Verkehrssicherheit : Wird Österreich zum Vorreiter-Land bei Lkw-Abbiegesystemen?
„Ich möchte gemeinsam mit den Experten, Interessensvertretungen, Technikern und Politikern den Status Quo diskutieren und zu konkreten Lösungen kommen, um Österreich als Vorreiter-Land zu positionieren“, kündigte Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) im Vorfeld des geplanten Lkw-Sicherheitsgipfels an. Konkret geht es um die rasche Einführung von Abbiegeassistenten für Lkw. „Die technische Machbarkeit der Nachrüstung von Lkw mit Abbiegeassistent ist vorhanden“, so Hofer.
Sparten der Wirtschaftskammer, aber auch der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) haben sich verstärkt für die Einführung solcher Systeme ausgesprochen, nachdem Ende Jänner erneut ein Kind bei einem tragischen Lkw-Unfall gestorben ist. Zu dem geplanten Lkw-Sicherheitsgipfel sind auch Verkehrssprecher der Nationalratsklubs und die Verkehrsstadträte aller Landeshauptstädte geladen.
Projektlauf bis April 2019
Bei dieser Möglichkeit werden erste Zwischenergebnisse des seit 2017 laufenden Projekts „Rundum-Sicht im Straßenverkehr“ vorgestellt. Es geht dabei um 15 Lkw und fünf Busse der Stadt Wien, die zu Testzwecken mit Abbiegeassistenzsystemen ausgerüstet werden. Daran beteiligt sind unter anderem das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT), der WKÖ-Fachverband für das Güterbeförderungsgewerbe, Autofahrerklubs wie der ÖAMTC und der VCÖ. Das Institut für Fahrzeugsicherheit an der TU Graz führt die wissenschaftliche Auswertung durch. Das Projekt läuft noch bis Ende April 2019.
Weitere Themen auf dem Gipfel werden die Analyse von Lkw-Unfallstatistiken, die rechtlichen Rahmenbedingungen für Lkw-Abbiegeassistenzsysteme - falls es zu einer vorzeitigen Einführung in Österreich kommt - sowie die damit verbundenen Kosten der unterschiedlichen Systeme sein.
Stadt Wien rüstet Lkws um
Noch am Montag wurde ein erster Abbiegeassistent in ein Testfahrzeug der Stadt Wien eingebaut, berichtete orf.at. „Wird der Blinker betätigt, wird eine Kamera aktiviert. Befindet sich etwas in diesem Blickfeld, ertönt ein Signal“, sagte die zuständige Wiener Stadträtin Ulli Sima (SPÖ). Nach wenigen Tagen der Praxis soll dann feststehen, ob der flächendeckende Einbau den gewünschten Nutzen bringt. Ist das der Fall, werde der Einbau ab Beginn der kommenden Woche schnell umgesetzt, versprach Sima. Dabei geht es unter anderem um rund 300 Müllfahrzeuge der MA 48.
Bei den städtischen Bussen sehe die Sache anders aus, denn die Sichtsituation sei für den Fahrer eines „Öffi“-Busses eine ganz andere als für einen Lkw-Fahrer. Durch mehr Glas und eine niedrigere Sitzhöhe sei das „Sichtfeld viel freier“, sagte ein Sprecher der Wiener Linien. Das Thema Verkehrssicherheit und vorausschauendes Fahren sei zudem stark in der Ausbildung beziehungsweise den verpflichtenden Nachschulungen für Lenker präsent.
Überdies würden Öffi-Busfahrer wegen ihrer Fahrgäste vorausschauernder fahren, um abruptes Bremsen zu vermeiden und sie kennen die Strecken und örtlichen Gegebenheiten aufgrund der gewohnten Fahrroute gut - etwa wo sich Schulen befinden.
3.000 Euro pro Fahrzeug
Der Umbau auf das von der Stadt Wien getestete System würde pro Lkw 3.000 Euro kosten, bei Neuanschaffungen soll der Abbiegeassistent bereits mitgeliefert werden. Zufrieden sei man in der Vergangenheit übrigens nicht gewesen, man habe in den vergangenen Jahren immer wieder derlei Systeme getestet, argumentierte Sima. Für Mistautos wurde bereits ein spezieller Zusatzspiegel entwickelt, um den toten Winkel zu eliminieren. Dieser kommt bereits bei allen MA 48-Fahrzeugen zum Einsatz.
Gegenüber dem OE1-Abendjournal sagte Peter-Michael Tropper, Geschäftsführer des Fachverband Güterbeförderung der WKÖ, dass zunächst klar zu definieren sei, was der Abbiegeassistent bei neuzugelassenen Lkw können muss. Es müsse obendrein auch geklärt werden, ob die Voraussetzungen bei einer Nachrüstung stimmen.
Fix mit den neuen Abbiegeassistenzsystemen ausgestattet wird der Lkw-Fuhrpark der Verkehrsabteilungen der Stadt (Straßenbau, Brückenbau und Licht). Er umfasst 37 Lkws über 3,5 Tonnen. Die Umrüstung erfolgt ab sofort, gab das Büro von Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) am Montag bekannt.
Die Umrüstung soll in den kommenden Monaten abgeschlossen werden. Die Abteilungen hätten bereits mit den Herstellern Kontakt aufgenommen, heißt es aus Vassilakous Büro. Einige Fahrzeuge sind bereits mit Rückfahrkameras ausgestattet, sie werden ebenfalls umgerüstet.
FPÖ will mehr Umrüstungen
Die FPÖ Wien fordert die Umrüstung aller Fahrzeuge. "Die Maßnahme macht nur dann Sinn, wenn alle städtischen Großfahrzeuge mit einem entsprechenden Abbiegeassistenten ausgestattet werden", reagierte Vizebürgermeister Dominik Nepp (FPÖ) in einer Mitteilung.
Der tote Winkel sei vor allem im städtischen Verkehr eine große Gefahr. "Stadträtin Sima muss eine entsprechende Umrüstung für alle Großfahrzeuge der Stadt veranlassen, um den Wiener Straßenverkehr vor allem für Fußgänger und Schulkinder sicherer zu machen." Sprich: auch die rund 470 Busse der Wiener Linien.
Kritik an „Rechtsabbiegen bei Rot“
Wiener Stadträtin Ulli Sima sieht dagegen Hofers Pilotprojekt „Rechtsabbiegen bei Rot“ kritisch. Hier würden grüne Fußgängerphasen mit dem Abbiegeverkehr zusammentreffen. Das sei „kontraproduktiv“. „Wir in Wien versuchen das gerade etwas zu entzerren“, so die Stadträtin. Auch Leichtfried sprach sich gegen „Rechtsabbiegen bei Rot“ aus. „Damit erhöhen wir das Risiko solcher Unfälle massiv. Gerade für Kinder ist es extrem gefährlich.“
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