INTERVIEW : Mit Goodyear läuft das Reifenmanagement rund
TRAKTUELL: Wenn es um das Thema Reifen und Kraftstoffsparen bei Nutzfahrzeugen geht: Wo liegen die Herausforderungen beziehungsweise wie ist der aktuelle Stand der Technik auf diesem Gebiet?
Klaus Delatron: Der aktuelle Stand der Technik ist, dass wir für die verschiedenen Einsatzbereiche der Unternehmen unterschiedliche Produkte anbieten. Wir haben zum Beispiel Reifen für den klassischen Fernverkehr, den Verteilerverkehr, für den Baustelleneinsatz mit leichterem oder schwererem Offroad-Einsatz. Hinzu kommen bestimmte topografische und klimatische Bedingungen, die ganz verschiedene Reifenlösungen erfordern. Hier spielt die Reifentechnik eine große Rolle, an die ganz unterschiedliche Anforderungen gestellt werden. So gibt es verschiedene Reifenkonstruktionen und Rollwidersstandwerte. Der Rollwiderstand hat wiederum Auswirkungen auf den Kraftstoffverbrauch. Die Herausforderung ist es, in all diesen Anwendungsbereichen den bestmöglichen Rollwiderstandswert für die jeweilige Reifenkategorie zu erreichen. Fakt ist jedoch, dass zum Beispiel mit Baustellenreifen nicht der gleiche Rollwiderstand wie mit Fernverkehrsreifen erzielt werden kann. Es ist also eine spannende Herausforderung, hier den richtigen Kompromiss für die Mobilität des Kunden und dessen TCO zu finden. Goodyear bietet für verschiedene Anwendungsbereiche den richtigen Reifen.
TRAKTUELL: Welche Rolle spielen telematik-basierte Mobilitätslösungen bei der Optimierung von Geschäftsprozessen und Gesamtbetriebskosten und wo kann sich Goodyear hier mit Services einbringen?
Dirk Menzel: Mit Goodyear Proactive Solutions wollen wir die Leistungsfähigkeit unserer Reifen noch weiter unterstützen. Das Thema des richtigen Reifendrucks ist hierbei besonders wichtig, denn er beeinflusst den Rollwiderstand und letztlich den Reifenverschleiß. Hier kann Telematik helfen. Mit dem Goodyear TPMS können Kunden den Reifendruck und die Reifentemperatur einfach überwachen. Es wird auf die Felge ein Sensor montiert, der permanent Informationen über den Luftdruck gibt, diese werden dann im Fahrzeug in einer Telematikeinheit gesammelt, versendet, von unserem Goodyear-eigenen Algorithmusanalysiert und mittels Reporting dem Kunden zur Verfügung gestellt. Damit sind wir imstande, Informationen im Livebetrieb an die Kunden zu übermitteln. Letztlich hat das Einfluss auf die TCO. Wir können ziemlich genau sagen, wann dem Fahrzeug ein Reifenschaden droht und ein Reifenwechsel fällig wird.
TRAKTUELL: Wie kann Telematik, kombiniert mit einer prädiktiven Analyse reifenbezogene Fahrzeugausfälle in einer Lkw-Flotte um 90 Prozent reduzieren?
Dirk Menzel: Dynamische Telematiklösungen machen es möglich, wobei das Fahrzeug auf seinen Reifenzustand hin permanent überwacht wird. Wir digitalisieren den Reifen. Wenn Reifenprobleme auftreten, meldet sich das System vollautomatisch mit einer Push-Nachricht und dann kann entsprechend entschieden werden, ob das Fahrzeug zum Beispiel noch zu einer Abladestelle fahren kann oder umgehend zum Reifenwechsel muss. Wenn die gegebenen Informationen beachtet werden, können bis zu 90 Prozent der reifenbedingten Schäden und Fahrzeugausfälle vermieden werden.
TRAKTUELL: Welche Wirkung haben Reifen auf die größten Kostenblöcke eines Fuhrparks, und wie unterstützen Reifen hohe Nachhaltigkeitsziele?
Klaus Delatron: Der größte Kostenblock ist der Kraftstoffverbrauch. Hier haben wir aber den ‚traditionellen‘ Fuhrpark vor Augen. Es gibt auch Fuhrparks, bei denen die Fahrzeugwartung und der Reifenverschleiß im Vordergrund stehen, zum Beispiel bei Fahrzeugvermietern und reinen Auflieger-Flotten. In den meisten Fällen sprechen wir aber von rund 30 Prozent Kraftstoffkosten, auf die der Reifen einen wesentlichen Einfluss haben kann. Dieser Wert wirkt sich wiederum maßgeblich auf die TCO aus.
TRAKTUELL: Was hilft aus Ihrer Sicht gegen den Fahrermangel und binden innovative Mobilitätslösungen Fahrer an ihr Unternehmen?
Dirk Menzel: Goodyear kann dazu beitragen, es dem Fahrer zumindest angenehmer zu machen, denn dieser hat immer mehr Aufgaben zu erfüllen. Der Lkw ist mittlerweile ein rollendes Büro, in dem der Fahrer oft ad hoc Routenänderungen erhält und andere Abhol- oder Lieferstellen anfahren muss. Hier ist er sehr dynamisch in einem anspruchsvollen und wachsenden Verkehrsumfeld unterwegs, was es natürlich für ihn immer schwieriger macht. Die Last und das Risiko von Pannen und Ausfällen können wir mit unserem System minimieren und ihm ein Stück weit Sicherheit in seiner Berufsausübung geben. Denn der Fahrer soll nicht einfach wegen einem Reifenschaden irgendwo mit seinem Lkw liegen bleiben. Natürlich ist es auch eine Wertschätzung an den Fahrer, wenn dieser ein gut ausgestattetes Fahrzeug erhält.
TRAKTUELL: Ist die Goodyear TPMS-Lösung auch mit anderen Schnittstellen kompatibel?
Dirk Menzel: Unser TPMS kann mit unterschiedlichen Fahrzeugen und Konfigurationen eingesetzt werden. Wir bieten hier einerseits unser selbstentwickeltes Reporting über ein eigenes Online-Portal, E-Mail oder Smartphone-App an, zum anderen eine Schnittstelle, wo wir Daten auch an Drittsysteme übertragen können, die dann entsprechend der Kundenwünsche konfiguriert werden.
TRAKTUELL: Wie sieht für Goodyear der Nutzfahrzeug-Reifen der Zukunft aus?
Klaus Delatron: Der Reifen der Zukunft wird digital und nachhaltig sein. Bei Goodyear setzen wir zum Beispiel zunehmend nachwachsende Rohstoffe in der Laufflächenmischung ein– etwa Sojaöl anstelle von Erdöl oder Reisschalenasche als Ersatz von Kieselerde. Vernetzung wird zudem eine große Rolle spielen, gerade mit der umliegenden Infrastruktur. Der Reifen ist die einzige direkte Verbindung zur Straße. Im besten Fall könnte er bestimmte Daten direkt von der Straße ablesen, wie Witterungsbedingungen. Außerdem wird sich sicher die prädiktive Wartung weiterentwickeln.
TRAKTUELL: Herzlichen Dank für das Gespräch!