Digitalisierung : Schlüsseltechnologie Telematik – Was passt zu meinem Unternehmen?
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Transportunternehmen haben es bekanntermaßen nicht leicht: Sie agieren in einem sich rasch wandelnden Geschäftsumfeld unter oft sehr harten Wettbewerbsbedingungen und zunehmenden Regulierungen. „Auch in Deutschland und Österreich kämpft die Transportbranche mit Herausforderungen wie Kostendruck, einem Mangel an qualifizierten Fahrern sowie der Einhaltung gesetzlicher Regulierungen, beispielsweise den Vorschriften zu Lenk- und Ruhezeiten“, sagt Peter Bal, Vice President Digital Customer Services bei WABCO, einem weltweit führenden Lieferanten von Technologien und Dienstleistungen zur Verbesserung der Sicherheit, Effizienz und Vernetzung von Nutzfahrzeugen.
Um in der hart umkämpften Logistikbranche bestehen zu können, setzen Transportunternehmen daher verstärkt auf digitale Technologien. Und klar ist: Ohne Telematik kann das Potenzial der Digitalisierung für die Transport- und Logistikbranche nicht ausgeschöpft werden. Gleichen Nutzfahrzeuge heute eher rollenden Computern, die alle nur denkbaren Daten erzeugen, sorgt erst die Telematik dafür, dass diese Daten für eine perfekte Logistik sinnvoll gesammelt, vernetzt und zum richtigen Zeitpunkt dem richtigen Anwender zur Verfügung gestellt werden.
Tatsächlich ist das Angebot an Telematiklösungen riesig. Allein auf dem deutschen und österreichischen Markt gibt es mehr als 500 Anbieter. Entsprechend ist es für Transportunternehmen oft schwierig die richtige Lösung zu finden. „Telematik lohnt sich immer. Aber um die Kosten-/Nutzenrechnung optimal zu gestalten, geht es darum, eine spezifische Lösung für den individuellen Anwendungsfall zu finden“, so der Telematik-Experte Bal. Damit das gelingt, braucht es zunächst einen guten Überblick über die Vor- und Nachteile der einzelnen Angebote. Generell teilt sich der Telematikmarkt in drei Gruppen:
Einfache Flottenmanagement-Lösungen
Die größte Gruppe auf dem Markt sind Telematiksysteme von Kleinanbietern. Das sind oft kleine IT-Firmen oder auch Start-ups, die eine einfache, App-basierte Lösung anbieten. Die meisten dieser Lösungen verfügen über grundlegende Telematikfunktionen wie Fahrzeugortung und -navigation, Fahrdatenschreiberdownload, ECO-Drive Analysen oder auch Kommunikationsfunktionen.
Hersteller-Telematik
Fast alle Nutzfahrzeughersteller (Erstausrüster – OEM) bieten mittlerweile auch eigene Telematiksysteme an, die vor allem Vorteile in der Abstimmung mit den eigenen Fahrzeugmarken haben. Flotten mit unterschiedlichen Fahrzeugmarken sollten daher besonders darauf achten, dass das System auch fahrzeug- und markenunabhängig funktioniert.
Premium Flottenmanagement-Lösungen (herstellerunabhängig)
Premium Flottenmanagement-Lösungen (Fleet Management Solutions – FMS) sind fahrzeug- und markenunabhängig. Sie werden von spezialisierten FMS-Anbietern angeboten, die über dezidierte Vertriebs- und Serviceteams verfügen. Entsprechend können sie ihre Kunden bei allen Fragen und Prozessschritten unterstützen. Auch handelt es sich bei Premium-FMS meist um offene Plattformen, wodurch Softwarelösungen von Drittanbietern und angeschlossene Systeme, wie ERP-Software zur Ressourcenplanung, schnell und einfach integriert werden können. So bieten Premium-FMS große Flexibilität und Zuverlässigkeit, aber das hat natürlich auch seinen Preis.
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Auch wenn das Angebot an Telematiklösungen riesig ist, sollten Unternehmen nach einem zuverlässigen, erfahrenen Anbieter suchen, der ihre Bedürfnisse erfüllt, sie durch das Projekt führt und eine langfristige Beziehung garantiert. Das Stichwort hier ist individuelle Prozess- und Anwendungsberatung. Ein gutes Telematiksystem ist nicht nur ein Produkt, sondern eine Komplettlösung mit einem entsprechenden Service. Dabei hängt die Suche nach der richtigen Lösung von den sehr spezifischen Bedürfnissen jeder einzelnen Flotte ab. Denn es ist etwas ganz anderes, hochwertige Güter quer durch Europa zu transportieren oder als kleiner Flottenbesitzer mit 20 Fahrzeugen den regionalen Markt zu bedienen.
Wir haben einige Fragen zusammengestellt, die Transportunternehmen helfen können, sich für die richtige Lösung zu entscheiden:
1) Wozu möchten Sie die Telematiklösung nutzen?
Seit der Markteinführung der ersten Telematiklösungen hat sich einiges geändert. Während frühere Systeme hauptsächlich für eine optimierte Fahrzeugortung eingesetzt wurden, bieten moderne Flottenmanagement-Lösungen weit mehr. Sie ermöglichen die Vernetzung von Fahrzeugen und Systemen und stellen relevante Daten zur Verfügung, die zu jeder Zeit und von jedem Ort aus abgerufen werden können, um so die Flotteneffizienz zu steigern.
Sie ermöglichen es die Position von Fahrzeugen jederzeit zu orten, die optimale Route zu finden, das Fahrverhalten der Fahrer zu evaluieren, den Lieferstatus zu verfolgen, direkt mit dem Fahrer zu kommunizieren, Fahrdatenschreiberdaten zu verwalten, Geschäftsprozesse zu managen und vieles mehr. Doch nicht jeder braucht auch jede Funktion. Daher sollten sich Flottenbetreiber vorab genau überlegen, welche Funktionen sie wirklich nutzen wollen.
Grundsätzlich lohnt es sich, in eine modular erweiterbare Lösung zu investieren. Vielleicht sind anfangs nur Funktionen wie Navigation, Ortung und Fahrdatenschreiberdownload wichtig, aber mit wachsender Flotte und Auftragslage können schnell auch andere Funktionen erfolgskritisch werden. Da ist es gut, wenn man einen Anbieter hat, der sein System schnell und unkompliziert erweitern kann.
2) Welche Daten möchten Sie genau analysieren? (Lkw, Anhänger, Fahrer, Ladung, Subunternehmer)
„Ursprünglich sind Telematiksysteme für die Zugmaschine entwickelt worden, da hier das größte Potenzial für Kraftstoffersparnis durch beispielsweise zielgerichtete Fahrertrainings liegt. Heute geht es um umfassende Transportmanagementlösungen, die Daten aus der gesamten Fahrzeugkombination auswerten können“, sagt Peter Bal, „Alle relevanten Informationen zu Zugmaschine, Fahrer, Anhänger und auch Ladungsinformationen können hier in Echtzeit auf einem einzigen Bildschirm gebündelt werden.“
Komplexere Systeme ermöglichen es zudem, bestimmte Daten mit Kollegen oder auch Subunternehmern und Geschäftspartnern zu teilen. So können beispielsweise die Verwaltung und für die Wartung verantwortlichen Mitarbeiter eines Unternehmens auf alle relevanten technischen Informationen zurückgreifen, die für einen reibungslosen Transportprozess notwendig sind. Die Personalabteilung erhält Einzelheiten über Gehälter und Arbeitszeiten der Fahrer und wird damit maßgeblich bei der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften unterstützt. Gerade Flotten, die über viele Lkw und Anhänger verfügen und zudem mit einer großen Zahl an Subunternehmern arbeiten, sollten über entsprechend umfangreiche Lösungen nachdenken. Erfahrungsgemäß amortisieren sich die Anschaffungskosten aufgrund sinkender administrativer Kosten und gleichzeitig höherer Flotteneffizienz hier sehr schnell.
3) Welche Lösung unterstützt Ihre Fahrer am besten?
Aber nicht nur Flottenbetreiber, sondern auch Fahrer müssen schnell auf alle relevanten Informationen zugreifen können. Hierfür können entweder fest in der Fahrerkabine installierte Bordcomputer oder mobile Geräte wie Smartphones genutzt und auch kombiniert werden. „Effektive FMS müssen den Fahrern heutzutage höchste Flexibilität bieten – und das nicht nur innerhalb der Fahrerkabine“, betont Peter Bal.
Mithilfe einer App auf dem Smartphone können Fahrer spezifische Aktivitäten, wie beispielsweise das Scannen von Barcodes, das Hochladen von Bildern, das Speichern von Kunden-Feedback oder das Melden von Problemen, auch außerhalb der Fahrerkabine erledigen. Die Daten werden mit dem Bordcomputer in der Lkw-Kabine synchronisiert. Zusätzlich werden alle relevanten Informationen über die Back-Office-Software an den Disponenten übertragen. So können Flottenmanager alle Daten von Fahrzeugen und Fahrern auf einem einzigen Bildschirm überwachen.
Mittlerweile gibt es auch Fahrer-Apps, die ähnliche Funktionsweisen wie festinstallierte Bordcomputer bieten und diese somit teilweise ersetzen können. Solche mobilen Lösungen sind gerade für Flotten empfehlenswert, deren Fahrer mit unterschiedlichen Endgeräten arbeiten und auch öfters das Fahrzeug wechseln müssen. Festinstallierte Bordcomputer bieten aber nach wie vor die höchste operative Zuverlässigkeit und auch Datensicherheit. Meistens ist also eine Kombination aus festinstalliertem Bordcomputer mit mobiler Erweiterung sinnvoll.
4) Ist meine bisher genutzte Software in die Lösung integrierbar?
Ganz gleich, welche Lösung passt, eines ist sicher: Reibungslose Logistikprozesse sind nur möglich, wenn eine weitreichende Integration zwischen dem Telematikanbieter und anderen Softwareanbietern mit Lösungen wie Frachtplanung, Tourenoptimierung, Abrechnungssoftware, Reporting und Analysetools stattfindet. Premium-Flottenmanagementlösung beispielsweise fördern diese Integration: Sie sorgen für einen schnellen und korrekten Informationsfluss zwischen dem FMS und den Anwendungen der Softwarepartner. Hier sollten Flottenbetreiber darauf achten, dass sie eine offene Lösung wählen, die es ermöglicht, Drittsoftware einfach zu integrieren und an die spezifischen Bedürfnisse anzupassen.
„Flottenmanager möchten ihre Fahrzeuge nicht ständig mit weiteren Einzelsystemen aufrüsten. Vielmehr suchen sie eine integrierte Lösung, die alle benötigten Funktionen vereint. Eine solche Integration funktioniert nur über eine perfekte Vernetzung innerhalb des Fahrzeugs sowie größtmögliche Konnektivität zu auch außerhalb verorteten Drittquellen“, so Peter Bal.
5) Welche Telematiklösung ist für meine Flottengröße am besten geeignet?
Flottenmanagement-Lösungen sind schon heute Standard für große Flotten mit mehr als 50 Fahrzeugen. Doch der Großteil der Transportunternehmen in Europa betreibt eher kleine Flotten mit nicht mehr als 20 Fahrzeugen. Und gerade die Bedürfnisse der kleinen Flottenbesitzer unterscheiden sich stark von denen großer Flotten.
„Jedes Transportunternehmen muss flexibel und kosteneffizient arbeiten. Für kleine Flotten ist es eine besondere Herausforderung, den Konkurrenzkampf mit den großen Akteuren erfolgreich zu bestreiten, da sie im Vergleich zwar deutlich weniger Arbeitnehmer und unterstützende IT-Systeme haben, aber genauso viele gesetzliche Vorschriften bei der Administration einhalten müssen“, so der Telematik-Profi Bal.
Doch auch für kleinere Flotten gibt es passende Telematiklösungen. Natürlich verfügen diese nicht über dieselben umfangreichen Funktionen, Integrationsmöglichkeiten und individuellen Anpassungen wie die Komplettlösungen – gleichwohl können sie, wenn sie richtig eingesetzt werden, die Flotteneffizienz beträchtlich steigern. Für kleine Flotten sind vor allem internetbasierte Telematiksysteme, bei denen die Daten von einem „Diensteanbieter“ in der Cloud gebündelt werden, interessant und preisgünstig. Der Flottenbetreiber kann damit einfach über seinen Web-Browser und mit einem personalisierten Login Fahrzeugdaten und Auswertungen einsehen. Der Fahrer kann auf diese Daten mithilfe einer App auf seinem Smartphone zugreifen.
Egal für welche Lösung man sich am Ende entscheidet, eines ist sicher: Um erfolgreich den tiefgreifenden digitalen Wandel zu bewältigen, der neue digitalen Geschäftsmodelle, Plattformen und Ökosysteme mit sich bringt, ist Telematik der Schlüssel. Deshalb wird Telematik in Zukunft nicht nur an Bedeutung gewinnen, sondern schlichtweg ein Standard sein müssen.
Über Peter Bal
Peter Bal ist Vice President und Business Unit Leader Digital Customer Services bei WABCO. Er ist Diplom-Ingenieur und Betriebswirt und kam 2007 als Chief Information Officer zu WABCO. Vor seiner Tätigkeit bei WABCO war Peter Bal für die Entwicklung von Technologielösungen bei SWIFT verantwortlich, einem Anbieter von Messaging-Diensten, die von den meisten Banken weltweit genutzt werden. Zuvor arbeitete er bei Belgacom, dem führenden Telekommunikationsanbieter in Belgien, wo er verschiedene leitende Positionen im Bereich IT innehatte, sowie bei Alcatel, einem globalen Hersteller von Telekommunikationsgeräten. Er begann seine Karriere bei IMEC, Europas führendem unabhängigen Forschungszentrum auf dem Gebiet der Mikro- und Nanoelektronik.
Im Jahr 2009 wurde seine Position bei WABCO zum Vice President, Administrative Process Optimization, ausgebaut. Seit Mai 2017 leitet er den neu geschaffenen Geschäftsbereich Digital Customer Services, der sich auf das weltweit wachsende Flottenmanagement-Geschäft von WABCO konzentriert und digitale Dienstleistungen für Kunden und Anwendungen entwickelt.