Öffentlicher Personen-Nahverkehr : Wiener Linien setzen auf E-Busse und Diesel

TRAKTUELL: Welche Erfahrungen haben Sie bisher mit den E-Bussen gemacht?

Wiesinger: Die Anfangszeit war sehr spannend. Wir waren die ersten, die zwölf Batteriebusse linienmäßig eingesetzt haben. Spannend war, ob wir einen Linienverkehr überhaupt zustande bringen. Das ist uns sehr gut gelungen und mussten den Linienplan dabei nicht ändern. Auch der Winterbetrieb ist sehr gut von Statten gegangen. Die Heizung funktioniert gut – diese ist auch elektrisch bei unseren Bussen. Das muss man extra erwähnen, denn die meisten Batteriebusse haben eine Dieselheizung. Wir wollten wirklich ein hundert Prozent emissionsfreies Fahrzeug in Betrieb nehmen.

Schafft der Bus es, einen ganzen Tag lang vollelektrisch zu fahren oder muss er zwischendurch ausgewechselt werden?

Der Bus kann unendlich viele Runden fahren. Bei unserem Konzept wird er nach jeder Runde geladen. Wir haben dazu bis zu fünfzehn Minuten Zeit, im Sommer ist der Bus in zwei Minuten vollgeladen. Ich kann die Linie also den ganzen Tag ohne Problem betreiben.

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Die Wiener Linien waren im Autobusbereich immer schon sehr innovativ. Früher wurde mit LPG-Bussen gearbeitet, letztendlich hat man aber wieder auf eine Dieselbusflotte umgestellt. Gas ist aus dem Fokus verschwunden, zumindest in Wien. Was sind die Gründe dafür? Halten Sie eine Rückkehr zum Gas, vielleicht nicht zu LPG sondern zu CNG oder LNG, für möglich?

Wir haben alles überprüft, bevor wir auf Diesel umgestiegen sind. Wir haben ein riesen Testprogramm durchgezogen mit 28 Bussen mit unterschiedlichen Antriebssystemen. Darunter waren auch Erdgasbusse, Dieselbusse und alle Formen von Hybridbussen. Es hat sich einfach herausgestellt, dass der Euro 6 Diesel eigentlich der umweltfreundlichste Bus ist. Diese Messungen haben wir mit der TU Graz als externem Partnern durchgeführt, die Messtechnik stammte von AVL.

Erdgas, wenn man die Betankung des Busses mit berücksichtig, ist in Wien nicht umweltfreundlich, weil wir hier nur Niederdruckleitungen haben und keine Hochdruckleitungen. Das heißt, ich hätte von 3,5 bar auf 250 bar verdichten müssen und ich hätte hier als Tankstelle ein Kraftwerk gehabt. Die Verdichter kann ich auch nicht abschalten, weil ich permanent Tanken muss. Damit hätte ich auch noch ein riesen Lärmproblem gehabt und irrsinnig viel Strom gebraucht. Wir hätten einen Kühlturm benötigt, ebenso einen Trocknungsturm. Und die Reichweite eines Erdgasbusses ist auch nicht mit der eines Dieselbusses vergleichbar, der Bus hätte folglich Zwischentanken fahren müssen. Zudem hätten die Busse auch nur Platz für weniger Fahrgäste geboten, es wäre also für uns ein Rückschritt geworden.

LNG haben wir auch betrachtet. Das ist eine sehr komplexe Technik, das verflüssigte Gas wird mit Schiffen angeliefert, zum Beispiel im Ennshafen. Dort sind auch zwei LNG-Busse im Einsatz, das macht auch Sinn (Anm.: Im Ennshafen gibt es eine LNG-Tankstelle). Aber die Betankung der Busse (Anm.: in Wien) ist nicht gelöst – Wichtig ist für uns: Bus plus Betankung müssen umweltfreundlich sein. Das darf man nicht außer Acht lassen, eine Tankstelle, das ist auch ein riesen Kostenfaktor, sehr hohe Investitionskosten, und man kann den Umweltvorteil an der Tankstelle auch wieder verlieren.

Auch der E-Bus muss „betankt“ werden mit Strom. Sie haben vorher angesprochen, dass die Energieversorgung das Hauptproblem ist. Welchen Herausforderungen waren hinsichtlich der Energieversorgung in Wien Ottakring, wo sich die Hauptladestation der E-Bus-Flotte befindet, zu meistern?

Wir haben bewusst diese Garage genommen, weil hier auch die U-Bahn-Endstelle Ottakring ist. Hier ist auch ein Unterwerk vorhanden. Wir haben über eine Brücke die Stromversorgung hergestellt, über die Dächer geleitet und mit geringstem Aufwand über zwei Stromschienen eine Ladestelle gebaut. Auch die Endhaltestellen sind sehr leicht umzusetzen. Hier haben wir einfach einen Trennmast bei den Straßenbahnhaltestellen gesetzt und die Energiezufuhr zur Busladestelle abgeleitet. Das haben wir selbst gebaut – innerhalb von zwei Tagen kann man so eine Ladestelle in der Stadt errichten.

Und wie sieht es mit den Bussen selbst aus? Sind diese in Komfort und Leistungsprofil mit Dieselbussen vergleichbar?

Wir haben auf nichts verzichtet: Es gibt eine Vollklimatisierung des Busses und auch eine sehr gute Heizung. Alles funktioniert elektrisch. Wir haben ein eigenes Tauchsiederprinzip für die Heizung eingebaut, das ist alles am Dach des Fahrzeugs untergebracht. Die Klimaanlage für Lenker und Fahrgastraum ist gesplittet, sodass der Fahrer seinen Bereich selbst regeln kann.

Die Batteriepakete sind am Dach und hinten im Bus untergebracht. Die Kapazität der Batterien beträgt 96 Kilowattstunden (kW/h). Da wir nach jeder Runde laden, konnten wir auf die Hälfte der Batteriepakete verzichten und auf diese Weise eine Tonne Gewicht einsparen. Das Fahrzeug wird dadurch billiger und auch leichter, somit habe ich eine höhere Förderkapazität an Fahrgästen – das ist unser Erfolgskonzept.

Wo genau sitzt der Antrieb? Ist das – ähnlich wie bei Elektro-Pkw – ein dezentraler Direktantrieb an den einzelnen Rädern?

Nein, wir haben keine Radnabenachse sondern eine normale Busachse mit einem zentralen Antriebsmotor, der hinten sitzt.

Vielen Dank für das Gespräch.