Im Gespräch : Mit dem Lastenrad klimaneutral zur Haustüre

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© David Fuentes - stock.adobe.com

TRAKTUELL: Welche Beweggründe gab es, dieses Projekt ins Leben zu rufen?

Biehl: Das Fraunhofer LBF forscht seit 80 Jahren im Kontext sicherer Leichtbaustrukturen für mobile Systeme. Dazu gehören letztlich alle Verkehrsträger. Um die urbane Mobilität klimafreundlich zu entwickeln, müssen Verkehrsträger sinnvoll kombiniert werden. Dazu gehört, dass alternative Lösungen, wie der Transport mittlerer Lasten mit besonders leichten Fahrzeugen, berücksichtigt werden. Da das LBF einige Verbesserungspotenziale zur Masseeinsparung von kommerziell erhältlichen und durchaus sehr spannenden Lastenfahrrädern sieht, wollen wir hier einige neue Impulse geben und neue Forschungs- und Entwicklungskooperationen vorschlagen. Zudem wollten wir ein agiles Arbeiten in einem stark interdisziplinären Team testen. Das ist spannend und dynamisch.

TRAKTUELL: Lastenräder sind einerseits "hip", müssen aber wichtige Dienste leisten, wenn es um den urbanen Transport ("Last Mile“) geht. Wie schätzen Sie die Zukunft dieses Markts ein?

Biehl: Dies ist ein interessanter Wachstumsmarkt, der nicht nur in Deutschland und Europa zum nachhaltigen Wandel in der Mobilität beiträgt. Denken wir an den asiatischen Markt, in denen derartige Kleinfahrzeuge in wichtigen Metropolen fest etabliert sind. Hier sind technische Impulse willkommen.

TRAKTUELL: Ihr Projekt umfasst auch die Materialforschung: Lastenräder sollen leicht und robust sein. Welche Materialien kommen hier in Frage bzw. wie ist der Stand der Forschung?

Biehl: Wir betrachten je nach Einsatzgebiet sowohl metallische als auch kunststofftechnische Lösungen. Hintergrund dafür ist neben der technischen Funktion, die Beherrschung der Nachhaltigkeit durch gute Wiederverwertung der Materialien und Komponenten. So setzen wir im lasttragenden Bereich bewusst keine kohlefaserverstärkten Kunststoffe, sondern hochfeste Aluminiumlegierungen ein, die gut wiedererschmolzen und neu verwertet werden können.

TRAKTUELL: Können Sie auch etwas zu diesem neuartigen Batteriesystem sagen, dass bei Ihren Forschungsfahrrädern zum Einsatz kommt. Was können diese im Vergleich zu konventionellen Systemen leisten und wo liegen die Vorteile dabei?

Biehl: Durch die Integration in Strukturbauteile können wir teils leichter bauen, die Masse im Fahrzeug besser verteilen und mehr Speicherkapazitiät integrieren. Zudem untersuchen wir, ob die Sicherheitsfunktionalität durch einen geschickten Ansatz erhöht werden kann. Hier werden wir wohl ein Patent ableiten.

TRAKTUELL: Lässt sich schon etwas zur Reichweite sagen? Wie weit kommt eines Ihrer Lastenräder mit vollem Akkupack?

Biehl: Da sind wir noch in der Testphase und können zum jetzigen Zeitpunkt leider noch keine Aussage machen.

TRAKTUELL: Akkus, Sensorik, Leichtbau: Welche weiteren umweltfreundliche Ideen sind bei einem Lastenrad noch vorstellbar?

Biehl: Wir möchten gerne Biomaterialien mit in das Lastenrad einbauen und untersuchen da unterschiedliche Integrationsmöglichkeiten.

TRAKTUELL: Sie greifen auf handelsübliche Räder, Komponenten zurück und forschen damit. Überlegen Sie mit den richtigen Förderern ein komplett eigens Lastenrad zu konstruieren oder geht es allein um das Forschen?

Biehl: Uns geht es hier darum zu zeigen, welches Entwicklungspotenzial in den Lastenrädern noch liegt und damit entsprechende Partner zu begeistern, mit uns Weiterentwicklungen zu betreiben. Als Fraunhofer-Institut arbeiten wir mit und für Unternehmen, um deren Produkte weiterzuentwickeln und neue technologische Lösungen oder bessere Produkteigenschaften zu liefern, die dann helfen, die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Wir glauben, dass es noch einige Potenziale bei Lastenfahrrädern zu erschließen gibt.

TRAKTUELL: Sie planen Ihr Projekt auf Veranstaltungen und Messen vorzustellen, um das Interesse anderer zu wecken. Doch die Corona-Pandemie macht Ihnen gerade einen Strich durch die Rechnung. Haben Sie schon alternative Wege gefunden, das Projekt nach außen zu tragen?

Biehl: Im Moment nutzen wir unterschiedliche virtuelle Formate. Wir haben die „LastenLeichtBauFahrräder“ Projektseite auf unserer Fraunhofer LBF Webseite, auf der wir über unsere Entwicklungen berichten. Zudem werden wir unsere Ergebnisse aus diesem Projekt auf der virtuellen Fraunhofer Messe 2020, den „Fraunhofer Solution Days“ vorstellen, welche vom 26. bis 28. Oktober 2020 stattfindet. Zudem gibt es immer wieder Anfragen, sich bei physischen Treffen auszutauschen. Solange die Treffen im kleineren Kreis stattfinden, sind diese unter den vorgegebenen Hygienekonzepten kein Problem.

TRAKTUELL: Glauben Sie, dass es schwer ist, einen eingefleischten Lkw-Fahrer von den Vorzügen eines umweltfreundlichen Lastenrades zu überzeugen?

Biehl: Auch für Lkw-Fahrer betreiben wir hier Entwicklungen, zum Beispiel in dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderten Projekt „evTrailer“ haben wir die Elektrifizierung eines Standard-Trailers durchgeführt. Diese Entwicklungen bieten eine sehr gute Basis für den Aufbau von neuen Batteriesystemen für Lastenräder. Wir stellen fest, dass das Thema Lastenfahrräder viel mehr Anhänger hat als zunächst erwartet. Und das sind keinesfalls nur passionierte Fahrradfahrer, sondern junge Familien, Geschäftsleute und vielleicht auch Lkw-Fahrer, die logistische, ökologische und ökonomische Vorteile durch Nutzung von Lastenfahrrädern erkennen.

Das Entwicklungsfeld der Lastenfahrräder ist zwar bei uns neu, aber wir haben im Haus einen etablierten Forschungsbereich für Nutzfahrzeuge mit viele Themen in seinem „Angebots- und Forschungsköcher“. Diese reichen von der Lasterfassung an Fahrzeugkomponenten und Fahrzeugen auf den Straßen dieser Welt über die Nachbildung der Beanspruchungen im Labor zur Absicherung von Zuverlässigkeiten bis zur Entwicklung alternativer, emissionsärmerer hybrider Antriebssysteme.

TRAKTUELL: Abschließend, wo liegen Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen Ihres Projekts?

Biehl: Lastenfahrräder bieten viele Ansatzpunkte für Entwicklungen und diese versuchen wir bestmöglich gleichzeitig durchzuführen. Das ist eine Herausforderung. Damit wollen wir der Industrie zeigen, dass wir in der Lage sind vielseitig und schnell zu arbeiten.