Markus K. (Name von der Redaktion geändert) arbeitet seit vielen Jahren bei MAN in Steyr. Er ist Angestellter und hat, wie auch andere Kollegen, bei der Urabstimmung für die Übernahme des Investors Siegfried Wolf gestimmt. Für ihn kam die Ankündigung von MAN, das Werk schließen zu wollen, nicht ganz überraschend. Vor Ort habe man mit veralteten Strukturen zu kämpfen, auch neue Führungskräfte, die einen frischen Wind reinbringen, vermisse man größtenteils. Zudem habe der Konzern das Werk in den vergangenen Jahren sukzessive ausgehungert und wichtige Fertigungsschritte ins Ausland verlagert, etwa das Presswerk, den Einkauf, die Achsfertigung, CkD-Produktion, Fahrerhausproduktion und zuletzt sogar das Vorseriencenter. Hintergrund dafür sei wohl auch ein gewisser Neid im deutschen Mutterkonzern, weil das Werk Steyr trotz allem zahlenmäßig sehr gut dasteht, vermutet K.
„Wir können nicht sagen, dass wir zu wenig Arbeit hätten. In den letzten Monaten und in den letzten Jahren auch nicht“, sagt K. Und was etwa die Krankenstandstage betrifft, sei Steyr Spitzenreiter – im positiven Sinne: Die Mitarbeiter seien im Konzernvergleich nur selten krankheitsbedingt abwesend. Auch die Streikrate ist in Österreich niedrig, das politische Umfeld stabil, das Werk sei profitabel. Alles Faktoren, die für den Standort Steyr sprechen. „Man wundert sich eigentlich, warum man ein gewinnbringendes Unternehmen ramponiert. Ich finde das irgendwie schade.“ Denn immerhin seien auch die Lackieranlage für Kunststoffteile – die modernste ihrer Art in ganz Europa – und das Truck Modifaction Center gut angelaufen. Intern gebe es aber ein gewisses Informationsdefizit hinsichtlich der Zukunft des Standorts Steyr: „Wir erfahren vom Betrieb weniger als von den Medien.“ Das Argument der hohen Lohnkosten kann K. nur bedingt nachvollziehen, dafür sei der Anteil der Löhne und Gehälter an den gesamten Wertschöpfungskosten in der Lkw-Produktion zu gering.
Die Stimmung im Unternehmen hinsichtlich der geplanten und nun vorerst geplatzten Übernahme sei geteilt. „Das zieht sich durch den ganzen Betrieb, auch bei den Angestellten.“ Seine Entscheidung bei der Urabstimmung für Wolf zu stimmen, begründet K. mit der Hoffnung auf eine Zukunftsperspektive. „Ich habe eine gute Ausbildung, kann meine Fähigkeiten bei MAN aber nicht ausspielen.“, so K. In der Übernahme durch Wolf habe er folglich eine Chance gesehen. Trotz unterschiedlicher Meinungen zum Wolf-Deal sei der Zusammenhalt aber gut zwischen den Angestellten und auch insgesamt im Unternehmen. Verständnis äußert K. auch für die Arbeiter. Bei diesen, meint er, habe wohl das Thema der geplanten Lohnkürzungen eine entscheidende Rolle gespielt. Bei den Angestellten wären es wohl nur 10 Prozent geworden, die Arbeiter hätten auf 15 Prozent verzichten müssen. Und darüber hinaus wusste man auch nicht, wer bleiben darf und wer seinen Hut nehmen muss. Viele haben aber – nicht zuletzt aufgrund der Standortgarantie von MAN – private Investitionen getätigt, etwa Grundstücke gekauft und Häuser gebaut.
Von der Politik erwartet sich K., dass sie etwaigen Investoren mit Förderungen unter die Arme greift. Allerdings nur, wenn es auch ein solides Konzept und eine langfristige Perspektive gibt. Denn oftmals würden sich Unternehmensförderungen nur als Geldgeschenke ohne Gegenleistung darstellen, davon hält der Angestellte nichts. Und wenn die öffentliche Hand einspringt und das Werk übernimmt, dann folgen andere Betriebe womöglich diesem Beispiel und man tritt eine Lawine los, die den Staat angesichts der Überschuldung schlicht überfordern würde.
Wie auch immer die Zukunft für Steyr aussieht, es gehört ausgemustert und die Strukturen müssen moderner und effizienter werden, sagt K. Die alteingesessenen Mitarbeiter würden das zum Teil nicht sehen, weil sie lange Zeit auf einem sicheren Arbeitsplatz gesessen haben. Um den Modernisierungsrückstau zu beseitigen brauche es daher einen Mix zwischen jüngeren und älteren Führungskräften. Dem Betriebsrat, so fürchtet er, gehen langsam die Hebel aus, um den Konzern überhaupt noch zu einem Einlenken und der Abkehr von seinen Schließungsplänen zu bewegen. Vom Management in München erwartet er sich ohnehin nichts. „Ich will die gar nicht mehr sehen! Was soll man von jemandem halten oder erwarten, der einfach nur sagt: Steyr muss weg?“ Auch der Mitarbeiter eines Unternehmens stellt einen gewissen Wert dar und den sollte man möglichst nach bestem Wissen und Gewissen nutzen und Schritt für Schritt gemeinsam nach vorne gehen. „Bei einigen Unternehmen ist der Mitarbeiter der letzte Dreck und die Aktionäre kriegen einen Haufen Kohle. Man hat zu wenige Vorbilder“, ärgert sich K. und ergänzt: „Es herrscht Vollbetrieb, aber es will uns keiner haben – das ist ein sehr komisches Gefühl. Ich hätte mich gefreut auf eine neue Herausforderung.“