Analyse : Was steckt hinter dem Nutzfahrzeug-Boom in Österreich
8.694 Nutzfahrzeuge wurden im Oktober 2021 neu zugelassen. Das ist weit mehr als das Doppelte (+142 Prozent) gegenüber Oktober 2020 mit 3.590 Neuzulassungen. Ob sich dieser Trend fortsetzt, ist aber fraglich. Natürlich, der Online-Handel boomt und somit auch der Absatz von leichten Nutzfahrzeugen generell. Der starke Anstieg im Oktober dürfte aber wohl zu einem Gutteil auf jene Transporter zurückzuführen sein, die im ersten Halbjahr 2020 noch rasch vor der bevorstehenden NoVA-Einführung bestellt worden waren und nun ausgeliefert wurden. Es handelt sich damit also primär um die Nachwirkungen dieses Vorzieh-Effekts. Daraus jetzt schon eine positive Gesamtbilanz für das Jahr 2021 abzuleiten, dafür ist es leider noch zu früh. Denn, wie der Buchhalter weiß: Abgerechnet wird zum Jahresende! Und es ist leider zu erwarten, dass auf den regelrechten Run auf Transporter der 3,5-Tonnen-Klasse vor der NoVA-Einführung dann die Katerstimmung folgt.
Wie gravierend dieser Absatzeinbruch sein wird, darüber kann man jetzt nur spekulieren. Langfristig wird sich der Markt für leichte Nutzfahrzeuge aber wohl wieder erholen. Denn der allgemeine Wachstumstrend in diesem Segment geht aufgrund der massiven Zuwachsraten im Online-Handel mittel- und langfristig weiter. Ob diese Fahrzeuge bald – nicht zuletzt aufgrund der massiven Verteuerung klassischer Dieseltransporter – überwiegend mit Elektroantrieb ausgestattet sind, wird sich weisen. Wenn es der Industrie gelingt, entsprechende Elektrotransporter, die den Anforderungen der Kundeneinsätze gerecht werden, in ausreichender Zahl und zu leistbaren Konditionen bereitzustellen, stehen die Chancen dafür nicht schlecht. Der Ausbau der entsprechenden, öffentlichen Ladeinfrastruktur bleibt aber weiterhin zentral, auch wenn Firmen die Infrastruktur für die Ladung ihrer Fahrzeug in den Verteilzentren selbst errichten können.
Gerade im Transportersegment entwickelt sich derzeit eine große Dynamik. Diese ist einerseits getrieben durch Kundenanforderungen und die politische Großwetterlage in Sachen Klimaschutz, andererseits auch durch konkrete Maßnahmen wie Steuererleichterungen und Förderungen für E-Fahrzeuge. Dabei drängen viele Startups mit ihren Produkten und Dienstleistungen – etwa „Mobility as a Service“ – auf den Markt. Mit ihrem großen Innovationspotenzial treiben sie die klassischen OEMs vor sich her. Diese haben aber, nicht zuletzt aufgrund ihrer Kapitalstärke und der zur Verfügung stehenden Kompetenzen im Bereich Engineering und Produktion, gute Chancen, bei der E-Mobilität rasch aufzuholen. Bei vielen europäischen Traditionsherstellern überwog anfänglich die Zurückhaltung in Sachen E-Mobilität. Wer hier schon früh begonnen hat zu investieren, hat natürlich jetzt einen entsprechenden Startvorteil. Letztendlich werden sich neben den alteingesessenen Herstellern aber durch die technologische Transformation im Automobilsektor auch einige Newcomer dauerhaft etablieren können.