Interview mit Johannes Hödlmayr : „So dumm wird hoffentlich keiner sein …“
Was hat sich bei Hödlmayr seit unserem Gespräch im letzten Jahr getan?
Das BMW-Werk in Leipzig ist eines der modernsten Werke von BMW – dort sind wir seit Jahresbeginn als Releasing-Agent tätig. Das heißt, die Techniker von Hödlmayr übernehmen die Fahrzeuge und überprüfen bis zu 256 Punkte am Auto. Wir sorgen dafür, dass die Autos transportfähig gemacht werden und sind verantwortlich dafür, dass die Fremdspediteure und auch die Eigenspediteure rechtzeitig informiert werden, sodass sie in-time abtransportiert werden. Momentan wickeln wir mit 82 Mitarbeitern in Leipzig die Übernahme von 850 Fahrzeugen täglich ab. Im Transportgeschäft sind wir inzwischen auch mit 15 grünen, Hödlmayr-Ganzzügen unterwegs. Auf der Straße, wo wir mit Autotransportern, High-and-Heavy- und geschlossenen Transportern fahren, hat sich im Wesentlichen nichts verändert. Allerdings sehen wir, dass der Fahrermangel, den es in Deutschland bereits seit einem Jahr gibt, nun allgegenwärtig ist. Momentan haben wir rund 900 Fahrer im Einsatz, die etwa 1,7 Millionen Autos jährlich bewegen. Ich bin davon überzeugt, wir können uns nur vom Wettbewerb differenzieren, indem wir bessere Leute, sprich bessere Lkw-Fahrer haben, weswegen wir besonderen Wert auf die Ausbildung legen. Aus diesem Grund heraus sind wir – auch im Gespräch mit dem AMS – dabei Ideen zu entwickeln, wie man junge Menschen dazu bewegen kann, einen Lkw-Führerschein zu machen. Wir müssen uns dabei die Frage stellen: Wie können wir dafür Sorge tragen, dass der Beruf des Lkw-Fahrers – und das ist bitte kein Hilfsarbeiter, sondern ein hochqualifizierter Facharbeiter – wieder attraktiver wird.
Kommen wir zu einem anderen Thema: Die Briten haben unlängst für den EU-Austritt gestimmt. Welche Folgen hat das, auch in Bezug auf das Unternehmen Hödlmayr?
Dass momentan die englische Exportindustrie durch den Währungsverfall des britischen Pfundes in Folge des Referendums kurzfristig einen Vorteil hat – um das zu wissen muss ich nicht studiert haben, dafür brauche ich lediglich Zeitung zu lesen. Dass die Engländer sich mit dieser Entscheidung selbst geschadet haben, sieht inzwischen jeder. Dass junge, intelligente Leute mittlerweile England verlassen, dass internationale Konzerne London als Finanzplatz den Rücken kehren wollen – das sind klare Signale.
Für Hödlmayr heißt es eigentlich nur eines, nachdem wir auch mit einem englischen Partner zusammenarbeiten: Dieser muss in den sauren Apfel beißen, denn wir liefern die Autos im Hafen ab und er stellt sie den Händlern zu. Welche Mehrkosten und längeren Zustellzeiten es aufgrund von veränderten Rahmenbedingungen wie Zollformalitäten und dergleichen geben wird, das kann ich jetzt nicht beurteilen. Es wird sicherlich für die Insel und die dortige Wirtschaft schlechter werden.
Ganz kurz nach diesem Brexit-Votum geisterte auch in der österreichischen Innenpolitik die Idee eines Öxits durch die Köpfe von einigen. Welche Folgen wären in diesem hypothetischen Fall für Österreich und die österreichische Transportwirtschaft zu erwarten und wie realistisch ist das überhaupt?
Ich appelliere an alle Entscheidungsträger der österreichischen Politik, den Fehler, den die Engländer gemacht haben, in Österreich nicht zu machen. Jeder achte Arbeitsplatz in Österreich hat – direkt oder indirekt – mit der Automobilindustrie zu tun. Wir haben viele Zuliefer-Betriebe, die von diesen Exportaufträgen leben. Also, so dumm wird hoffentlich keiner sein, egal von welcher politischen Farbe, um nicht zu begreifen, dass wir nicht aussteigen können. Der EU-Beitritt hat dem kleinen Land Österreich nachweislich geholfen. Nicht umsonst haben wir tausende export-orientierte Betriebe – dieser Fehler darf politisch nicht passieren.
Kommen wir zu einem anderen EU-Thema, oder besser gesagt zu einem Land an der Grenze der EU: Wie beurteilen Sie die jüngsten Ereignisse in der Türkei, die Auswirkungen auf den Verkehr und das Unternehmen Hödlmayr?
Wir betreiben eine Niederlassung in Istanbul auf dem Gelände unseres Partners Dogus, der rund 200.000 Fahrzeuge jährlich in die Türkei importiert. Der Automarkt in der Türkei ist aufgrund der Verunsicherung eingebrochen – wobei der türkische Markt mit 850.000 bis 900.000 Autos pro Jahr gigantisch groß ist. Die Produktion liegt sogar bei 1,4 Millionen Stück. Wir werden sehen, wie es weitergeht. Das heißt: Momentan sind wir mit Investitionen dort sehr vorsichtig. Für unsere 62 Mitarbeiter vor Ort fühlen wir uns verantwortlich und mit diesen sind wir ständig in Kontakt. Mir geht es darum, dass den Leuten nichts passiert und mit reduzierten Mengen machen wir weiter unseren Job. Anmerkung: Fahrzeugimporte in die Türkei werden nach Einschätzungen der Importeure um ca. 8 % bis 10 % sinken. Die inländische Fahrzeugproduktion wird 2017 auf gleichem Niveau bleiben.
Widmen wir uns neben dem Asphalt auch kurz dem Thema „Wasserstraße“. In Österreich hätten wir ja – gar nicht so weit weg von Schwertberg – die Donau, die über den Rhein-Main-Donaukanal immerhin 14 europäische Staaten von der Nordsee bis zum Schwarzen Meer verbindet. Bisher wird die Wasserstraße hauptsächlich für Schüttgüter genutzt und vielleicht auch noch für Petro-Güter. Sehen Sie hier Möglichkeiten für höherwertige Fertiggüter, wie zum Beispiel Autos?
Wenn die Politik ihre Hausaufgabe machen würde und mit den Steuergeldern, die teilweise unnötig verbrannt werden, endlich eine „Verkehrsader Donau“ von Passau bis nach Constanza ausräumen würde, damit wir 2,50 Meter durchgehende Tiefe haben, dann bin ich überzeugt, dass Volumina von Straße und Schiene auf den Binnenwasserweg gehen können. Letztes Jahr ist aber das Binnenschiffgeschäft von rund 10 Millionen Tonnen weiter gesunken, weil eben die Untiefen da waren und nichts gemacht wird, damit die 2,50 Meter durchgehender Tiefgang realisiert wird. Derzeit werden nur acht Prozent der Güter auf dem Binnenschiff transportiert, aber man könnte diesen Anteil locker verdoppeln, wenn diese klare Forderung endlich umgesetzt werden würde. Bis heute geht das nicht. Aber die Zukunft des Verkehrs ist in jedem Fall trimodal mit Straße, Schiene und Schiff.
Kommen wir nochmal zum fahrenden Personal. Die Arbeiterkammer ortet Lohndumping durch Speditionen aus Osteuropa und der Türkei. In einem Artikel ist gar von „moderner Sklaverei“ die Rede. Wie weit sind Sie als Unternehmer von dieser Konkurrenz betroffen?
Dass sich in der Transportwirtschaft einiges verändert hat, ist bekannt. Dass durch die Ostöffnung sehr viele große Unternehmungen entsprechend gewachsen sind, ebenso. Dass dort sowohl das Lohnniveau als auch der Lebensstandard niedriger sind, auch. Mit entsprechender Fahrgenehmigung mischen diese Unternehmungen dann klarerweise auch im internationalen, liberalisierten Transportmarkt mit. Und auf der anderen Seite gibt es jene Unternehmen, die bereits mit der Ostöffnung – so wie Hödlmayr – mit den Autowerken – mitgegangen sind. Das heißt, wir haben vor mittlerweile 27 Jahren damit angefangen, mit den Kunden in die Ostländer zu gehen. Jedes Jahr, wenn irgendwo ein Autowerk entstanden ist, war Hödlmayr schon dort. Das war sicher ein Vorteil. Worauf Sie hinauswollen, ist, dass es im General Cargo Bereich Spediteure gibt, die ihre Lkw überwiegend im Osten angemeldet haben und aufgrund der geringen Gestehungskosten gegenüber einem Westeuropäer, der den gleichen Lkw zum Beispiel in München angemeldet hat, günstiger sein kann. Das ist ein Faktum. Wo ich 100 Prozent bei Ihnen bin, ist, dass das seriös im Rahmen aller gesetzlichen Rahmenbedingungen gemacht werden muss.
Sie sagen zu Recht: „Der Markt bestimmt den Preis“. Aber es ist doch schwierig, wenn unterschiedliche Marktteilnehmer verschiedene Voraussetzungen haben. Und wenn es die Möglichkeit gibt, in einem freien europäischen Binnenmarkt – und hier mischen nun auch türkische Speditionen mit – auf dem Transportmarkt tätig zu sein, dann wächst doch auch der Lohndruck auf die Branche und letztendlich auf die Fahrer. Das heißt, die Löhne werden nicht berauschend wachsen, weil sich die Speditionen das nicht leisten können, weil sie mit den anderen Spediteuren, die billigeres Personal haben, nicht mehr mithalten können. Sehen Sie dieses „unebene Spielfeld“ als Problem?
Sie haben ja schon von mir gehört, dass es einen Fahrermangel gibt. Daher werden in den nächsten Jahren die Gehälter in diesem Bereich überproportional steigen. Angebot und Nachfrage regeln den Preis, auch beim Thema Gehalt. Ich kann nur an die Fahrer appellieren, sich vorher über ihren Arbeitgeber zu erkundigen – ist er seriös, zahlt er pünktlich und wie steht es um die Sozialleistungen? Da kann auch jeder Arbeitnehmer für sich selber entscheiden. Ich kann mich nur abheben, indem wir mehr bieten, nämlich nicht nur im Sinne einer höheren Gage, sondern, dass der Lkw-Fahrer – das sind rund 900 bei uns – ein Teil des Familienbetriebes wird. Und das ist auch meine Erwartungshaltung an die Fahrertrainer, die Fahrerverantwortlichen: dass der Mensch wie ein Mensch behandelt wird. Also, mit schwarzen Schafen möchte ich mich nicht vergleichen, das ist das eine. Das zweite ist: Wie können wir es trotzdem schaffen, dass die schwarzen Schafe aus dem Markt hinausgedrückt werden? Der Fall Stadler ist ein klassisches Beispiel (Anm.: Der Unternehmer Gerhard Stadler wurde 2015, nicht rechtskräftig, wegen betrügerischer Krida zu 6,5 Jahren Haft verurteilt. Zuvor waren nicht bezahlte Sozialabgaben in Millionenhöhe festgestellt worden). Das hat lange gedauert, aber es ist ein Signal für andere Unternehmer: Ja, wir können auch einen ordentlichen Job machen, mit ordentlichen Rahmenbedingungen, die der Unternehmer schaffen kann. Hingegen die politischen Rahmenbedingungen – die können wir nicht beeinflussen.
Sie haben als Spartenobmann der Sparte Transport und Verkehr der Wirtschaftskammer Oberösterreich und Bundesspartenobmann-Stellvertreter letztendlich auch eine politische Funktion. Meinen Sie, dass es so etwas braucht wie gewisse Lohnstandards, zum Beispiel das Mindestlohngesetz in Deutschland, wo ab dem Moment, wo der Lkw deutsches Gebiet befährt, der deutsche Mindestlohn zu bezahlen ist? Das wird eh kommen. Ist das eine sinnvolle Variante, um mit diesen ungleichen Lohnniveaus in Europa umzugehen?
Es wird sich alles ausgleichen, Sie werden sehen. Warum ist das Thema Ausflaggen vor Jahren so extrem betrieben worden? Weil einfach durch den Preisdruck Unternehmer international nicht mehr mithalten konnten. National ist das noch gegangen. Und, dass sich das irgendwann regeln wird, ist auch klar. Nehmen Sie nur die Franzosen, die wegen jeder Kleinigkeit schon streiken. Mittelfristig werden sich auch die Gehaltsunterschiede einpendeln. Und wenn dies die ersten Schritte sind … Wir werden sehen.
Der „Österreichische Weg“ der Nachkriegszeit in Wirtschaft und Politik war und ist von der sozialen Marktwirtschaft, insbesondere der Sozialpartnerschaft, geprägt. Diese hat angesichts zunehmender Globalisierung und internationalem Konkurrenzdruck deutlich an Lösungskompetenz eingebüßt. Manche meinen gar, das Modell habe sich überholt. Wie sehen Sie das?
Es geht immer nur mit Geben und Nehmen, es geht immer nur mit Verhandeln. Miteinander ist besser als gegeneinander. Das fängt bei der Familie als wichtigstem Kern an, geht in der Firma weiter und wenn die Politiker endlich einmal verstehen würden, dass genau sie das umsetzen müssen für das Unternehmen Österreich – wir finanzieren das ja alles mit unseren Steuergeldern – also sollen die gefälligst das tun, was die Bevölkerung fordert: Dass das Steuerkapital sinnvoll eingesetzt und nicht irgendwo verbrannt wird, wie in der Hypo-Alpe-Adria. Ich bin hundertprozentig überzeugt, es geht nur, indem man als Arbeitnehmer und Arbeitgeber sinnvolle Rahmenbedingungen schafft und schaut: Wie kann man sich gemeinsam weiterentwickeln? Wir können das nur gemeinsam schaffen. Ich bin ein hundertprozentiger Verfechter: Miteinander ist tausendmal besser als gegeneinander und so führe ich halt einen kleinen Familienbetrieb.
Herr Hödlmayr, danke für das Gespräch!