Lkw/Sattelzug Vergleichstest : Scania S 730 VS. Scania R 450 im Lkw-Test
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Der Sparmeister
Die neue Lkw-Generation von Scania sorgt bereits seit der IAA 2016 für beachtenswerte Resonanz in der Nutzfahrzeugszene. Bei der European Truck Challenge, ebenso wie im TRAKTUELL355 Straßentest, erwiesen sich die Testfahrzeuge mit der brandneuen 500-PS-Maschine als äußerst effizient. Eine Nummer kleiner ist der R 450, den Scania nun im Frühjahr auf unsere Testrunde schickt. Dabei eilt dem Fahrzeug mit der 13-Liter-Maschine als „Green Truck Award“-Gewinner bereits ein gewisser Ruf als Spritsparmeister voraus. Wir können nur sagen, dass sich dieser Eindruck im Test voll und ganz bestätigt hat, auch wenn wir aufgrund der dürftigen Wetterbedingungen und zahlreicher Baustellen auf unserer Testrunde den bisherigen Spritsparrekord, den wir mit dem S 500 eingefahren hatten, nicht toppen konnten: Ein durchschnittlicher Dieselverbrauch von 26,1 Liter auf 100 Kilometer (bzw. 25,0 Liter nach der bisherigen Messmethode)* ist aber eine durchaus passable Leistung in Anbetracht des anspruchsvollen Streckenprofils. Der 450er-Motor von Scania setzt dabei, ebenso wie der 500er, zur Euro-6-Abgasnachbehandlung auf SCR-only Technologie ohne Dieselpartikel-Filter. Der AdBlue-Verbrauch liegt daher etwas höher als bei manchen Fahrzeugen anderer Hersteller, bringt jedoch den Vorteil, dass die SCR-only-Technologie im Betrieb noch zuverlässiger ist, weil sie technisch weniger komplex ist als ein EGR/SCR-System. Zudem wirkt sich die SCR-only-Abgasnachbehandlung auch positiv auf den Spritverbrauch aus, weswegen viele Experten meinen, dass sich diese Technologie durchsetzen wird – jedenfalls in der Klasse bis 500 PS.
Das Kraftpaket
Der Vergleichspartner aus dem Hause Scania in unserem Test, der S 730, ist natürlich ein anderes Kaliber. Das einzige am europäischen Markt verfügbare Serienfahrzeug mit 8 Zylindern und 730 PS ist erwartungsgemäß durchzugsstark. In den 16,4 Litern Hubraum des legendären V8-Aggregats wird der Dieseltreibstoff in Vortriebsenergie umgesetzt: Satte 3.500 Nm Drehmoment können der Maschine solcherart entlockt werden – und das über einen breiten Drehzahlbereich von 1.000 bis 1.400 Touren. Die Fahrgeschwindigkeit bergauf orientiert sich damit primär am Verkehr und der Gaspedalstellung und weniger am Grad der Steigung. Beinahe ungerührt von der Topografie fährt der S 730 im gesetzten Marsch-Tempo dahin. Die Steigung am Semmering nehmen wir, voll beladen, mit 70 km/h und damit 20 km/h schneller als mit dem R 450. An der Abfahrt Schäffern über den Wechsel ziehen wir mit Tempo 85 vorbei. Die unglaublichen Leistungsreserven des V8-Motors zeigen sich naturgemäß in einer hohen Durchschnittsgeschwindigkeit im Test. Der S 730 glüht mit durchschnittlich 84 km/h durch die Ostalpen und ist damit um 2,4 km/h schneller unterwegs als sein Markenbruder. Das bedeutet rund siebeneinhalb Minuten Zeitersparnis auf der gesamten Testrunde von 355 Kilometer. Dafür wirkt sich das stattliche Tempo in den Bergen natürlich auf den Dieseldurst aus: Hier verbraucht der S 730 durchschnittlich 3,2 Liter mehr Treibstoff als der schwächere R 450, das sind über 12 %, (bei annähernd gleichen Verkehrsbedingungen, aber schlechteren Wetterverhältnissen auf der Fahrt mit dem S 730). Dass der stärkere Motor sich dafür beim AdBlue-Verbrauch zurückhaltender gibt, hängt mit der Euro-6-Abgasnachbehandlungsmethode zusammen: Anders als der 6-Zylinder-Reihenmotor des 450ers setzt Scania im V8-Aggregat (noch) auf EGR/ SCR-Technologie mit Abgasrückführung.
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Fahrkomfort/Bedienung
Die Fahrerkabine der neuen Scania Fahrzeuggeneration wurden bereits im TRAKTUELL355Test des R 500 bzw. S 500 ausführlich beschrieben. Offenbar hat sich Scania dabei auch unsere letzten Testberichte zu Herzen genommen, denn das noch im Herbst bemängelte, harte Einfedern bei Querrillen hat man offenbar inzwischen in den Griff bekommen. Wir können jedenfalls am Fahrkomfort mit beiden Kabinentypen keinerlei Mängel mehr feststellen. Ansonsten bleibt es wohl eine Geschmacksache, für welchen Kabinentyp man sich entscheidet: Der durchgängig ebene Kabinenboden des S-Fahrerhauses ist natürlich eine feine Sache, der aber natürlich auch bezahlt werden will. Beide Kabinen sind übrigens auch als SingleDriver Ausführung erhältlich, wodurch statt dem zweiten Bett hinten noch drei große Staufächer zur Verfügung stehen. Besonders praktisch in beiden Kabinen sind auch die 24-V-Zigarettenanzünderstecker- und USB-Stromanschlüsse für Fahrer und Beifahrer. Ebenso finden sich USB-Buchsen am Kopfende der Liege.
Spritsparen per GPS und Computer
Kleine Änderungen gab es bei beiden Fahrzeugen beim GPS-Tempomaten: Kurzfristig erlaubt der Computer nun dem Fahrzeug, in der Bergabfahrt die Maximalgeschwindigkeit von 90 km/h zu überschreiten. So kann der Lkw auf der Abfahrt kurzfristig bis 95 km/h beschleunigen und den Schwung in den nächsten Anstieg mitnehmen. Die Elektronik trägt dabei Sorge, dass die 90 km/h nicht länger als 35 Sekunden überschritten werden, wodurch es zu keinem Eintrag auf der Fahrerkarte kommt. Dieses Feature gibt es beim VW-Konzernbruder MAN schon lange, was die Vermutung nahe legt, dass in diesem Punkt ein Austausch der Entwicklungsingenieure hinter den Kulissen stattgefunden hat. Verbessert wurde zudem auch die Eco-RollFunktion. Anstatt einfach nur im Leerlauf dahinzugleiten, wird das Aggregat punktuell zugeschaltet: „Pulse and Glide“ nennt Scania das. Der Vorteil: Während bei schwachem Gefälle bei einfachem Eco-Roll die Fahrgeschwindigkeit kontinuierlich abnimmt und dann wieder stärker beschleunigt werden muss, kann durch das gezielte Zuschalten des Motors die Geschwindigkeit besser gehalten und die Roll-Zeit insgesamt verlängert werde. Bis zu 0,5 % Treibstoffeinsparung sollen dadurch möglich sein. Ganz allgemein leistet die GPS- und computergesteuerte Fahrgeschwindigkeitsregelung sicher einen entscheidenden Beitrag zu den beachtlichen Verbrauchsergebnissen der neuen Scania Lkw-Generation. Hierbei muss allerdings angemerkt werden, dass die Verbrauchsergebnisse im Eco-Fahrmodus erzielt wurden. Das bedeutet, dass sich das Fahrzeug vor der Bergkuppe bis zu 10 km/h unter die gesetzte Geschwindigkeit zurückfallen lässt. Das führt im dichten Verkehr mitunter zu einer Behinderungen des Hintermanns und provoziert unnötige Überholmanöver durch andere Lkw. Vor allem mit dem 730er stößt eine solche Fahrweise verstärkt auf Unverständnis bei anderen Fahrern. Im Alltag wird der Lenker bei starkem Lkw-Verkehr hier vermutlich eine andere Einstellung des Tempomaten wählen. Das gilt zumindest solange, bis die allgemeine Durchdringung mit GPS-Tempomaten so weit fortgeschritten ist, dass auch alle anderen Fahrzeuge auf der Straße ihr Tempo und die Fahrweise automatisch an die Topografie anpassen.
Fazit
Die Fahrt mit dem 730er macht Spaß. Aber die Zeiten von Lkw-Romantik und „King-of-theRoad“-Feeling sind vorbei. Heute zählen Effizienz und möglichst geringe Kilometerkosten im hart umkämpften Fernverkehrsmarkt. Schnelligkeit ist zwar auch ein Faktor, aber eine Zeitersparnis von einer Viertelstunde im Laufe eines Arbeitstages kann den Mehrverbrauch von 12 % betriebswirtschaftlich kaum rechtfertigen. Zudem ist fraglich, ob die starke Fahrleistung des S 730 überhaupt im Straßenverkehr umgesetzt werden kann: Was nützt die hypothetische Maximalgeschwindigkeit am Berg, wenn man dann mangels Überholmöglichkeit hinter einem schwer beladenen 400-PS-Zug herfahren muss? Der schwere V8 hat allemal seine Berechtigung, im Schwerlastbereich oder im Holz, aber sicher nicht im Standard-Verkehr auf der Langstrecke. Anders sieht das beim 450er aus, der sich seinen Ruf einer hocheffizienten, modernen Transportmaschine redlich verdient hat. Dass der Druck aufs Gaspedal dabei nicht dieselbe freudige Erregung wie beim 730er aufkommen lässt und das beladene Fahrzeug viel behäbiger ist, liegt in der Natur der Sache. Eine „Fracht-Schnecke“ ist aber auch der 450er nicht, denn 49 km/h über den Semmering und 82 km/h über den Wechsel sind durchaus passable Geschwindigkeiten in der Bergwertung – hier hat auch die neue 500-PS-Maschine von Scania im Test nicht besser abgeschnitten. Noch nicht abschließend geklärt werden konnte, ob nun der 450er oder der 500er der sparsamere Motor ist. In unserem letzten Test des S 500 konnten wir zwar den Verbrauchswert des 450ers deutlich unterbieten, allerdings waren die Wetter- und Verkehrsbedingungen wesentlich besser. Mit dem R 500, den wir bei annähernd gleichen Witterungsverhältnissen getestet hatten, liegt der R 450 mit einem Durchschnittsverbrauch von 26,1 Litern (25,0 Liter nach der Messmethode von 2016)* im Test annähernd gleichauf (vgl. R 500 in 2016: 25,5 Liter).
* NEU: Ab Mai 2017 werden bei der Verbrauchsmessung auch Temperaturunterschiede im Tank berücksichtigt. Um die Werte mit früheren Tests vergleichen zu können, geben wir auch die Werte, wie sie der bisherigen Messmethode entsprechen, an.
Technische Daten Scania S 730 Testfahrzeug
Kabine: Neue Scania S-Serie (CS20H), Federung: Air Comfort
Achsen: luftgefedert (vorne: Air/Low, hinten: 4-Balg-Luftfederung)
Motor: Scania DC16 107 (16,4 l), 8-Zylinder V-Motor; 537 kW/730 PS bei 1.900 U/min; 3.500 Nm bei 1.000-1.400 U/min; Euro-6- Abgasnachbehandlung EGR/SCR
Getriebe: Scania GRS9025R mit integrierter Vorgelegewellenbremse, Opticruise ohne Kupplungspedal, Übersetzung: 13,28 – 0,80 Achsübersetzung: i = 2,92
Reifen Zugmaschine: Michelin 315/70
Bremsen: Scheibenbremsen; Motorbremse (320 kW bei 2.400 U/min) und Scania Retarder R4100D (4.100 Nm/500 kW max.)
Gewicht: 8.048 kg
Technische Daten Scania R 450 Testfahrzeug
Kabine: Neue Scania R-Serie (CR20H), Federung: Air Comfort
Achsen: luftgefedert (vorne: Air/Low, hinten: 4-Balg-Luftfederung)
Motor: Scania DC13 148 (12,7 l), 6-Zylinder Reihenmotor; 331 kW/450 PS bei 1.900 U/min; 2.350 Nm bei 1.000-1.300 U/min; Euro-6- Abgasnachbehandlung SCR-only
Getriebe: Scania GRS905R mit integrierter Vorgelegewellenbremse, Opticruise ohne Kupplungspedal, Übersetzung: 16,41 – 1,00 Achsübersetzung: i = 2,59
Reifen Zugmaschine: Michelin 315/70
Bremsen: Scheibenbremsen; Motorbremse (256 kW bei 2.400 U/min) und Scania Retarder R4100D (4.100 Nm/500 kW max.)
Leergewicht: 7.489 kg