistung. Die großvolumige Maschine besticht zudem durch eine starke und gut dosierbare Motorbremsleistung im Gefälle, die insbesondere in Verbindung mit dem Retarder die Betätigung der Betriebsbremse oftmals überflüssig macht.
Das M-Fahrerhaus mit 17 Zentimeter hohem Motortunnel bietet ausreichend Platz und eine gute Übersicht. Ausgestattet ist der komfortable Arbeitsplatz nicht nur mit elektronischen Außenspiegeln, sondern auch mit einem Multimedia-Cockpit. Die Instrumentenkonsole besteht hierbei aus einem 12-Zoll LCD-Display, das dem Fahrer alle wesentlichen Informationen zeitgleich und übersichtlich auf einer Oberfläche zur Verfügung stellt. Mittig am Armaturenbrett ist ein weiteres 10-Zoll-Display angebracht, für das Infotainmentsystem und sonstige Einstellungen, etwa von Klimaanlage, Außen- und Innenbeleuchtung. Gesteuert werden sämtliche Funktionen mit den Daumen am Multifunktionslenkrad, so sind die Hände stets da wo sie sein sollen: Am Steuer!
Arocs 3746 K
Elegant in Silber und mit „nur“ 37 Tonnen Gesamtgewicht und einer niedrigeren Ausführung des M-Fahrerhaus präsentiert sich das Testfahrzeug Arocs 3746 K. Der Motortunnel ragt mit 32 Zentimetern Höhe zwar deutlich weiter in die Kabine, dafür spart sich der Fahrer eine Trittstufe beim Ein- und Aussteigen. Der effiziente 11-Liter-Motor des Typs OM 470 bringt mit knappen 460 PS und 2.200 Newtonmetern Drehmoment immer noch eine passable Leistung und spart gegenüber einer 13-Liter-Maschine 150 Kilogramm an Gewicht ein. Neben optischen Außenspiegeln ist der Silberpfeil auch mit dem sogenannten „Classic Cockpit“ ausgestattet. Statt eines LCD-Displays, sind Drehzahl und Geschwindigkeit von klassischen Zeigerinstrumenten ablesbar, die Einstellung für Fahrlicht, Lüftung und Klimaanlage erfolgt mittels Wählrädern. Für den Baustelleneinsatz hat das auch abseits der Nostalgie einen praktischen Charme: Insbesondere für Grobmotoriker, womöglich auch noch mit Handschuhen, ist die spezielle Touch-Bedienung am Lenkrad des Multimediacockpits eine Herausforderung. Die gewohnten Drehschalter für Licht, Klima und Luftstromregelung sind gegenüber der elektronischen Menüsteuerung zudem völlig selbsterklärend und außerdem übersichtlicher. Im Fernverkehr und im Fall der Übernachtung in der Kabine mag die Vielzahl an Einstellmöglichkeiten beim Multimediacockpit, etwa zur Steuerung des Lichtambientes im Innenraum, ein zusätzlicher Komfortgewinn sein. Im Tageseinsatz auf der Baustelle oder in der Grube ist dies jedoch überflüssig – hier überwiegen die Vorteile des klassischen Cockpits deutlich.
Nicht ganz eindeutig fällt das Urteil beim Vergleich der elektronischen Seitenkameras mit den optischen Spiegeln aus. Der Vorteil der elektronischen Spiegel ist, dass diese unabhängig von der eigenen Sitzposition, stets exakt den relevanten Bildausschnitt neben dem Fahrzeug abbilden – selbst bei geöffneten Türen! Ein weiterer Gewinn ist die einstellbare Linie zur Markierung des hinteren Fahrzeug-Endes: das rückwärtige Heranfahren an die Abkippkante wird dadurch deutlich einfacher. Der Nachteil gegenüber optischen Spiegeln ist allerdings die fehlende Dreidimensionalität des Bildes. Außerdem hat die Kamera nur eine Auflösung von 2,1-Millionen Pixel. Materialeigenschaften und Untergrundbeschaffenheit sind dadurch wesentlich schlechter erkennbar, als dies bei optischen Spiegeln der Fall ist. Die Spiegelkameras sind oberhalb der Fahrzeugtüre angebracht. Dadurch wird der Blick schräg vor das Fahrzeug nicht durch die Spiegelgehäuse behindert, ein Pluspunkt. Andererseits können die Dimensionen der Kamerafühler bei knappen Durchfahrten leichter vergessen werden, womit kostspielige Reparaturen drohen.
Fazit
Ob mit elektrischen Seitenkameras oder herkömmlichen Spiegeln, Classic-Cockpit oder LCD-Instrumenten, Hinterradantrieb, mechanischem Allrad oder zuschaltbarem Hydraulikantrieb – Mercedes bietet bei seiner Baufahrzeugpalette eine Fülle an Konfigurationsmöglichkeiten, Assistenzsystemen und Optionen. Somit lässt sich der Arocs ideal für den jeweiligen Einsatzzweck maßschneidern.