TRAKTUELL: Sie sind bereits seit Jahrzehnten im Nutzfahrzeuggeschäft tätig, seit einigen Jahren als Repräsentant der Marke Tatra in Österreich. Was ist das Besondere an dieser Marke?
Anton Bucek: Die Marke Tatra hat eine große, altösterreichische Tradition. Das moderne Produkt von Tatra ist ein maßgeschneidertes Produkt, mit dem stark auf Kundenwünsche eingegangen wird. Das ist der Vorteil. Damit sind wir derzeit ein Nischenplayer im schweren Allradbereich. Das Fahrzeug ist ideal abseits der Straße im schwersten Einsatz.
TRAKTUELL: Der Lkw-Markt in Europa ist hart umkämpft, die Neuzulassungen zuletzt dramatisch gesunken. Es tobt ein knallharter Verdrängungswettbewerb. Übrig geblieben sind im Wesentlichen nur fünf Hersteller mit sieben Marken. Welche Chancen hat Tatra überhaupt, in diesem Marktumfeld zu bestehen?
Anton Bucek: Tatra kann durch hohe Qualität und große Abstimmungsmöglichkeiten mit den Kunden maßgeschneiderte Produkte liefern. Der große Vorteil gegenüber den Oligopolisten ist, dass wir keine Stangenware haben, sondern auf Wünsche weitgehend eingehen können.
TRAKTUELL: Im Herbst 2020 hat Tatra Interesse am Lkw-Werk Steyr bekundet, sollte der aktuelle Eigentümer dort tatsächlich die Produktion einstellen. Das sorgte für Schlagzeilen und Tatra wurde über Nacht einer breiten Öffentlichkeit in Österreich bekannt. Werden in Steyr künftig einfach tschechische statt deutscher Lkw produziert und damit 2.366 Arbeitsplätze gerettet?
Anton Bucek: Es gibt ein grundsätzliches Interesse der Eigentümer und des Vorstands von Tatra am Lkw-Produktionsstandort in Steyr. Ich kann zum jetzigen Zeitpunkt keine Strategiepläne bekannt geben, weil ein grundsätzliches Problem erst zu lösen, beziehungsweise eine Frage zu beantworten ist. Es ist wichtig zu erfahren, ob die Firma MAN und deren Eigentümer Traton/Volkswagen bereit ist, das Werk Steyr mit allem Drum und Dran einem anderen Lkw-Hersteller oder einem Konsortium mit einem Lkw-Hersteller zu überlassen. Wenn das grundsätzlich positiv beantwortet ist, können entsprechende Gesprächsrunden stattfinden. Wir sind sehr daran interessiert, dass der Produktionsstandort erhalten bleibt. Und wir sind gerne bereit, eine Einladung zu diesen Gesprächen anzunehmen, um entsprechende Angebote legen zu können.
TRAKTUELL: Tatra produzierte zuletzt rund 1.400 Lkw pro Jahr. Allein im Werk Steyr läuft etwa die zehnfache Anzahl von Fahrzeugen vom Band. Woher will Tatra die Mittel und auch den Absatzmarkt nehmen, um ein Werk dieser Größenordnung zu betreiben?
Anton Bucek: Der Schwerpunkt für die zukünftigen Strategien des Tatra-Vorstands liegt auf den Märkten Deutschland und Österreich. Dabei sind die Marktnähe und die Kundennähe wesentlich und ein entsprechendes Engagement in Steyr wäre ein Schritt in diese Richtung. Die Frage ist natürlich, wer ist dabei mit im Boot? Damit bin ich wieder bei der ersten Frage: Wird überhaupt an einen Lkw-Hersteller verkauft? Wird überhaupt verkauft? Kein Mensch weiß, was eigentlich in Zukunft nach 2023 mit der Liegenschaft und den Betriebsanlagen in Steyr passieren soll!
TRAKTUELL: Das Datum 2023 wird oft genannt im Zusammenhang mit einer möglichen Schließung. Offiziell hat sich MAN aber dazu noch nicht geäußert, oder doch?
Anton Bucek: Den Medien ist zu entnehmen, dass die Standortgarantie, die bis 2030 gelaufen wäre, gekündigt wird und die Schließung bis 2023 angestrebt wird. Auch bei meinen Gesprächen mit den Gebietskörperschaften und Gesprächspartnern in den Ministerien wird immer wieder dieses Datum genannt.
TRAKTUELL: Seitens der Politik wurde auch die mögliche Übernahme des Steyr-Werks durch ein Österreich-Konsortium in den Raum gestellt, nähere Details dazu ist die zuständige Ministerin aber bislang schuldig geblieben. Auch Siegfried Wolf, Top-Manager der russischen GAZ-Gruppe, hat bereits Interesse bekundet. Wäre für Tatra eine Beteiligung oder eine Kooperation mit diesem oder anderen Akteuren zur Lkw-Produktion in Steyr vorstellbar.
Anton Bucek: Am 6. Oktober 2020, also kurz nachdem ruchbar wurde, dass das Werk geschlossen werden soll, habe ich, in Abstimmung mit dem Tatra-Vorstand, mit dem Wirtschaftsministerium Verbindung aufgenommen. Da war bereits bekannt, dass ein Österreich-Konsortium zur Rettung konstituiert werden soll und wir haben unser grundsätzliches Interesse angemeldet, hier mitzuwirken. Dem folgte auch ein Telefongespräch zwischen Bundesministerin Margarete Schramböck und Pavel Lazar, dem CEO von Tatra Trucks. Und es gab in der Folge auch mit möglichen österreichischen Konsortialteilnehmern Gespräche, telefonisch, denn durch die Pandemie waren persönliche Gespräche schwierig zu realisieren. Es ist aber nichts Konkretes dabei herausgekommen und ich höre von diesem Österreich-Konsortium zurzeit eher wenig. Ein Memorandum mit sieben Fragen, das wir bereits im Oktober im Bundeskanzleramt und im Wirtschaftsministerium abgegeben haben, ist bis dato unbeantwortet geblieben. Aber wir warten gerne und stehen zur Verfügung, sowohl zu Gesprächen mit der MAN/Traton-VW-Gruppe als auch mit den offiziellen Stellen in Österreich, Oberösterreich, der Stadt Steyr und wo immer das notwendig ist.
TRAKTUELL: Herr Bucek, vielen Dank für das Gespräch.