Traktuell355 : Scania G 410 LNG Sattelzugmaschine im Test

Die Mautbefreiung für LNG-Trucks in Deutschland für die kommenden zwei Jahre dürfte bei einigen Herstellern für Jubel gesorgt haben – jedenfalls bei denjenigen, die bereits frühzeitig auf Gas gesetzt haben und jetzt auch entsprechende Fahrzeuge anbieten können, bevor die Erhöhung der deutschen Mineralölsteuer auf Erdgas (Energiesteuer) den Mautvorteil wieder zunichtemacht. Zu den Glücklichen gehört nun auch der Hersteller Scania, der seine bewährte 13-Liter-Maschine auch als Erdgas-Ottomotor anbietet. Dieser lässt sich sowohl mit dem G-Fahrerhaus als auch mit der größeren R-Kabine für den Fernverkehr kombinieren.

Der OC 13-Gasmotor bietet 410 PS Leistung und 2.000 Newtonmeter Drehmoment – 150 Newtonmeter weniger als sein Dieselpendant. Damit ist die Maschine für Schwerstaufgaben nicht per se prädestiniert, für normale Fernverkehrsanwendungen, etwa im Volumentransport, ist die Leistung aber ausreichend. Zudem wird das geringere Drehmoment in der Fahrzeugkonfiguration mittels einer kürzeren Hinterachsübersetzung von 2,59 und dadurch einer etwas erhöhten Motordrehzahl von 1.180 Umdrehungen bei 85 km/h ausgeglichen.

Angepasst an die eher geringe Motorleistung führen wir unseren Test diesmal nur mit 32 Tonnen Gesamtzuggewicht und einem Zweiachstrailer durch, anstatt wie üblich mit 40 Tonnen. Eine direkte Vergleichbarkeit der Verbrauchswerte zu unseren anderen Tests ist damit leider nicht gegeben, diese hätte sich aber ohnehin schwierig gestaltet: Der Druck im LNG-Tank beträgt je nach Temperatur und Füllstand bis zu 14 Bar, auch die Betankung erfolgt unter Druck. Damit ist es schwierig, die exakte Maximalbefüllung des Tanks zu reproduzieren. Die Werte an der Zapfsäule weichen somit teils erheblich von jenen des Bordcomputers ab, weshalb wir uns entschlossen haben, hier nur die höheren (!) Verbrauchswerte desselben wiederzugeben.

Die Reichweite des Scania G 410 mit LNG-Tank beträgt rund 1.100 Kilometer. Mit einem CNG-Tank wären bis zu maximal 500 Kilometer realisierbar, was etwa für Verteiler- und Baustellenanwendungen ausreichend wäre. Grundsätzlich ist der Gasmotor sehr laufruhig und vor allem auch leise. Letzteres wird von offizieller Seite durch das „Piek-Noise-Zertifikat“ bestätigt, das maximal 72 dB(A) in einer Entfernung von 7,5 Metern erlaubt. Laut Scania beträgt die Geräuschentwicklung sogar nur 62–65 dB(A) bei 85 km/h und 60–62 dB(A) bei 60 km/h. Das ist nicht nur angenehm für Fahrer und Straßenanlieger, sondern auch rechtlich relevant: Der LNG-Truck darf damit auch in geräuschsensible Zonen einfahren und könnte in manchen Städten und Kommunen sogar von Nachtfahrverboten ausgenommen werden.

Die Abgasreinigung des LNG-Motors entspricht der neuesten Euro 6-Klasse und arbeitet übrigens – im Gegensatz zum Dieselmotor – mit einer Abgasrückführung. AdBlue braucht der Gasmotor jedoch keines und auch der Feinstaub ist bei der Methanverbrennung kein Thema. Alle 45.000 km müssen Zündkerzen und Gasfilter gewechselt werden, alle anderen Serviceintervalle entsprechen den normalen Vorgaben für Dieselfahrzeuge.

Die Kraft der LNG-Maschine wird von einem automatisierten Opticruise-Schaltgetriebe der neuesten Generation übersetzt. Dieses arbeitet weitgehend ident wie in der Dieselvariante des Fahrzeugs, allerdings gibt es keine Eco-Roll-Funktion und damit auch kein Puls and Glide auf langen Rolletappen. Ebenso steht keine Motorbremse zur Verfügung, als Verlangsameranlage dient also allein der Retarder, der wie üblich auch mit der Betriebsbremse koppelbar ist.

LNG wird von vielen als Brückentechnologie auf dem Weg zu einer Mobilität ohne fossile Energieträger gesehen. Während beispielsweise in Spanien schon größere LNG-Flotten verkehren und auch ein entsprechendes Tankstellennetz zur Verfügung steht, kam die Technologie in Zentraleuropa bislang nicht so recht vom Fleck. Das könnte sich allerdings jetzt ändern, nachdem Deutschland neben Elektro- nun auch LNG-Fahrzeuge für zwei Jahre

lang komplett von der Maut befreit. Zwar soll mittelfristig dafür die Energiesteuer auf Erdgas bis 2027 im Nachbarland angehoben werden, bis dahin könnte sich die Anschaffung von LNG-Fahrzeugen jedoch schon längst amortisiert haben. Denn mit 98,5 Cent pro Kilogramm ist der Treibstoff an Österreichs einziger (!) LNG-Tankstelle im Ennshafen auch konkurrenzlos günstig. Wichtig ist derzeit aber noch, dass man auf der zu fahrenden Route

überhaupt an einer Tankstelle vorbeikommt. Wenn hier nicht bald Bewegung in den Netzausbau kommt, dann wird sich LNG trotz aller Vorteile nicht großflächig durchsetzen. Am Fahrzeug sollte es aber nicht scheitern, dennLaufruhe und niedriger Lärmpegel des getesteten LNG-Trucks sprechen für sich. Für ganz schwere Aufgaben sollte Scania aber besser noch eine Maschine mit etwas mehr Leistung auf den Markt bringen. Ein V8-Gasmotor ist bereits in der Pipeline und dürfte demnächst der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Scania G 410 A4x2NA LNG

Kabine: CG20N, luftgefedert

Vorderachse: 2x32-Parabelfederung; 8 t

Hinterachse: Luftfederung, 11,5 t

Übersetzung: i = 2,59

Motor: Scania OC13 101 6-Zylinder-Reihenmotor mit 12,7 Liter Hubraum. Abgasreinigung: AGR und 3-Wege-Katalysator; max. Leistung: 302 kW (410 PS) bei 1.900 U/min; max. Drehmoment: 2.000 Nm bei 1.100–1.400 U/min

Getriebe: automatisiertes Schaltgetriebe Scania Opticruise GRS895R mit 12 Gängen;

Übersetzung: 11,32–1,00

Reifen: Michelin X-Line Energy 315/70 R22.5

Dauerbremsanlage: Retarder Scania R4100D, max. 4.100 Nm und max. 500 kW Bremsleistung, keine Motorbremse

Eigengewicht: 7.800 kg

Testgewicht: 31,84 t